Wenn der Chef nicht richtig hinschaut


So korruptionsgefährdet sind deutsche Unternehmen - Unternehmen kommen um eine sorgfältige Aufklärungsarbeit rund um das Thema Compliance also nicht herum
Deutsche Arbeitnehmer manövrieren sich im Berufsalltag oft aus Unwissenheit in strafrechtlich bedenkliche Situationen

(24.07.15) - Ob Zuckerhersteller, Bierbrauer, Kaffeeanbieter oder Matratzenproduzent – Kartelle, Preisabsprachen und persönliche Vorteilsnahme haben Hochkonjunktur. So verwundert es nicht, dass das deutsche Kartellamt die Jagd auf Wettbewerbssünder intensiviert, und im letzten Jahr sogar seinen eigenen Bußgeldrekord knackte. Die hohen Strafen in Millionenhöhe schrecken ab und immer größer wird der Druck durch stetig steigende Regulierungsauflagen auf nationaler und internationaler Ebene. Das Thema Compliance und die entsprechende Umsetzung stehen deshalb für viele deutsche Unternehmen auf der Agenda.

Klüngel und Patronage fangen aber nicht zwingend erst auf der Vorstands- und Geschäftsführungsetage an. Auch Mitarbeiter der unteren Hierarchien sind oft bewusst oder unbewusst an Kartellrechtsverstößen beteiligt. So hat Recommind in einer aktuellen Umfrage unter 1.000 deutschen Arbeitnehmern herausgefunden, dass sich über 80 Prozent von ihnen wettbewerbswidrig verhalten, indem sie sich mit Freunden oder anderen Arbeitnehmern, die in der gleichen Branche tätig sind, über Preise und Marktverhältnisse austauschen.

Mehr als jeder Dritte tut dies sogar häufig. Nur knapp drei Prozent der Beschäftigten sind sich überhaupt bewusst, dass dies eine Straftat darstellen und rechtliche Konsequenzen nach sich ziehen kann. Diese erschreckenden Ergebnisse zeigen eine deutliche Gefährdung, nicht nur deutscher Arbeitnehmer, sondern vor allem ihrer Arbeitgeber, die rechtlich den Kopf hinhalten müssen. Beschäftigte verhalten sich oft aus Unwissenheit falsch und verstoßen gegen gesetzliche oder auch interne Richtlinien, wie etwa Compliance. Unternehmen kommen um eine sorgfältige Aufklärungsarbeit rund um das Thema Compliance also nicht herum.

Jeder Dritte hält eigenen Arbeitgeber für korruptionsgefährdet
Darüber hinaus hat Recommind abgeklopft, für wie korruptionsgefährdet deutsche Beschäftigte ihren Arbeitgeber halten. Besonders hoch stufen sie das Risiko ein, dass interne und vertrauliche Informationen weitergegeben werden. Dies sagen 28 Prozent. Mehr als jeder Fünfte meint (22 Prozent), die Gefahr sei hoch, dass sich Kollegen durch Geschenke oder Gefälligkeiten bei der Auftragsvergabe beeinflussen lassen. Dies bestätigen auch die Ergebnisse einer weiteren von Recommind in Auftrag gegebenen Arbeitnehmer-Studie aus dem Januar. So würde jeder vierte Beschäftigte völlig bedenkenlos Geschenke von Kunden, Lieferanten oder anderen Geschäftspartnern am Arbeitsplatz annehmen. Immerhin 20 Prozent sahen eine Schmerzgrenze bei einem Geschenkwert von 30 Euro.

Datenschutz für Arbeitnehmer zweitrangig
Wie hoch jedoch die Diskrepanz zwischen dem eigenen tatsächlichen Verhalten und Risikoeinschätzung ist, zeigt folgendes Ergebnis der aktuellen Studie: So tauscht sich zwar jeder dritte Arbeitnehmer ohne Führungsverantwortung und sogar 40 Prozent der Führungskräfte regelmäßig mit anderen über Preise und Marktverhältnisse aus, dennoch sehen nur 17 Prozent aller Befragten die Gefahr, dass ihre Kollegen es ihnen gleichtun. Doch kommen Chefs ihrer Kontrollpflicht nicht nach oder spielen sie selbst eine aktive Rolle bei Compliance-Verstößen, riskieren sie, für Forderungen von Unternehmen, Behörden und Wettbewerbern persönlich zu haften.

Und je nach Schwere des Vergehens können Strafzahlungen und Schadensersatzforderungen in die Millionenhöhe gehen. Auch Manager-Haftpflichtversicherungen sind kein Allheilmittel. Denn diese greifen bei wissentlichem Verhalten gar nicht. Darüber hinaus sollten Unternehmen den immensen Reputations- und Vertrauensverlust gegenüber Verbrauchern nicht vergessen, der etwa bei Bekanntmachung von Preisabsprachen entstehen kann. Denn ein geschädigter Ruf kann oft nur mühsam und teuer wieder aufgebaut werden.

