Parteien führen das Korruptionsbarometer 2010 an
Die Menschen in Deutschland misstrauen den Parteien: Viele halten sie für korrupt
Transparency: "Parteien sollten ihr schlechtes Image als klares Signal zum Handeln werten. Sie laufen immer mehr Gefahr, das Vertrauen und die Unterstützung ihrer Wähler zu verspielen"
(14.12.10) - Anlässlich des Internationalen Antikorruptionstages stellt Transparency International die Ergebnisse des "Global Corruption Barometer 2010" vor. In Berlin berieten zeitgleich Staatsanwälte und Vertreter der Polizeibehörden auf Einladung der Friedrich Ebert Stiftung sowie von Transparency Deutschland über den Stand der Strafverfolgung von Korruptionsdelikten.
Weltweit und auch in Deutschland ist eine Mehrheit der Befragten der Meinung, dass Korruption in den letzten drei Jahren zugenommen hat. In Deutschland erhalten vor allem die politischen Parteien und die Privatwirtschaft schlechte Noten. Ein relativ hohes Vertrauen wird dagegen der Justiz und der Polizei entgegengebracht.
Um das Vertrauen in die Strafverfolgungsinstitutionen auch künftig erhalten zu können, seien Anstrengungen zur Effizienzverbesserung dringend erforderlich. Notwendig sind nach Auffassung von Transparency Deutschland die Einrichtung von Schwerpunktstaatsanwaltschaften in allen Bundesländern sowie eine verbesserte personelle Ausstattung der Strafverfolgungsbehörden.
Schwerpunktstaatsanwaltschaften in jedem Bundesland
Die wirksame Verfolgung von Wirtschaftskriminalität und Korruptionsdelikten erfordere wegen der schwierigen Beweisführung ein hohes Maß an einschlägigem Sachverstand und Erfahrung. In neun Bundesländern – Bayern, Berlin, Brandenburg, Bremen, Hamburg, Niedersachsen, NRW, Sachsen, Schleswig-Holstein – wären daher in den letzten Jahren Schwerpunktstaatsanwaltschaften für Korruption geschaffen worden. In den übrigen Bundesländern fehle eine solche Bündelung und Schwerpunktsetzung. Edda Müller, Vorsitzende von Transparency Deutschland: "Es sollte in jedem Bundesland eine solche 'Sonder-Einheit' geben. Dies schulden wir nicht zuletzt den integeren Unternehmen, die sich im Wettbewerb gegen die unlautere Vorteilsbeschaffung durch Korruption behaupten müssen."
Die Strafverfolgungsbehörden brauchen ausreichendes und qualifiziertes Personal
Es müsse von einer hohen Dunkelziffer bei Korruptionsdelikten ausgegangen werden. Ursache hierfür ist nicht zuletzt die unzureichende personelle Ausstattung bei Polizei, Staatsanwaltschaften und Gerichten im Bereich der Wirtschaftskriminalität. Personalmangel behindere z.B. die sorgfältige Auswertung von Hinweisen, durch die man Korruption dingfest machen kann. Kapazitätsbedingte Verzögerungen der Verfahren führen nach Ansicht von Transparency außerdem häufig zu unangemessen milden Urteilen. Transparency fordert die Einrichtung von zusätzlichen Taskforces für Großverfahren im Bereich der Wirtschaftskriminalität. Weiterhin wird die Finanzverwaltung aufgefordert, ihrer gesetzlichen Pflicht zur Mitteilung von Korruptionsverdachtsfällen konsequenter nachzukommen.
Korruptionsbarometer 2010:
Bürgerinnen und Bürger in Deutschland sind in Sachen Korruption hoch sensibilisiert. Sie machen aber kaum persönliche Erfahrungen mit Korruption
Das Global Corruption Barometer 2010 enthält die Ergebnisse von Meinungsumfragen zur Wahrnehmung und zu den Erfahrungen der Bürgerinnen und Bürger in Bezug auf Korruption. In Deutschland sind siebzig Prozent der Befragten der Meinung, dass Korruption im eigenen Land in den letzten drei Jahren zugenommen hat. Dies übertrifft noch die weltweiten Ergebnisse, wo 6 von 10 Befragten von einer Zunahme der Korruption in ihrem Land ausgehen.
Ein völlig anderes Bild zeigt sich hinsichtlich des persönlichen Umgangs mit Schmiergeldern. Während im weltweiten Durchschnitt 25 Prozent der Befragten angaben, dass sie in den letzten 12 Monaten Schmiergelder gezahlt hätten, um an bestimmte Leistungen zu kommen oder "Probleme mit Behörden" zu vermeiden, waren es in Deutschland nur zwei Prozent der Befragten. Dies lässt vermuten, dass die hohe Sensibilität gegenüber Korruption weniger auf eigenen Erfahrungen beruht. Vermutlich haben vielmehr das Auftreten und die Berichterstattung über zweifelhafte Fälle von Parteisponsoring, Fangprämien im Gesundheitswesen, Vorfälle bei Unternehmen, aber auch Fußballwettskandale das Bewusstsein der Öffentlichkeit geprägt.
Justiz und Polizei schneiden gut ab
Auf einer Skala von eins (überhaupt nicht korrupt) bis fünf (höchst korrupt) werden verschiedene Sektoren nach ihrer wahrgenommenen Korruption bewertet. Justiz und Polizei schneiden dabei am besten ab. Sie werden mit 2,4 Punkten bzw. 2,3 Punkten bewertet. Im internationalen Vergleich ist das vorbildlich.
Parteien führen das Korruptionsbarometer 2010 an
Parteien führen das Korruptionsbarometer – im negativen Sinne – mit einem Punktwert von 3,7 an. Darauf folgen die Privatwirtschaft mit 3,3 Punkten und der öffentliche Sektor mit 3,2 Punkten. "Parteien sollten ihr schlechtes Image als klares Signal zum Handeln werten. Sie laufen immer mehr Gefahr, das Vertrauen und die Unterstützung ihrer Wähler zu verspielen. Anfangen sollten sie damit, durch eine klare Regelung des Parteisponsoring endlich Konsequenzen aus den Parteisponsoringaffären zu ziehen", so Edda Müller.
Hintergrundinformationen
Für das Global Corruption Barometer 2010 wurden 91.781 Personen in 86 Ländern durch Gallup International im Auftrag von Transparency International befragt. In Deutschland wurden im Juni 2010 tausend Bürgerinnen und Bürger befragt.
(Transparency: ra)
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