Schutz von Hinweisgeber ein Fiasko


Whistleblower-Schutz: Referentenentwurf enttäuscht auf ganzer Linie
Mangelhafte Umsetzung der EU-Whistleblowing-Richtlinie




Die Antikorruptionsorganisation Transparency Deutschland übt scharfe Kritik am Referentenentwurf für das Hinweisgeberschutzgesetz. Das Bundesjustizministerium hatte Verbände eingeladen, bis zum 11. Mai 2022 zu dem im April vorgelegten Referentenentwurf Stellung zu nehmen.

Dr. Sebastian Oelrich, Co-Leiter der Arbeitsgruppe Hinweisgeberschutz von Transparency Deutschland: "Leider muss man in aller Deutlichkeit sagen: Der vorliegende Gesetzentwurf zum Schutz von Hinweisgeber und Hinweisgeberinnen ist ein Fiasko. Die Bundesregierung muss dringend nachbessern, denn in der vorliegenden Form brächte das Gesetz neue Rechtsunsicherheiten für Whistleblower, Unternehmen und Behörden.

Anstatt den klaren Vorgaben und Empfehlungen der EU zu folgen, hat die Bundesregierung Stückwerk vorgelegt: Der Anwendungsbereich wäre lückenhaft und Unternehmen nicht verpflichtet, anonymen Hinweisen nachzugehen. Die geforderte Ausgestaltung der Whistleblowing-Kanäle verstößt sogar in Teilen gegen die EU-Richtlinie – was nicht nur Hinweisgeber und Hinweisgeberinnen, sondern auch Unternehmen schaden würde. Damit wäre schon jetzt absehbar, dass die EU ein neues Vertragsverletzungsverfahren wegen der mangelhaften Umsetzung der EU-Whistleblowing-Richtlinie einleiten müsste. Diese Blamage sollte sich die Bundesregierung ersparen und stattdessen schon jetzt den Gesetzentwurf an den entscheidenden Stellen nachjustieren. Besonders enttäuschend ist der Entwurf vor dem Hintergrund des Koalitionsvertrags, der auf ein besseres Gesetz hoffen ließ."

Wesentliche Kritikpunkte von Transparency Deutschland am Referentenentwurf

1. Der sachliche Anwendungsbereich des Referentenentwurfs ist deutlich zu eng gefasst.
Das Gesetz sollte sämtliche Rechtsverstöße sowie sonstiges Fehlverhalten, dessen Meldung bzw. Offenlegung im öffentlichen Interesse liegt, erfassen. Verschlusssachen und Informationen aus dem Bereich der nationalen Sicherheit sollten nicht pauschal ausgenommen werden.

2. Das Gesetz muss auch anonyme Meldungen schützen und eine Pflicht zur Nachverfolgung anonymer Hinweise vorsehen. Die Gewährleistung von Anonymität ist ein integraler Bestandteil effektiver Hinweisgebersysteme und senkt die Hemmschwelle deutlich. Empirische Studien haben gezeigt, dass es durch die Zusicherung von Anonymität nicht zu vermehrten Falschmeldungen kommt.

3. Es läuft den Vorgaben der EU eindeutig zuwider, dass der Referentenentwurf bei Großkonzernen vorsieht, dass eine Meldestelle lediglich auf Ebene der Muttergesellschaft eingerichtet werden muss. Dies sollte korrigiert werden.

4. Unterstützungsmaßnahmen für Hinweisgeber fehlen im Referentenentwurf, obwohl dieser Punkt im Koalitionsvertrag erfreulicherweise aufgegriffen worden war. Whistleblowing kann ein einschneidendes Erlebnis sein. Als Gesellschaft dürfen wir diese mutigen Personen nicht auf sich allein gestellt lassen und müssen ihnen Hilfen an die Hand geben.

5. Auch bei externen Meldungen an Staatsanwaltschaften sollten Hinweisgeber geschützt werden.

Hintergrund
Im Oktober 2019 hat die Europäische Union die Richtlinie zum Schutz von Personen, die Verstöße gegen das Unionsrecht melden (Richtlinie (EU) 2019/1937), verabschiedet. Die Mitgliedstaaten waren verpflichtet, innerhalb von zwei Jahren gesetzliche Regelungen zu schaffen, die Hinweisgeber vor Repressalien schützen. Deutschland sowie viele weitere Mitgliedstaaten haben die Richtlinie jedoch nicht wie erforderlich bis zum 17. Dezember 2021 umgesetzt. Gegen 23 Mitgliedstaaten hat die EU-Kommission daher im Januar 2022 Vertragsverletzungsverfahren eingeleitet.
(Transparency: ra)

eingetragen: 30.05.22
Newsletterlauf: 28.07.22


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