Compliance-Tools & Entdeckungswahrscheinlichkeit


Kontrollparadoxon: Führt Compliance zu mehr Wirtschaftskriminalität?
Studie weist empirisch nach, warum Unternehmen Opfer von Wirtschaftskriminalität werden


(14.03.13) - 83 Prozent aller Unternehmen im Public und 78 Prozent im Private Sector sind nicht professionell gegen Wirtschaftskriminalität geschützt. Das geht aus der aktuellen Studie "Das Unternehmen als Opfer von Wirtschaftskriminalität" hervor, für die RölfsPartner und die Universität Leipzig 338 Unternehmen aus dem Public und dem Private Sector analysiert haben. Rund ein Drittel der untersuchten Unternehmen - 32 Prozent aus dem Public und 37 Prozent aus dem Private Sector - sind nach eigenen Angaben im Untersuchungszeittraum von zwölf Monaten Opfer von Wirtschaftskriminalität geworden. Sowohl der wirtschaftliche Schaden als auch der Imageschaden sind in den meisten Fällen enorm.

Erstmals konnte systematisch empirisch untersucht werden, wie und warum Unternehmen Opfer von Wirtschaftskriminalität werden. Aus diesen Erkenntnissen entwickelt die Studie eine Typologisierung der Unternehmen als potenzielle Opfer und analysiert, warum trotz offensichtlicher Bedrohung Unternehmen nur unzureichende Maßnahmen zur Schadensabwehr ergreifen. Das Ergebnis ist ein Vier-Stufen-Modell, das von Stufe 1 (unprotected) bis Stufe 4 (professionaly protected) reicht. Auf Grundlage dieser Typisierung haben sich alarmierende Kernergebnisse herauskristallisiert: 83 Prozent der Unternehmen im Public und 78 Prozent im Private Sector sind nicht professionell geschützt - das heißt nicht auf Stufe 4. Sie verfügen über kein vollständiges Compliance-Management-System (CMS) mit Hinweisgebersystem, das umfassenden Schutz vor Wirtschaftskriminalität bieten würde. 17 Prozent aller öffentlichen Unternehmen haben überhaupt keine Compliance-Tools und immerhin 16 Prozent im Private Sector sind damit völlig ungeschützt.

Public Sector: Trotz rechtlicher Verpflichtung unzureichender Schutz
Während im Private Sector 84 Prozent der Unternehmen zumindest einzelne Präventionsinstrumente, wie beispielsweise ein Hinweisgebersystem einsetzen, scheint der Public Sector noch sorgloser: Ein so zentrales Element wie einen klar formulierten Verhaltenskodex besitzen weniger als die Hälfte aller öffentlichen Unternehmen mit nur 43 Prozent - im Gegensatz zu 62 Prozent in der Privatwirtschaft. Die Mitarbeiter haben somit keine klaren Richtlinien, welches Verhalten überhaupt erlaubt ist. "Der Public Sector schützt sich gegen Wirtschaftskriminalität schlechter als der Private Sector. Dies ist umso erstaunlicher, da hier die gesetzlichen Vorgaben strenger sind und in letzter Konsequenz der Steuerzahler die so entstehenden Schäden tragen muss", kommentiert Dieter John, Leiter des RölfsPartner Competence Centers Fraud . Risk . Compliance und Co-Autor der Studie.

Unternehmen, die über keinen Verhaltenskodex verfügen, berichten deutlich seltener davon, Opfer von Wirtschaftskriminalität geworden zu sein, als Unternehmen, die einen Verhaltenskodex implementiert haben (22 gegenüber 45 Prozent im Public bzw. 28 gegenüber 42 Prozent im Private Sector). Dies gilt grundsätzlich, wenn einzelne Compliance-Elemente im Unternehmen implementiert sind. "Hier wirkt das Kontrollparadoxon", erläutert Prof. Dr. Hendrik Schneider von der Universität Leipzig und Co-Autor der Studie. "Einzelne Compliance-Instrumente steigern die Entdeckungswahrscheinlichkeit und machen die Schäden erst sichtbar. Unternehmen verzeichnen daher einen Anstieg der aufgedeckten Wirtschaftskriminalität, da sie Kriminalität vom Dunkel- ins Hellfeld holen."

Hinweisgebersystem als entscheidender Erfolgsfaktor verkannt
Bei vollständiger Implementierung eines Compliance-Management-Systems ist das Risiko, Opfer einer Straftat zu werden, deutlich geringer. Es entsteht eine Komplementärwirkung aller Compliance-Elemente, sodass nach der Etablierung des Systems auch eindeutige und wissenschaftlich belegbare Präventionseffekte erzeugt werden. Hier kommt einem Hinweisgebersystem eine besondere Bedeutung zu: Es ist das einzige Instrument, mit dem Mitarbeitern sich Gehör verschaffen können (Bottom-up-Instrument). Daher ist es ein großer Fehler, dass besonders Unternehmen aus dem Mittelstand dieses Instrument bisher eher ablehnen. Entsprechend geschützte Unternehmen erkennen nicht nur mehr Delikte, sie senken auch die Viktimisierungswahrscheinlichkeit von 31 auf 25 Prozent.

