Bankensektor hat sich stabilisiert


Finanzmarkt-Compliance: Die Grünen fordern die Einführung einer Finanztransaktionssteuer zur Entschleunigung des Handels, die Schaffung eines geordneten Staateninsolvenzverfahrens sowie die Ausbremsung finanzmarktgetriebener Immobilienspekulationen
Für eine Finanztransaktionssteuer spricht sich auch die Fraktion Die Linke aus. Mit umfangreichen Regulierungsmaßnahmen soll eine erneute Finanzkrise verhindert werden



Nach Feststellungen der Deutschen Bundesbank hat sich der Bankensektor seit der Finanzkrise 2008 "deutlich stabilisiert". Dies erklärte Bundesbank-Vorstandsmitglied Professor Joachim Wuermeling in einer öffentlichen Anhörung des Finanzausschusses. So habe sich die durchschnittliche Kernkapitalquote der deutschen Kreditinstitute seit 2008 von 9,6 Prozent auf 16,8 Prozent fast verdoppelt. Auch der jüngste Banken-Stresstest zeige, "dass die deutschen Banken genügend Kapital haben, um einen erheblichen Einbruch der globalen Konjunktur, der die deutsche Volkswirtschaft stark trifft zu überstehen".

"Ja, die Finanzinstitute sind heute besser aufgestellt", bestätigte auch Felix Hufeld, Präsident der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin). Nach Ansicht von Professorin Isabel Schnabel (Universität Bonn) können die Eigenkapitalanforderungen weiter erhöht werden, ohne dass dies größere Probleme bereiten würde.

In der von der Ausschussvorsitzenden Bettina Stark-Watzinger (FDP) geleiteten Anhörung ging es um zwei Anträge von Oppositionsfraktionen. Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen fordert in einem Antrag (19/4052) ein Bündel von Maßnahmen, um eine neue Finanzkrise zu verhindern. So soll es eine stärkere Fusionskontrolle geben, damit verhindert wird, "dass Kreditinstitute zu groß zum Scheitern werden. Sind sie bereits zu groß, sollen sie entflochten werden." Ein Trennbankengesetz soll dafür sorgen, dass Einlagen- und Handelsgeschäft getrennt werden.

Für Banken soll es zudem eine Schuldenbremse geben. Weitere Forderungen sind die Einführung einer Finanztransaktionssteuer zur Entschleunigung des Handels, die Schaffung eines geordneten Staateninsolvenzverfahrens sowie die Ausbremsung finanzmarktgetriebener Immobilienspekulationen. Förderpolitik und Kapitalanlagen des Bundes sollen auf die Ziele der deutschen Nachhaltigkeitsstrategie ausgerichtet werden.

Für eine Finanztransaktionssteuer spricht sich auch die Fraktion Die Linke aus. Mit umfangreichen Regulierungsmaßnahmen soll eine erneute Finanzkrise verhindert werden, heißt es in ihrem Antrag (19/4241). Auf EU-Ebene soll sich die Bundesregierung zudem für die Einführung eines Finanz-TÜV für Finanzprodukte einsetzen. Weitere Forderungen betreffen die Einführung einer Millionärssteuer und die Erhöhung der öffentlichen Investitionsausgaben. Die nach Ausbruch der Krise vorgenommen Regulierungen bezeichnet die Linksfraktion als unzureichend. Trotz der Regulierungsankündigungen dürfe an Finanzinstrumenten immer noch ohne vorherige Risikoprüfung alles in Umlauf gebracht werden, was nicht ausdrücklich verboten sei. "Weil sich damit sehr viel Geld verdienen lässt, werden von der Finanzindustrie immer neue und meist komplexe Finanzinstrumente entwickelt und vertrieben", schreiben die Abgeordneten. So seien allein 2016 in Deutschland rund 3,2 Millionen neue Finanzprodukte im Bereich Schuldtitel, strukturierte Produkte und Zertifikate auf den Markt gebracht worden.

Die Deutsche Bundesbank sieht in ihrer Stellungnahme Risiken. Eine "unerwartet starke Eintrübung der wirtschaftlichen Lage" könnte Verwundbarkeiten im Bankensektor offenlegen. Kleine und mittelgroße Institute könnten insbesondere bei starken Zinsänderungen Risiken ausgesetzt werden. Wie mehrere andere Sachverständige beurteilte auch Bundesbankvertreter Wuermeling die Verbindung von Staatsanleihen und nationalem Bandensystemen in mehreren Ländern als problematisch. Diese Risiken müssten reduziert werden.

Dieser sogenannte "Banken-Staaten-Nexus" sei die wichtigste und nach wie vor ungelöste Herausforderung, urteilte Professor Jörg Rocholl von der European School of Management and Technology in Berlin. Diese wechselseitige Abhängigkeit von Staaten und Banken hätte mit Einführung der Bankenunion 2012 gelockert werden sollen, sei jedoch "heute so eng wie zuvor". Nach wie vor werde ein zu großer Teil der Verschuldung europäischer Staaten von Banken in diesen Staaten finanziert; eine angemessene Regulierung gebe es nicht. "Banken können demnach prinzipiell unbegrenzt und ohne Eigenkapitalunterlegung in Staatsanleihen investieren", kritisierte Rocholl.