Wenn es darum geht, Korruption, Betrug und Vorteilsnahme zu bekämpfen, zeigt sich die deutliche Mehrheit aller Befragten allerdings auch kooperationsbereit. Zwar sind deutsche Arbeitnehmer dafür bekannt, mit Argusaugen auf den Datenschutz zu schielen, dennoch ist mehr als jeder zweite (61 Prozent) ohne Führungsverantwortung einverstanden, seine beruflichen E-Mails durchleuchten zu lassen, wenn auf diese Weise Straftaten vereitelt werden können. Die befragten Führungskräfte zeigen sich sogar noch kooperativer (73 Prozent). Die Hälfte aller Befragten ist zu diesem Schritt jedoch nur bereit, wenn ein konkreter Verdachtsfall vorliegt. Hingegen wollen 37 Prozent aller Beschäftigten laut eigener Aussage nicht unter Generalverdacht stehen und sperren sich gegen eine völlige Transparenz ihres elektronischen Schriftverkehrs.

Kein Vertrauen in Finanzssektor & Co
Die Sensibilität der Öffentlichkeit für Compliance-Fragen ist durch eine Vielzahl prominenter Fälle geschärft worden, in denen namhafte Unternehmen durch Regelverstöße von sich Reden machten: etwa im Bereich des Kartellrechts in Form von Preis- oder Zinsabsprachen oder durch Korruptionsfälle bei der Vergabe von Großaufträgen. Als besonders korruptionsgefährdet stufen die Befragten vor allem den Finanzsektor (Banken und Versicherungen), gefolgt von der Mineralölbranche (Öl und Benzin) und der Rüstungsindustrie ein. Auf den Plätzen vier bis sechs folgen die Pharma-, die Energiebranche und deutsche Behörden. Vertrauen bei den Befragten genießen hingegen vor allem die Hotelbranche, die Metallindustrie sowie der Maschinen- und Anlagenbau.

Umfrageergebnisse auf einem Blick:
>> Über 80 Prozent der deutschen Arbeitnehmer riskieren Kartellrechtsverstöße
>> Knapp jeder 3. Beschäftigte sieht Betriebsinterna gefährdet
>> Vor allem die Finanzbranche als korrupt eingestuft
>> Kampf gegen Wirtschaftskriminalität: 63 Prozent der Arbeitnehmer sind bereit, E-Mails mitlesen zu lassen
(Recommind: ra)

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  • Ein Fünftel wurde im Job zu KI geschult

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    The Business Digital Index (BDI), eine Initiative von Cybernews, hat die digitale Sicherheit von 75 EU-Institutionen untersucht. Das Ergebnis ist besorgniserregend: 67 Prozent der untersuchten Einrichtungen erhielten die Noten "D" oder "F" und gelten damit als "hohes" oder "kritisches" Risiko.

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    Mit der Einführung der elektronischen Patientenakte (ePA) setzt die Bundesregierung einen Meilenstein für die Zukunft der digitalen Gesundheitsversorgung. Ziel ist es, eine umfassende Datentransparenz - sowohl für Patienten als auch das medizinische Personal - zu schaffen, um die Qualität der Versorgung zu optimieren und Mitarbeitende im Healthcare-Sektor zu entlasten. Wie die Studie "Digitale Zwickmühle im Gesundheitswesen: Zwischen Innovationsdruck und Systemrisiken" von Soti jedoch zeigt, mangelt es in vielen deutschen Gesundheitseinrichtungen noch immer an den nötigen technischen Voraussetzungen, um diesem Anspruch in der Praxis auch wirklich gerecht zu werden. Für diese Erhebung wurden weltweit IT-Entscheidungsträger im Healthcare-Bereich befragt.

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    Führungskräfte in Deutschland blicken mit wachsender Sorge auf ihr Haftungsrisiko bei Cyber-Schäden - für 88 Prozent sind Cyber-Attacken und für 86 Prozent Datenverluste das Top-Risiko für Manager 2025. Das zeigt der aktuelle "Directors' and Officers' Liability Survey" des Risikoberaters und Großmaklers Willis, einem Geschäftsbereich von WTW, und der internationalen Anwaltssozietät Clyde & Co. Außerdem zeigt die Studie, dass vielen Themen im Management Board nicht genug Zeit eingeräumt wird: 38 Prozent der befragten Führungskräfte in Deutschland sind der Meinung, dass im Vorstands- und Geschäftsführungskreis mehr Zeit für das Thema Cybersicherheit aufgewendet werden sollte. "Das ist ein deutliches Signal dafür, dass viele Unternehmen sich der Bedrohung zwar bewusst sind, sich ihr aber noch nicht ausreichend widmen", sagt Lukas Nazaruk, Head of Corporate Risk & Broking Deutschland und Österreich bei Willis.

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