BGH hat Gassonderkunden den Rücken gestärkt
Gaspreiserhöhungen: Unwirksame Gaspreisklauseln bei RWE
Nach positivem Urteil für die Verbraucherzentrale NRW: Jetzt können Hunderttausende Geld zurückverlangen
(28.08.13) - Weil der Energiekonzern RWE in seinen Vertragsklauseln nicht angab, aus welchen Gründen und nach welchem Modus die Gaspreise für Sonderkunden steigen können, muss er nun unrechtmäßig verlangte Preisanhebungen zurückzahlen. Der Bundesgerichtshof (BGH) hat (Az.: VIII ZR 162/09) entschieden, dass 25 RWE-Gassonderkunden wegen der unwirksamen Vertragsbedingungen Rückzahlungen von insgesamt 16.128,63 Euro zustehen.
Eine Entscheidung mit weit reichenden Folgen: Wer Verträge mit gleich lautenden Klauseln abgeschlossen hat, kann nun ebenfalls Geld zurückverlangen. Allerdings geht das nicht automatisch: Hunderttausende müssen bei ihren Energieversorgern nun zunächst Widerspruch gegen Rechnungen einlegen und Erstattungen einfordern. Die Verbraucherzentrale appelliert an die Versorger, hierbei ein schlankes und verbraucherfreundliches Verfahren zu etablieren.
Auch Europäischer Gerichtshof auf Verbraucherseite
Der Europäische Gerichtshof (EuGH) war in seinem Urteil vom 31. März 2013 (Az. C-92/11) schon der Ansicht der Verbraucherzentrale NRW gefolgt: Wer mit seinem Energieunternehmen einen Sonderkundenvertrag abschließt, darf Klauseln erwarten, die transparent darstellen, aus welchen Gründen und nach welchem Modus die Gaspreise während der Vertragslaufzeit erhöht werden können. Deshalb reicht es nicht aus, wenn Versorger bei Preiserhöhungen für diese Kundengruppe allein auf Vorschriften verweisen, die für die Grundversorgung gelten. Dort genügt es, dass die erhöhten Gaspreise unter anderem öffentlich bekannt gemacht werden. Gründe für die Erhöhung sind jedoch nicht zu benennen.
Nun hat auch der BGH Gassonderkunden den Rücken gestärkt: Er erklärte die von RWE verwendeten Preisanpassungsklauseln in Sonderverträgen, die nur die in der Verordnung für Tarifkunden enthaltene Regelung übernehmen oder auf diese verweisen, für unwirksam. In einem 2006 initiierten Sammelklageverfahren gegen die damalige RWE Westfalen-Weser-Ems AG (inzwischen RWE Vertrieb AG) hatte die Verbraucherzentrale NRW wegen fehlender Rechtsgrundlage exemplarisch für 25 Verbraucher Rückforderungsansprüche aus überhöhten Gasrechnungen für die Jahre 2004 bis 2006 geltend gemacht.
Massenhaft Sonderkunden
Anders als der Begriff vermuten lässt, sind Gassonderkunden kein Sonderfall, sondern vorherrschendes Vertragsmodell. Mehr als 70 Prozent der fast 13,5 Millionen deutschen Gaskunden haben Verträge, in denen – abweichend von der gesetzlich geregelten Grundversorgung (sogenannte Tarifkunden) – besondere Konditionen und Preise für den Gasbezug vereinbart sind. Wer schon einmal den Gastarif bei seinem Versorger gewechselt oder sich für einen anderen Gasanbieter entschieden hat, ist Sonderkunde. Und hat damit unter Umständen einen Vertrag, nach dessen Klauseln Gaspreise ohne ausreichende Gründe erhöht werden können. Diese finden sich nämlich nach wie vor in den Energielieferverträgen von RWE und anderen Versorgen.
Die BGH-Entscheidung, dass die RWE-Klauseln in Gassonderkundenverträgen den Anforderungen an Transparenz und Ausgewogenheit nicht genügen und unwirksam sind, bedeutet im Klartext: Die Gesellschaft muss die unberechtigten vereinnahmten Gelder zurückzahlen - und zwar nicht nur an die an der Klage beteiligten RWE-Kunden. Auch zahlreiche andere Versorger, die entsprechende Klauseln nutzen, stehen jetzt in der Pflicht.
Allerdings: Geld aus den unberechtigten Gaspreiserhöhungen gibt es nicht automatisch zurück, sondern jeder einzelne Kunde muss das Geld von seinem Versorger zurückfordern. Dazu muss er – so verlangt es der BGH in seinem Urteil – seiner Jahresrechnung innerhalb von drei Jahren widersprechen.
Schlanke Lösung finden
Obwohl EuGH und BGH der Verbraucherzentrale nach jahrelangem Verfahren Recht gegeben haben, wird durch das Urteil nun eine Lawine von Widerspruchsschreiben und Verjährungsprüfungen losgetreten. Sinnvoll wäre es, wenn RWE und alle anderen Versorger einen einfachen Modus finden würden, wie die Rückzahlung abgewickelt werden kann. Die Verbraucherzentrale NRW bietet dabei an, über eine schlanke Lösung für alle betroffenen Gassonderkunden wie Versorgungsunternehmen zu verhandeln.
EuGH wie auch der BGH haben die gängigen Klauseln für Sonderverträge jetzt zwar kassiert – ungeklärt ist allerdings weiterhin, wie rechtswirksame Preisanpassungsklauseln künftig aussehen sollen. Die Verbraucherzentrale fordert den Gesetzgeber deshalb auf, endlich rechtliche Grundlagen für transparente Preisanpassungen zu schaffen. Eine Verordnung für Sonderkunden zu erlassen oder eine entsprechende Regelung ins Energiewirtschaftsgesetz einzufügen, sind nach Ansicht der Verbraucherschützer dabei sinnvolle Wege. (Verbraucherzentrale NRW: ra)
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