Unzeitgemäßer Reformentwurf für Glücksspielmarkt


Bitkom kritisiert: Länder wollen Glücksspielmonopol aus finanziellen Gründen retten
Neues Gutachten nennt verfassungsrechtliche Probleme
- Bitkom: Das staatliche Glücksspiel-Monopol hat in der digitalen Welt ausgedient

(04.11.11) - Bitkom hat den neuen Reformentwurf der Bundesländer zum Glücksspiel-Staatsvertrag als unzeitgemäß kritisiert. Der Entwurf sieht vor, das Verbot von Online-Glücksspielen im Wesentlichen beizubehalten. Online-Sportwetten privater Anbieter bleiben grundsätzlich untersagt und sollen nur für eine begrenzte Anzahl von Konzessionsinhabern erlaubt werden.

Bitkom-Hauptgeschäftsführer Bernhard Rohleder sagte dazu: "Die Hürden für private Anbieter werden wieder einmal grundlos hoch gesetzt. Die Bundesländer versuchen, aus finanziellen Gründen ihr Lotto-Monopol weitestmöglich zu retten." Das Staatsmonopol werde lediglich aufgeweicht, aber nicht aufgegeben. Vom 26. bis zum 28. Oktober beraten die Ministerpräsidenten unter anderem über dieses Thema. Rohleder: "Die Länder sollten jetzt die Chance annehmen, klare Regeln für einen freien Glücksspiel-Markt festzulegen – inklusive der Bedingungen zur Gefahrenprävention." Bitkom befürwortet eine Marktfreigabe mit gleichzeitig hohen Anforderungen an die Seriosität der Anbieter, um den stetig wachsenden Schwarzmarkt einzudämmen. Auch der neueste Entwurf verfehle dieses Ziel.

Der bisherige, Ende 2011 auslaufende Glücksspiel-Staatsvertrag verbietet deutschen Unternehmen, Lotto und Sportwetten online anzubieten. Wegen dieses Verbots betreibt die EU-Kommission ein Vertragsverletzungsverfahren gegen die Bundesrepublik. Das Verbot ist nach Ansicht von Bitkom auch in sich widersprüchlich: So dürfen deutsche Firmen zwar stationäre Automatenspiele oder Online-Pferdewetten anbieten, aber keine anderen Internet-Sportwetten. Schleswig-Holstein ist inzwischen einen eigenen Weg gegangen und hat im September ein liberaleres Glückspielgesetz verabschiedet, das von der EU-Kommission als europarechtskonform angesehen wird.

In einem neuen Rechtsgutachten kommt der Heidelberger Verfassungsrechtler Prof. Dr. Bernd Grzeszick zu dem Ergebnis, dass eine Begrenzung der Anbieterzahl für Sportwetten und die Beibehaltung des staatlichen Lotteriemonopols mit der Berufsfreiheit privater Anbieter voraussichtlich nicht zu vereinbaren ist. Eine verfassungsrechtliche Rechtfertigung sei sehr zweifelhaft. Der Entwurf für den Staatsvertrag verstoße zudem in zentralen Bereichen gegen EU-Recht. Die Stellungnahme wurde im Auftrag des Anbieters Betfair Limited erstellt, um die Rechtslage weiter zu klären.

"Das staatliche Glücksspiel-Monopol hat in der digitalen Welt ausgedient", sagt Bitkom-Hauptgeschäftsführer Rohleder. "Wir sollten uns nicht an verstaubte Gesetze aus der Vorkriegszeit klammern, sondern dafür sorgen, dass sich junge Internet-Firmen in Deutschland ansiedeln. Wenn wir Anbietern in Deutschland den Strom abdrehen oder durch Bürokratie wirtschaftlich unattraktiv machen, spielt die Musik im Ausland."

Andere EU-Länder wie Frankreich, Italien und Dänemark haben entschieden, den Markt für private Anbieter zu öffnen. Rohleder sagt: "Statt die Kunden zu ausländischen Anbietern zu treiben, sollten die Länder praxisnahe Regeln für den deutschen Markt aufstellen." Dann sei auch die Prävention gegen Spielsucht leichter zu bewerkstelligen. (Bitkom: ra)

Bitkom: Kontakt und Steckbrief

Der Informationsanbieter hat seinen Kontakt leider noch nicht freigeschaltet.


Meldungen: Kommentare und Meinungen

  • Weitere Maßnahmen sollten folgen

    Die Deutsche Kreditwirtschaft (DK) begrüßt die Entscheidung der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin), den sektoralen Systemrisikopuffer für Wohnimmobilienfinanzierungen von zwei auf ein Prozent zu senken. Damit reagiert die Aufsicht auf die veränderten Marktbedingungen und kommt einer Forderung der Kreditwirtschaft nach. Der Schritt ist ein wichtiges Signal für die differenzierte und verantwortungsvolle Anwendung makroprudenzieller Instrumente.

  • Dringend gesetzliche Klarheit & Bürokratieabbau

    Als am 1. Juli 2024 die Pflegepersonalbemessungsverordnung (PPBV) in Kraft getreten ist, waren sich die meisten Krankenhäuser über die weitreichenden Folgen vermutlich noch gar nicht im Klaren. Denn: Auch wenn der ursprüngliche Gedanke aus dem Gesundheitsministerium durchaus begrüßenswert ist - nämlich Pflege und Versorgung im Gesundheitswesen zu verbessern - ist es wieder einmal das Wie, das eine Besserung der oftmals dramatischen Lage verhindert. In der Praxis erweist sich die Verordnung nämlich nicht als pragmatische Lösung für bessere Arbeitsbedingungen oder einen Abbau von zeitintensiver Bürokratie, sie ist ziemlich genau das Gegenteil: ein bürokratisches Monster, das an inhaltlicher Komplexität seinem eigenen Namen in nichts nachsteht.

  • Stärkung der Demokratie notwendiger denn je

    Transparency Deutschland (TI-D) hat den Koalitionsvertrag der neuen Regierung geprüft - die Bilanz fällt weitgehend ernüchternd aus. Mit Blick auf Lieferkettengesetz, Geldwäschebekämpfung sowie Klima- und Umweltpolitik seien leider erhebliche Rückschritte zu erwarten.

  • Bewertung von PCI DSS 4.0

    Am 31. März 2025 trat die neueste Version des Payment Card Industry Data Security Standard (PCI DSS) in Kraft - Version 4.0*. PCI DSS 4.0 verlangt nicht nur, dass digitale Identitäten eindeutig Personen zugeordnet werden, sondern legt zudem den Fokus auf die Aufrechterhaltung robuster Sicherheitsmaßnahmen angesichts sich ständig weiterentwickelnder Cyberbedrohungen. Organisationen, die mit Zahlungskartendaten arbeiten, müssen verbesserte Sicherheitsanforderungen umsetzen - darunter auch starke Multi-Faktor-Authentifizierung (MFA).

  • EU-Richtlinie gegen Diskriminierung muss kommen

    Auf EU-Ebene fanden weitere Verhandlungen zur "5. Antidiskriminierungsrichtlinie zur Anwendung des Grundsatzes der Gleichbehandlung ungeachtet der Religion oder der Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Ausrichtung" statt. Der Sozialverband VdK fordert die Bundesregierung auf, sich endlich dafür einzusetzen, dass diese verabschiedet wird.

Wir verwenden Cookies um unsere Website zu optimieren und Ihnen das bestmögliche Online-Erlebnis zu bieten. Mit dem Klick auf "Alle akzeptieren" erklären Sie sich damit einverstanden. Erweiterte Einstellungen