Sie sind hier: Home » Markt » Hintergrund

Aufklärungspflichten von Banken und Sparkassen


Urteil bei fehlerhaften Anlageberatung: Bundesgerichtshof erstmals mit "echter Beweislastumkehr"
Ab sofort geht jede Unklarheit in der Beweisführung zulasten der beklagten Finanzinstitute

(11.07.12) - Unter dem Aktenzeichen XI ZR 262/10 und mit Datum vom 8. Mai 2012 kommt vom Bundesgerichtshof (BGH) ein überaus anlegerfreundliches Urteil. Der BGH entschied sich erstmals für eine "echte Beweislastumkehr". Deshalb dürfte es für Investoren künftig viel einfacher sein als bislang, Schadenersatzansprüche wegen fehlerhafte Anlageberatung insbesondere gegen Banken und Sparkassen durchzusetzen. Darauf weist die KWAG Kanzlei für Wirtschafts- und Anlagerecht jetzt hin.

"Für Anleger ist dieses BGH-Urteil ein Meilenstein", kommentiert Jens-Peter Gieschen, Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht sowie Partner der auf Investorenschutz spezialisierten KWAG Kanzlei für Wirtschafts- und Anlagerecht. Im Kern seiner Entscheidung akzeptiert das höchste deutsche Zivilgericht nunmehr eine "echte Beweislastumkehr" und nimmt somit deutlich Abstand von seiner früheren Rechtsprechung. "Auf Grundlage dieses Urteils werden Investoren ab sofort Schadenersatzansprüche wegen fehlerhafter Anlageberatung gegen Finanzinstitute viel einfacher durchsetzen können als bislang", ist Gieschen überzeugt.

Hintergrund: Bis dato und auf Grundlage der früheren BGH-Rechtsprechung waren klagende Investoren in der Beweispflicht. "Jede Unklarheit in der Beweisführung ging also zulasten der Kläger", erläutert Jens-Peter Gieschen. Selbst sobald feststand, dass die beratende Bank oder Sparkasse ihre Aufklärungspflichten im Zusammenhang mit einem Investment verletzt hatte. Grundlage für diese Rechtsauffassung war das BGH-Urteil vom 16. November 1993 unter dem Aktenzeichen XI ZR 214/92. Nunmehr entschied das höchste deutsche Zivilgericht, dass die Beweislastumkehr bereits greift bei erwiesener Aufklärungspflichtverletzung, und distanzierte sich somit von seine fast zwanzig Jahre alten Entscheidung.

Beispiel: Vor der aktuellen BGH-Entscheidung war das Prozedere wie folgt: Gab es mehr als eine Handlungsmöglichkeit für den falsch beratenen Anleger, musste dieser nachweisen, dass er von der Zeichnung eines Produktes Abstand genommen hätte, falls ihn sein Berater z.B. über die Rückvergütung, die die Bank vom Produktgeber für die Vermittlung des besagten Investments erhält, aufgeklärt hätte. "Das aber war und ist in der Regel nicht ganz einfach. Deshalb zielten die beklagten Finanzinstitute und ihre rechtlichen Vertreter bei der Prozessführung genau darauf ab und versuchten die so genannte Vermutung aufklärungsrichtigen Verhaltens zu erschüttern", erklärt Fachanwalt Gieschen. "Echte Beweislastumkehr" bedeutet, dass nunmehr die beklagte Bank beweisen muss, dass ihr Kunde sich trotzdem für das Investment entschieden hätte, selbst wenn er über die "Kick-backs" informiert worden wäre.

