ESG und Customer Experience
Neue Studie enthüllt Prioritäten deutscher Banken und Vermögensverwalter
Immer stärkerer regulatorischer Druck zwingt den Finanzsektor, das Geschäftsmodell kontinuierlich zu hinterfragen und anzupassen
Banken und Vermögensverwalter in Deutschland und Europa müssen immer digitaler werden. Regulatorik und Wettbewerb setzen Finanzunternehmen aller Größen zunehmend unter Druck. Mehr als die Hälfte gaben in einer neuen Studie an, in den nächsten zwei Jahren große Innovations- und Digitalisierungsprojekte angehen zu wollen. Die Prioritäten und Intensität hängen allerdings stark von der jeweiligen Unternehmensgröße ab. Neben nachhaltigen Investments und künstlicher Intelligenz sind die ständig steigenden Anforderungen an die Kundenzufriedenheit Treiber für Veränderungen.
Der Finanzsektor in Europa befindet sich in einer tiefgreifenden Übergangsphase. Der Krieg in der Ukraine, die hohe Inflation und die Gefahr einer Rezession haben die Rentabilität der Akteure unter Druck gesetzt. Die Zahlen sprechen für sich: Über 52 Prozent der befragten Banken und Vermögensverwalter gaben an, binnen der nächsten zwei Jahre im vollen Spektrum Digitalisierungsprojekte angehen zu wollen, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Gleichzeitig arbeiten aktuell bereits über 40 Prozent an innovativen Konzepten für ihre Customer Experience.
Das besagt die aktuelle Studie "Unlocking opportunity in challenging times: innovation in European Financial Services”. Eine deutliche Mehrheit (fast 70 Prozent) ist zudem der Meinung, dass der immer stärkere regulatorische Druck sie dazu zwingt, ihr Geschäftsmodell kontinuierlich zu hinterfragen und anzupassen. "Der Schutz der Anleger und Umweltbelange werden für die Aufsichtsbehörden in Europa immer mehr zur Priorität”, erklärt Luigi Marciano, Gründer und CEO von Objectway. Angesichts der jüngsten Finanzkrise und des "Bank-Run" auf Privatbanken in den USA sei der Ruf nach einer strengeren internationalen Regulierung unvermeidlich.
Das Ausmaß ist zwar ungewiss, es ist allerdings davon auszugehen, dass sie eine Reihe zusätzlicher Kosten für Verwaltung und Rechtsabteilungen verursachen werden. Effizientere und technologisch fortgeschrittene Geschäftsprozesse werden daher notwendig. Zudem machen veränderte Erwartungen der Kunden hinsichtlich nachhaltiger Anlagen oder neuer Kommunikationskanäle den technologischen Fortschritt im Finanzsektor unumgänglich.
Sinkende Rentabilität und zweifelnde Kunden
Die Studie zeigt, dass die Ertragsprognosen des privaten Vermögenssektors für 2023 auf ein weiteres Jahr der Stagnation hindeuten. Hinzu kommt, dass Kunden die Anzahl ihrer Vermögensverwalter stetig minimieren. Arbeitete ein Privatkunde im letzten Jahr im Durchschnitt noch mit 4,6 Vermögensverwaltern, sind es heute nur noch 4,2. Das verwaltete Kapital bleibt hingegen stabil. Das deute laut Marciano darauf hin, dass die Kunden ihre Anlagemöglichkeiten reduzieren, weil beispielsweise ihre Portfolios nicht wachsen oder andere Anforderungen etwa bei der Zusammenarbeit nicht erfüllt werden. Der steigende Konkurrenzkampf ist laut der Studie bei rund 84 Prozent der befragten Finanzunternehmen deutlich spürbar.
Alles steht und fällt mit der Kundenzufriedenheit
Um diese Pattsituation zu überwinden, hilft nur die digitale Flucht nach vorne. Die Studie zeigt, dass die Banken und Vermögensverwalter ihre Investitionen in Technologie im vergangenen Jahr um 8,5 Prozent erhöht haben und bis Ende des Jahres vermutlich um weitere 9,2 Prozent steigern werden. Ziel ist hauptsächlich, das Kundenerlebnis für die immer stärker nach digitalen Technologien verlangenden Kunden zu verbessern, Prozesse und Geschäftsabläufe zu optimieren und das Angebot an Produkten und Dienstleistungen weiterzuentwickeln. Knapp die Mehrheit, fast 40 Prozent der Befragten gaben Customer Experience als wichtigste Priorität an. "Der stärkere Wettbewerb zwischen den Akteuren, die Herausforderung der Digitalisierung und die Fähigkeit, die Ergebnisse der Investitionen auch zu garantieren, sind die wichtigsten Prioritäten", kommentiert Marciano. Eine dauerhafte Beziehung zu immer anspruchsvolleren Kunden sei der entscheidende Faktor. Dabei ist künstliche Intelligenz (KI) das große Thema, fast 50 Prozent nennen KI und Machine Learning als die größten Veränderungen in den Customer Experience-Strategien der nächsten zwei Jahre, gefolgt von der Ausweitung der Anzahl an Kanälen mit Kundenkontakt (35,6 Prozent).
ESG-Angebot ist ein Muss – kein "nice to have"
Geht es allerdings um die Innovationen hinsichtlich des Angebots, nehmen ESG-Investments den absoluten Löwenanteil ein. Über die gesamte Branche hinweg planen 84,5 Prozent in den nächsten drei Jahren ESG-Investmentoptionen aufzunehmen oder auszuweiten – allen voran der Bereich Private Wealth mit 97,2 Prozent. "Nachhaltige Geldanlagen sind bei vermögenden Privatpersonen in Europa und weltweit auf dem Vormarsch, da das Bewusstsein für positive soziale und ökologische Auswirkungen in Verbindung mit verbesserten finanziellen Erträgen wächst", so Marciano. Dabei gäbe es verschiedene Möglichkeiten ein ESG-konformes Profil zu entwickeln oder zu schärfen. Die Schaffung neuer Anlagelösungen ist für 73 Prozent der Befragten die natürliche Reaktion auf die sich ändernden Prioritäten der Anleger. Als andere wichtige Mittel zur Entwicklung einer ESG-Marke wurden in der Studie beispielsweise die Befragung von Kunden zu ihren ESG-Ansichten (64,7 Prozent) oder zusätzliche Unterstützung und Ressourcen für die finanzielle Bildung (48,5 Prozent) genannt.
Der Bedarf an strategischen Partnern
Unabhängig von den Prioritäten des Unternehmens erfordern erfolgreiche strategische Innovationen einen koordinierten Ansatz sowie gemeinsame Ziele aller Beteiligten. "Immer mehr Unternehmen erkennen die Vorteile, die ein Ökosystem von Fintech- und Wealthtech-Experten mit sich bringt und lagern Aspekte ihres Geschäfts aus. So schaffen sie neue Wachstumschancen und reduzieren gleichzeitig die Kosten sowie die Komplexität der Verwaltung", erklärt Marciano. Flexibilität ist laut der Studie der wichtigste Grund für die Auslagerung eines Innovationsprojekts. Das gilt vor allem in großen Unternehmen (47,6 Prozent), die zwar über interne Ressourcen verfügen, diese aber nicht ausschließlich für eine möglicherweise kritische Modernisierung einsetzen wollen. Der andere Schlüsselfaktor ist mit rund 40 Prozent eindeutig die Kosten, insbesondere für kleinere Unternehmen. Denn für sogenannte Boutiquen ist es meist nicht kosteneffizient, Software intern zu entwickeln. (Objectway: ra)
eingetragen: 03.08.23
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