Asset-Deal und Share-Deal
Compliance beim Betriebsübergang: Damit der Betriebsübergang nicht zur Stolperfalle im Rahmen der Unternehmensnachfolge wird
Kündigung der Arbeitnehmer beim Übergang des Unternehmens sind zwar zulässig - Doch besteht hier Gestaltungsspielraum
Von Sven Kaiser, Rechtsanwalt in der Steuerberatungs- und Rechtsanwaltskanzlei Roland Franz & Partner, Essen
(13.04.12) - Jedem Gesellschafter-Geschäftsführer sollte regelmäßig bekannt sein, dass im Falle eines Betriebsübergangs im Sinne von § 613a BGB sowohl eine Schlechterstellung der Arbeitnehmer als auch eine Kündigung unwirksam ist. Doch die alles entscheidende Frage, ob tatsächlich ein Betriebsübergang vorliegt, kann regelmäßig ohne die Hinzuziehung eines rechtlichen Beraters nicht beantwortet werden, da insbesondere die Anzahl der zu dieser Thematik ergangenen höchstrichterlichen Entscheidungen für den juristischen Laien nicht zu überblicken sind.
Noch mit Urteil vom 18. August 2011 hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) entschieden, dass ein Betriebsübergang mit dem Wechsel in der Person des Inhabers des Betriebs eintritt, sofern der bisherige Inhaber seine wirtschaftliche Betätigung in dem Betrieb einstellt und der Übernehmer die wirtschaftliche Einheit im Wesentlichen unverändert fortführt.
Dabei ist jedoch dieser Umstand – auch und gerade im Rahmen der Unternehmensnachfolge - von erheblicher Bedeutung. So sind sowohl der Veräußerer als auch der Erwerber beim Vorliegen eines Betriebsüberganges gemäß § 613a Abs. 5 BGB verpflichtet, die Arbeitnehmer umfassend und schriftlich über den Betriebsübergang zu informieren.
Insbesondere ist zu unterrichten über
> den Zeitpunkt bzw. den beabsichtigten Zeitpunkt des Betriebsübergangs;
> den Grund für den Betriebsübergang;
> die rechtlichen, wirtschaftlichen und sozialen Folgen des Betriebsübergangs für die Arbeitnehmer sowie
> die hinsichtlich der Arbeitnehmer in Aussicht genommenen Maßnahmen.
Eine fehlerhafte Unterrichtung löst den Lauf der Widerspruchsfrist des Arbeitnehmers nicht aus mit der Folge, dass die Arbeitnehmer auch Monate nach dem Betriebsübergang widersprechen können. Im Falle eines Widerspruchs würde das Arbeitsverhältnis mit dem Veräußerer fortbestehen mit der Folge, dass der Erwerber qualifizierte Mitarbeiter verliert und der Veräußerer die Vergütung – zumindest bis zum Ablauf der Kündigungsfrist - bezahlen muss. Darüber hinaus führt eine unzutreffende Beurteilung, die das Vorliegen eines Betriebsüberganges verneint, bei der Kündigung von Arbeitnehmern, die vor der Veräußerung ausgesprochen werden, regelmäßig zu Streitigkeiten vor dem Arbeitsgericht.
Doch werden sich viele jetzt fragen, was hat denn ein Betriebsübergang mit der Unternehmensnachfolge zu tun?
Vereinfacht dargestellt, bestehen neben der Betriebsverpachtung im Ganzen, die meist steuerliche Gründe hat, zwei Möglichkeiten im Falle der Unternehmensnachfolge, der so genannte "Share-Deal" und der so genannte "Asset-Deal".
Beim Share-Deal handelt es sich um den Erwerb einer gesellschaftsrechtlichen Beteiligung an einer Gesellschaft. Aus arbeitsrechtlicher Sicht bleibt der Arbeitgeber – beispielsweise die L. Müller GmbH – identisch, so dass ein Betriebsübergang nicht vorliegt. In diesem Falle könnten z.B. vor Verkauf der Anteile auch Kündigungen zum Zwecke der Umsetzung eines Sanierungskonzeptes erfolgen, ohne dass befürchtet werden müsste, dass Kündigungen wegen Verstoßes gegen § 613a BGB unwirksam wären.