Mit dem zu Grunde liegenden Fall muss sich nunmehr erneut das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt am Main beschäftigen (Aktenzeichen: 19 U 2/10). Dort ging es im Berufungsverfahren (vorher erstinstanzlich Urteil vom LG Frankfurt unter dem Aktenzeichen 2/26 O 100/09) um die Schadenersatzforderung eines Klägers. Dieser verlangte von der betreffenden Bank die Rückabwicklung seiner Beteiligung an einem Medienfond. Investiert hatte der Kläger 35.000 Euro plus Ausgabeaufschlag in Höhe von 1.750 Euro. "Grund für die Schadenersatzklage war die Tatsache, dass die Bank ihrem Kunden die von der Fondsgesellschaft für die Vermittlung der Beteiligung erhaltenen Rückvergütungen verschwiegen hatte", erläutert KWAG-Partner Jens-Peter Gieschen, dessen Team den Kläger vor dem OLG Frankfurt vertritt.

Nach der BGH-Entscheidung muss sich das Oberlandesgericht der Hessen-Metropole erneut mit dem Fall beschäftigen, und zwar "unter Berücksichtung der nunmehr geltenden Beweislastumkehr", sagt Gieschen. Für die Finanzinstitute ist es nun allgemein weit schwieriger als bisher, Schadenersatzforderungen ihrer Kunden vor Gericht abzuwehren. Und umgekehrt "sind die Chancen geschädigter Investoren deutlich gestiegen, sich insbesondere gegen Banken und Sparkassen wegen fehlerhafter Beratung durchzusetzen", ist Gieschen überzeugt. (KWAG Kanzlei für Wirtschafts- und Anlagerecht: ra)

Kwag: Kontakt und Steckbrief

Der Informationsanbieter hat seinen Kontakt leider noch nicht freigeschaltet.


Kostenloser Compliance-Newsletter
Ihr Compliance-Magazin.de-Newsletter hier >>>>>>


Meldungen: Europäische Kommission

  • Verringerung der Mehrwertsteuer-Compliance-Lücke

    Laut einem von der Europäischen Kommission veröffentlichten neuen Bericht haben die meisten EU-Mitgliedstaaten zwischen 2018 und 2022 erhebliche Fortschritte bei der Erhebung der Mehrwertsteuer erzielt.

  • FuEuI im Mittelpunkt der EU-Wirtschaft

    Die europäische Industrie hat ihre Investitionen in Forschung und Entwicklung (FuE;E) im Jahr 2023 um 9,8 Prozent erhöht und damit das Wachstum der FuE-Investitionen der Unternehmen in den USA (+5,9 Prozent) und China (+9,6 Prozent) erstmals seit 2013 übertroffen, so die veröffentlichte neue Ausgabe des EU-Anzeigers für industrielle FuE;E-Investitionen.

  • Einführung eines Flugemissionslabels

    Die EU-Kommission hat eine Verordnung zur Einführung eines Flugemissionslabels (FEL) angenommen, das eine klare und vertrauenswürdige Methode zur Berechnung der Flugemissionen bietet. Fluggesellschaften, die Flüge innerhalb der EU durchführen oder aus der EU abfliegen, können sich freiwillig diesem Gütesiegel anschließen, das ab Juli 2025 voll funktionsfähig sein wird.

  • Änderungen des derzeitigen Rechtsrahmens

    Die Europäische Kommission schlägt gezielte Änderungen des derzeitigen Rechtsrahmens vor, der in der Verordnung über eine gemeinsame Marktorganisation für landwirtschaftliche Erzeugnisse (GMO) festgelegt ist, und legt eine neue Verordnung über die grenzüberschreitende Durchsetzung der Vorschriften über unlautere Handelspraktiken vor.

  • Rettungs- und Umstrukturierungsbeihilfen

    Die Europäische Kommission ist nach eingehender Prüfung des Sachverhalts zu dem Schluss gelangt, dass eine deutsche Beihilfemaßnahme im Umfang von 1,9 Mrd. EUR zur Unterstützung von DB Cargo, eines der führenden Schienengüterverkehrsunternehmen in Europa, mit den EU-Beihilfevorschriften im Einklang steht.

Wir verwenden Cookies um unsere Website zu optimieren und Ihnen das bestmögliche Online-Erlebnis zu bieten. Mit dem Klick auf "Alle akzeptieren" erklären Sie sich damit einverstanden. Erweiterte Einstellungen