Einheitliche Umsetzung der EU-Sanktionspolitik
EU-Kommission schlägt vor, die Umgehung von EU-Sanktionen unter Strafe zu stellen
Die Kommission verfolgt einen zweistufigen Ansatz bei der Verabschiedung von Rechtsvorschriften, die dazu beitragen sollen, der Straflosigkeit von Personen, die gegen EU-Sanktionen verstoßen, ein Ende zu setzen
Seit Beginn des Krieges in der Ukraine verhängt die EU restriktive Maßnahmen gegen russische und belarussische Staatsbürger. Um eine Sicherstellung ihrer Vermögenswerte zu verhindern, versuchen Oligarchen jedoch, diese zu verstecken oder abzuziehen, beispielsweise durch Übertragung von Eigentum (sanktionierte Vermögensgegenstände) auf einen nicht sanktionierten Dritten. Dabei können sie bestehende Rechtslücken nutzen, da die strafrechtlichen Bestimmungen über Verstöße gegen EU-Sanktionen von Mitgliedstaat zu Mitgliedstaat variieren. Das Einfrieren von Vermögenswerten, die von Oligarchen und anderen Personen, die mit dem russischen Angriffskrieg in Verbindung stehen, kontrolliert werden, ist von zentraler Bedeutung, um die russische Kriegsmaschinerie zu stoppen.
Die Kommission verfolgt einen zweistufigen Ansatz bei der Verabschiedung von Rechtsvorschriften, die dazu beitragen sollen, der Straflosigkeit von Personen, die gegen EU-Sanktionen verstoßen, ein Ende zu setzen. Als ersten Schritt legte die Kommission am 25. Mai einen Vorschlag für einen Beschluss des Rates vor, mit dem der Verstoß gegen EU-Sanktionen als Straftat europäischer Dimension eingestuft wird.
Nach der Annahme eines Beschlusses des Rates am 28. November 2022 legt die Kommission nun als zweiten Schritt einen Vorschlag für eine Richtlinie zur Definition von Straftaten und Sanktionen bei Verstoß gegen restriktive Maßnahmen der EU vor.
Warum schlägt die Kommission eine Richtlinie über Verstöße gegen restriktive Maßnahmen vor?
Die Harmonisierung der strafrechtlichen Definitionen sowie der Art und Höhe der Strafen für Verstöße gegen Sanktionen soll es erleichtern, solche Verstöße in allen Mitgliedstaaten gleichermaßen zu untersuchen, strafrechtlich zu verfolgen und zu ahnden.
Der Verstoß gegen restriktive Maßnahmen gilt in den meisten Mitgliedstaaten als Straftat. Er zählt ferner zu einer besonders schwerwiegenden Kriminalitätsform, da er den Weltfrieden und die internationale Sicherheit dauerhaft bedrohen, die Festigung und Förderung von Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechten untergraben und erheblichen wirtschaftlichen, gesellschaftlichen und ökologischen Schaden verursachen kann. Zudem hat er eindeutig eine grenzüberschreitende Dimension, die eine einheitliche Reaktion auf EU-Ebene und weltweit erfordert.
Unterschiedliche Definitionen und Strafen bei Verstoß gegen restriktive Maßnahmen behindern aber die einheitliche Umsetzung der EU-Sanktionspolitik. Dies birgt das Risiko des "Forum-Shopping" (Wahl des günstigsten Gerichtsstands), bei dem sich Kriminelle für ihre Aktivitäten die Mitgliedstaaten mit dem geringsten Strafverfolgungsrisiko oder der geringstmöglichen Strafe aussuchen. Ein uneinheitlicher Vollzug der restriktiven Maßnahmen untergräbt die Glaubwürdigkeit des Ziels der Union, den Weltfrieden und die internationale Sicherheit wie auch die gemeinsamen Werte der Union zu wahren.