Opferkarrieren nach dem Schema der "erlernten Hilflosigkeit"
Somit stellt sich die Frage, warum Unternehmen trotz offensichtlicher Bedrohung nicht präventiv in Schutzmechanismen investieren, zumal die Kosten für den Aufbau einer schlagkräftigen Compliance-Organisation im Vergleich zu denen eines Schadenfalls vergleichsweise gering sind. "Die finanziellen Einbußen bei einem Unternehmen, das Opfer von Wirtschaftskriminalität wurde, lösen oft Sparzwänge aus. Trotz eindeutiger Defizite des internen Kontrollsystems werden dadurch keine Verbesserungen und Investitionen in die Compliance-Organisation in Erwägung gezogen", erläutert John. "Das Problem scheint gelöst, wenn ein Täter gefunden wurde. Genau dort liegt aber die Gefahr von sogenannten Opferkarrieren nach dem Schema der erlernten Hilflosigkeit."

Die Ergebnisse der Studie legen nahe, dass bei öffentlichen Unternehmen Wirtschaftskriminalität eine genau so starke Bedrohung darstellt wie in der Privatwirtschaft. Allerdings ist das Problembewusstsein weniger stark ausgeprägt, wodurch weniger in Prävention und Aufdeckung investiert wird. "So ist es wohl nur eine Frage der Zeit, wann in den Medien vom nächsten prominenten Fall zu lesen sein wird", so Prof. Dr. Schneider. (RölfsPartner: Universität Leipzig: ra)

RölfsPartner: Kontakt und Steckbrief

Der Informationsanbieter hat seinen Kontakt leider noch nicht freigeschaltet.


Kostenloser Compliance-Newsletter
Ihr Compliance-Magazin.de-Newsletter hier >>>>>>


Meldungen: Studien

  • Gefahren von strategischer Korruption

    Transparency International hat den Korruptionswahrnehmungsindex 2024 (Corruption Perceptions Index, CPI) veröffentlicht. Der jährlich erscheinende Index ist der weltweit bekannteste Korruptionsindikator. Er umfasst 180 Staaten und Gebiete und bewertet den Grad der in Politik und Verwaltung wahrgenommenen Korruption. Der Meta-Index beruht auf der Einschätzung von Experten sowie Führungskräften.

  • Budgets für Datenschutz 2025 werden sinken

    Mehr als zwei von fünf (45 Prozent) Datenschutzbeauftragten in Europa glauben, dass das Datenschutzbudget ihrer Organisation unterfinanziert ist. Dies bedeutet einen Anstieg von 41 Prozent im Jahr 2024. Mehr als die Hälfte (54 Prozent) erwartet zudem, dass die Budgets im Jahr 2025 weiter sinken werden. Das geht aus einer neuen Studie von ISACA hervor, dem weltweit führenden Berufsverband, der Einzelpersonen und Organisationen bei ihrem Streben nach Digital Trust unterstützt.

  • Compliance-Regulierungsdruck nimmt weltweit zu

    Sphera hat ihren Supply Chain Risk Report 2025 veröffentlicht. Dieser Bericht umfasst eine eingehende Analyse der dringendsten Risiken und aufkommenden Chancen, die die globalen Lieferketten verändern. Er bietet Führungskräften aus den Bereichen Beschaffung, Lieferkette und Nachhaltigkeit handlungsrelevante Einblicke, um die komplexen Herausforderungen zu meistern, mit denen sich Unternehmen angesichts neuer gesetzlicher Bestimmungen, wirtschaftlicher Unbeständigkeit und erhöhter ökologischer und sozialer Verantwortung auseinandersetzen müssen.

  • Digitale Steuer-Transformation

    Eine von Vertex veröffentlichte Studie zeigt, dass Fachkräftemangel und Qualifikationsdefizite in Steuerteams Unternehmen auf ihrem Weg zu einer erfolgreichen digitalen Steuer-Transformation behindern können. Die Studie "Global Tax Transformation" befragte 610 Fachleute in Europa und den USA, um die aktuelle Situation in den Unternehmen und die Einstellung der Fachleute zur Transformation in ihrer Organisation zu verstehen.

  • NIS2-Richtlinie & wie es um die Vorbereitung steht

    Eine aktuelle Veeam-Studie zur NIS2-Richtlinie zeichnet ein ernüchterndes Bild der IT-Sicherheitslage in deutschen Unternehmen. Während sich 70 Prozent der befragten Firmen gut auf die neue EU-Richtlinie vorbereitet fühlen, sind nur 37 Prozent von ihnen nach eigener Angabe tatsächlich konform zur NIS2. Diese eklatante Diskrepanz zwischen Selbstwahrnehmung und Realität ist bezeichnend für den oftmals leider noch zu laxen Umgang vieler Organisationen mit Cyber-Sicherheit und vor allem im KRITIS-Bereich bedenklich.

Wir verwenden Cookies um unsere Website zu optimieren und Ihnen das bestmögliche Online-Erlebnis zu bieten. Mit dem Klick auf "Alle akzeptieren" erklären Sie sich damit einverstanden. Erweiterte Einstellungen