Zwang zur Selbstbezichtigung
DICO zum Referentenentwurf eines Gesetzes zur Bekämpfung der Unternehmenskriminalität
Die im Referentenentwurf vorgesehene öffentliche Bekanntmachung einer Verurteilung des Verbandes führt zu einer nicht gerechtfertigten Prangerwirkung
Aus Sicht von DICO ist zu begrüßen, dass der Referentenentwurf des BMJV Compliance normativ im Gesetz verankert und zu einem wichtigen Maßstab für die Sanktionsbemessung macht. Hierdurch wird die Bedeutung von Compliance in Unternehmen nochmals gestärkt und aufgewertet. Zu bemängeln ist, dass weder in den Vorschriften noch in der Begründung des Referentenentwurfs näher konkretisiert wird, welche Kriterien Compliance konkret erfüllen muss, um sanktionsmildernd berücksichtigt zu werden.
Problematisch ist, dass der Referentenentwurf eine Verbandsgeldsanktion von bis zu 10 Prozent des Konzernumsatzes bei Unternehmen von mehr als 100 Mio. Euro Jahresumsatz androht. Diese Sanktionsandrohung beinhaltet eine verfassungsrechtlich bedenkliche Sanktionsschere und führt zu einem faktischen Zwang zur Selbstbezichtigung.
Die Sanktionsandrohung entspricht auch nicht – wie es in dem Entwurf heißt – einer "allgemeinen Gerechtigkeitserwägung", da nicht der "Schuldige", sondern die an dem Fehlverhalten nicht beteiligten Aktionäre und schlussendlich wohl die Verbraucher für die finanzielle Belastung aufkommen werden. Hinzu kommt die Vermögensabschöpfung im Wege der Einziehung, die neben die Verbandsgeldsanktion treten soll sowie unter Umständen noch die Kosten aus der Beauftragung einer sog. sachkundigen Stelle (sog. Monitorship) im Rahmen einer gerichtlich erteilten Weisung. Diese finanziellen Belastungen für Unternehmen sind insgesamt nicht mehr übersehbar und daher unverhältnismäßig.
Die im Referentenentwurf vorgesehene öffentliche Bekanntmachung einer Verurteilung des Verbandes führt zu einer nicht gerechtfertigten Prangerwirkung. Die öffentliche Bekanntmachung ist auch deshalb entbehrlich, weil die Hauptverhandlung gegen den Verband ohnehin öffentlich stattfindet. Die Tilgungsfristen für die Eintragung in das sog. Unternehmensregister von zehn bzw. 15 Jahren sind – auch im Vergleich zu den Tilgungsfristen im BZRG – zu lang und stellen eine unverhältnismäßige Belastung für Unternehmen dar. Der Gesetzgeber sollte vor der Einführung eines zusätzlichen Unternehmensregisters zunächst abwarten, wie sich das Wettbewerbsregister bewährt.
Die Einräumung eines Schweigerechts des Mitarbeiters bei internen Untersuchungen schützt zwar den Mitarbeiter vor Selbstbelastung; andererseits erschwert es für Unternehmen die Aufklärung strafrechtlicher Sachverhalte, was insbesondere bei schwerwiegenden oder gar bestandsgefährdenden Risiken zu nicht akzeptablen Belastungen des Verbandes führen kann.
Für die im Referentenentwurf vorgesehene Trennung interner Untersuchungen von der Unternehmensverteidigung als Voraussetzung für eine Sanktionsmilderung besteht kein Anlass. Im Gegenteil: Unternehmensverteidigung und Sachverhaltsaufklärung gehören zusammen. Es können im Einzelfall gute Gründe dafür sprechen, beides aus einer Hand zu führen. Eine Trennung würde den Aufwand von Unternehmen für die Verteidigung einerseits und die Aufklärung andererseits erheblich erhöhen und damit gerade kleinere und mittlere Unternehmen unangemessen benachteiligen.
Auch die mit dieser Trennung einhergehende Aufhebung des Beschlagnahmeschutzes bei internen Untersuchungen ist nicht sachgerecht und verfassungsrechtlich problematisch, gerade in Kombination mit dem faktischen Zwang zur Selbstbezichtigung. Auch und gerade bei der internen Aufklärung problematischer Sachverhalte ist ein Vertrauensschutz für Unternehmen unverzichtbar.
"Der Referentenentwurf ist ein erster wichtiger Schritt in die richtige Richtung", erklärt Dr. Philip Matthey, Sprecher des Vorstandes von DICO, "allerdings gibt es noch einige Punkte, an denen gearbeitet werden muss." Meinhard Remberg, ebenfalls Sprecher des Vorstandes von DICO, erklärt: "DICO ist bereit, das weitere Gesetzgebungsverfahren konstruktiv zu begleiten, auch um die Sicht von Unternehmen und die praktischen Erfahrungen mit Compliance mehr einzubringen." DICO wird sich im weiteren Gesetzgebungsverfahren detailliert zu dem Gesetzentwurf äußern. (DICO: ra)
eingetragen: 15.09.19
Newsletterlauf: 29.10.19
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