Warum musste der Rat zunächst einen Beschluss erlassen, in dem der Verstoß gegen restriktive Maßnahmen der Union als Straftat europäischer Dimension eingestuft wird?
Straftaten mit europäischer Dimension sind besonders schwere Straftaten, die EU-weit begangen werden und über nationale Grenzen hinaus Auswirkungen haben. Deshalb werden sie auf EU-Ebene unter Strafe gestellt. Derzeit gibt es zehn Kriminalitätsbereiche, die in Artikel 83 Absatz 1 AEUV aufgeführt sind: Terrorismus, Menschenhandel und sexuelle Ausbeutung von Frauen und Kindern, illegaler Drogenhandel, illegaler Waffenhandel, Geldwäsche, Korruption, Fälschung von Zahlungsmitteln, Computerkriminalität und organisierte Kriminalität.
Weitere EU-Straftatbestände können nur durch einstimmigen Beschluss des Rates und mit vorheriger Zustimmung des Europäischen Parlaments festgelegt werden. Am 28. November hat der Rat einstimmig einen Beschluss angenommen, mit dem der Verstoß gegen restriktive Maßnahmen in die im Vertrag über die Arbeitsweise der EU enthaltene Liste der EU-Straftatbestände aufgenommen wird.
Was sind die Eckpunkte des Kommissionsvorschlags?
Die Richtlinie soll genaue Definitionen von Straftaten im Zusammenhang mit Verstößen gegen restriktive Maßnahmen der EU enthalten, insbesondere für die folgenden Straftaten:
>> die Bereitstellung von Geldern oder wirtschaftlichen Ressourcen für eine natürliche oder juristische Person, die restriktiven Maßnahmen unterliegt;
>> das Versäumnis, unverzüglich Gelder oder wirtschaftliche Ressourcen einzufrieren, die einer natürlichen oder juristischen Person gehören, die restriktiven Maßnahmen unterliegt;
>> die Beteiligung an verbotenen oder beschränkten Finanztätigkeiten und
>> die Beteiligung an einem verbotenen oder beschränkten Handel.
Zu den Straftaten soll auch die Umgehung von EU-Sanktionen zählen, z. B. durch die Verschleierung der Tatsache, dass eine Person, die restriktiven Maßnahmen unterliegt, Eigentümer oder Begünstigter bestimmter Gelder ist. Gelistete Personen, die restriktiven Maßnahmen unterliegen, sind häufig als Anstifter und Mittäter an diesen Straftaten beteiligt.
Die vorgeschlagene Richtlinie sieht auch Sanktionen gegen natürliche Personen vor. Diese Sanktionen gelten für alle oben genannten Straftaten und verpflichten die Mitgliedstaaten, wirksame, verhältnismäßige und abschreckende Strafen anzuwenden. Für die schwersten Straftaten ist in der vorgeschlagenen Richtlinie eine Freiheitsstrafe im Höchstmaß von mindestens fünf Jahren vorgesehen, die von den Richtern in den Mitgliedstaaten gegen natürliche Personen verhängt werden sollte.
Mit der künftigen Richtlinie würden auch gemeinsame grundlegende Standards für Sanktionen gegen juristische Personen in allen Mitgliedstaaten festgelegt, unter anderem Geldstrafen oder Geldbußen von bis zu 5 Prozent des weltweiten Jahresumsatzes; der Ausschluss vom Zugang zu öffentlichen Mitteln; das Verbot der Ausübung einer Geschäftstätigkeit; die Entziehung von Genehmigungen und Zulassungen für Tätigkeiten, die zur Begehung der Straftat geführt haben; die richterliche Aufsicht; die gerichtlich angeordnete Auflösung, die Schließung von Einrichtungen, die für die Begehung der Straftat genutzt wurden. Die Verantwortlichkeit juristischer Personen schließt die Möglichkeit der strafrechtlichen Verfolgung natürlicher Personen als Täter, Anstifter oder Gehilfen bei den unter die Richtlinie fallenden Straftaten nicht aus.