Bei einem Asset Deal hingegen, bei dem einzelne Wirtschaftsgüter (Assets) des Unternehmens – ohne den Rechtsträger – auf den Erwerber übertragen werden, besteht regelmäßig Bedarf, sich mit den Voraussetzungen eines Betriebsüberganges auseinanderzusetzen. Werden sämtliche Aktiva und Passiva übertragen, liegt ein Betriebsübergang mit den Folgen des § 613a BGB vor.
Werden hingegen nur Teile des Unternehmens übertragen, liegt ein Betriebsübergang nach der eingangs erwähnten Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts nur vor, wenn ein neuer Rechtsträger die wirtschaftliche Einheit unter Wahrung ihrer Identität fortführt. Wann dies wiederum der Fall ist, kann nicht pauschal gesagt, sondern muss anhand des Falles geprüft werden.
Das Bundesarbeitsgericht hat unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des EuGH die nachfolgenden Grundsätze entwickelt, die für bzw. gegen die Annahme eines Betriebsüberganges sprechen:
> Die Art des Unternehmens charakterisiert die wirtschaftliche Einheit, d. h. in betriebsmittelgeprägten Branchen sind die materiellen Betriebsmittel (z. B. Maschinen), bei Handels- oder Dienstleistungsunternehmen die immateriellen Betriebsmittel (Schutzrechte, Kundenstamm etc.) maßgeblich.
> Wird das gesamte Betriebsvermögen übertragen, liegt unstreitig ein Betriebsübergang vor. Werden nur einzelne Wirtschaftsgüter übertragen, liegt ein Betriebsübergang nur vor, wenn diese Wirtschaftsgüter wesentlich sind und der Erwerber die wirtschaftliche Einheit unverändert fortführen kann.
> In betriebsmittelarmen Branchen kann bereits eine Gesamtheit von Arbeitnehmern eine wirtschaftliche Einheit darstellen mit der Folge eines Betriebsüberganges (bspw. Fensterputzer eines Reinigungsunternehmens).
> Als Teilaspekt ist der Wert der immateriellen Aktiva im Zeitpunkt des Übergangs maßgeblich. Eine Auftragsnachfolge genügt nicht, jedoch kann die Übertragung von gewerblichen Schutzrechten einen Betriebsübergang indizieren.
> Betriebsübergang kann ferner vorliegen, wenn der Erwerber eine ähnliche Tätigkeit am gleichen Ort bzw. in unmittelbarer Nähe - bezogen auf den gleichen Kundenkreis - ausübt.
> In betriebsmittelarmen Branchen ist auch das Kriterium der Ähnlichkeit der Tätigkeit vor und nach Übertragung zu beachten.
Die Unterbrechung der betrieblichen Tätigkeit kann gegen einen Betriebsübergang sprechen, wenn die Unterbrechung dazu beiträgt, eine bestehende, funktionsfähige, wirtschaftliche Einheit zu zerschlagen.
> Festzuhalten bleibt somit, dass beim Asset-Deal regelmäßig auch ein Betriebsübergang vorliegt, nicht jedoch beim Share-Deal.
Will man sich arbeitsrechtlich nicht den Unwägbarkeiten eines Betriebsüberganges im Sinne von § 613a BGB aussetzen, empfiehlt es sich zwingend, die Unternehmensnachfolge durch einen Share-Deal zu realisieren. Wir können daher nur anraten, sich bereits frühzeitig – unter Hinzuziehung eines rechtlichen Beraters - mit der Problematik auseinander zu setzen, um noch rechtzeitig die Weichen stellen zu können. (Roland Franz & Partner: ra)
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