Schließlich wird in der Richtlinie auch klargestellt, welche Gerichtsbarkeit in der EU für die strafrechtliche Verfolgung der Straftat der Umgehung restriktiver Maßnahmen der EU zuständig ist.
Was fällt unter den Straftatbestand der Umgehung?
Der Straftatbestand umfasst:
>> den Verstoß einer benannten Person, Organisation oder Einrichtung gegen eine Verpflichtung im Rahmen restriktiver Maßnahmen der EU, Gelder oder wirtschaftliche Ressourcen innerhalb des Hoheitsgebiets eines Mitgliedstaats zu melden, die in ihrem Eigentum oder Besitz sind oder von ihr gehalten oder kontrolliert werden, und
>> den Verstoß gegen eine Verpflichtung im Rahmen restriktiver Maßnahmen der EU, unverzüglich Informationen über eingefrorene Gelder oder wirtschaftliche Ressourcen oder Informationen über Gelder oder wirtschaftliche Ressourcen, die im Eigentum einer benannten Person, Organisationen oder Einrichtung sind oder von ihr gehalten oder kontrolliert werden und die nicht eingefroren wurden, an die zuständigen Verwaltungsbehörden zu übermitteln.
Gibt es bestimmte Garantien für gelistete Personen und für Angehörige von Rechtsberufen?
Der Vorschlag enthält zwei spezifische Garantien für gelistete Personen und für Rechtsanwälte.
Ihnen werden durch die Straftaten keine Verpflichtungen auferlegt, die dem in der Charta und der Richtlinie über die Unschuldsvermutung verankerten Recht zuwiderlaufen, sich nicht selbst zu belasten und die Aussage zu verweigern. Ferner werden Angehörige von Rechtsberufen nicht verpflichtet, Informationen zu melden, die in unmittelbarem Zusammenhang mit Gerichts-, Verwaltungs- oder Schiedsverfahren erlangt wurden. Die Rechtsberatung ist unter diesen Umständen durch das Berufsgeheimnis geschützt, es sei denn, der Angehörige der Rechtsberufe beteiligt sich am Verstoß gegen restriktive Maßnahmen der EU, die Rechtsberatung erfolgt zum Zwecke eines Verstoßes gegen restriktive Maßnahmen der EU oder der Angehörige der Rechtsberufe weiß, dass der Klient Rechtsberatung für die Zwecke eines Verstoßes gegen restriktive Maßnahmen der Union sucht.
Können Vermögenswerte von Personen, Organisationen oder Einrichtungen, die EU-Sanktionen umgehen, eingezogen werden?
Im Mai 2022 schlug die Kommission eine Richtlinie über die Abschöpfung und Einziehung von Vermögenswerten vor, die in solchen Situationen gelten würde, da sie die Möglichkeiten zur Einziehung von Erträgen auf ein breiteres Spektrum von Straftaten, einschließlich Verstößen gegen restriktive Maßnahmen der EU, ausweitet.
Mit dem Vorschlag wird sichergestellt, dass Gelder oder wirtschaftliche Ressourcen, die durch die Umgehung restriktiver Maßnahmen der EU erlangt werden, als "Erträge aus Straftaten" betrachtet werden. Dies umfasst:
>> die Verschleierung von Geldern oder wirtschaftlichen Ressourcen, die sich im Besitz, Eigentum oder unter der Kontrolle einer benannten Person, Organisation oder Einrichtung befinden, sowie
>> die Verschleierung der Tatsache, dass eine Person, Organisation oder Einrichtung, die restriktiven Maßnahmen unterliegt, der eigentliche Eigentümer oder Begünstigte von Geldern oder wirtschaftlichen Ressourcen ist.
(Europäische Kommission: ra)
eingetragen: 22.01.23
Newsletterlauf: 14.03.23
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