Die von den Oppositionsfraktionen geforderte Einführung einer Finanztransaktionsteuer lehnte er ab, weil die Einführung dieser Steuer mit beträchtlichen negativen Konsequenzen für den Sekundärmarkt von Staatsanleihen verbunden sei. Die Aufhebung der regulatorischen Privilegien von Staatsanleihen bezeichnete Professorin Heike Joebges von der Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin als nicht sinnvoll.

Dadurch würde es zu noch stärkeren Unterschieden bei den Renditen auf Staatsanleihen in Europa kommen, was der Integration von Banken- und Kapitalmarkt entgegenstehen werde. Die Einführung einer Finanztransaktionssteuer hielt Joebges wiederum für sinnvoll. Sie sprach sich zudem für eine Regulierung von Schattenbanken aus. Für eine generelle Finanztransaktionssteuer votierte auch der Wirtschaftsforscher Stephan Schulmeister. Er schlug vor, den heutigen Fließhandel an den Börsen durch Auktionen, die etwa alle drei Stunden stattfinden sollten, zu ersetzen. Dann gebe es nur alle drei Stunden Kursdaten, und das "Trading" werde eingeschränkt

Im Zusammenhang mit der Debatte um Absicherung von Krediten und Anleihen warnte der Deutsche Sparkassen und Giroverband davor, sogenannte "grüne Kredite", die nach Nachhaltigkeitskriterien vergeben werden, durch eine geringere Eigenkapitalunterlegung zu begünstigen.

Ob die seit der Finanzkrise getroffenen Regulierungsmaßnahmen ausreichen würden, wurde von einigen Sachverständigen bezweifelt. Professorin Dorothea Schäfer von Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) in Berlin sagte, die Politik habe prinzipiell die richtigen Maßnahmen ergriffen. Skeptisch zeigte sie sich, ob die Bankenabwicklung praktikabel sei und ob sich einige Großbanken im Falle eines Falles tatsächlich abwickeln ließen. Angesichts früherer Banken-Rettungsmaßnahmen auf Kosten der Steuerzahler (Bail-out) sprach Nicolas Vernon (Bruegel and Peterson Institute) von einer "Kleinen Revolution", dass jetzt das Prinzip des Bail-in (Beteiligung zunächst von Aktionären und Gläubigern) gebe.

Dass der Verbraucherschutz immer noch unzureichend sei, stellte Dirk Ulbricht vom Institut für Finanzdienstleistungen in Hamburg fest: "Es wird nicht ausreichend kontrolliert, wie den Verbrauchern Finanzprodukte verkauft werden." Auch nach der Lehman-Pleite würden Anleger regelmäßig "geprellt und offensichtlich falsch beraten", sagte Ulbricht mit Blick auf den Container-Verkäufer P&R, durch dessen Zusammenbruch Anleger vermutlich mehrere Milliarden Euro verloren haben.

Professor Gunther Schnabl (Universität Leipzig) sprach sich für eine vorsichtige geldpolitische Straffung durch Zinsanhebungen aus. Dann könne ein "an den Prinzipien der Finanzstabilität ausgerichteter behutsamer Abbau der Regulierung" erfolgen. Immer stärkere Regulierung könne nicht die Lösung sein. Eine Anhebung der Zinsen könne auch für ein Nachlassen der Spekulation sorgen.

Auf Fragen, inwieweit sich eine mögliche neue Finanzkrise voraussagen lasse, meinte Professorin Martina Metzger (Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin), es sei eine Illusion, zu glauben, man könne alles voraussehen. Ähnlich äußerte sich Hufeld. "Es gibt keine absolute Sicherheit", stellte auch Wuermeling fest. (Deutscher Bundestag: ra)

eingetragen: 28.12.18
Newsletterlauf: 05.02.19



Meldungen: Bundestag, Bundesregierung, Bundesrat

  • Gleichstellung als verbindliches Förderkriterium

    Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen fordert in einem Antrag (21/790) die Bundesregierung auf, Maßnahmen zu ergreifen, um die Gleichstellung von Frauen und Mädchen im organisierten Sport in Deutschland deutlich zu verbessern.

  • Ausbau der digitalen Infrastruktur

    Die von der schwarz-roten Koalition geplante Novelle des Telekommunikationsgesetzes ist bei einer Mehrheit der Sachverständigen auf Zustimmung zu den Zielen und Kritik an Details gestoßen. In einer öffentlichen Anhörung des Digitalausschusses zum TKG-Änderungsgesetz 2025 bezeichnete eine Reihe von Sachverständigen den Entwurf als ein wichtiges Signal für die Branche.

  • Auskunft zum Cum/Ex und Cum/Cum

    Zum Stichtag 31. Dezember 2023 befanden sich 380 Verdachtsfälle zur Steuergestaltung bei Cum-Ex-Geschäften bei den Obersten Finanzbehörden der Länder und beim Bundeszentralamt für Steuern mit einem Volumen nicht anrechenbarer/erstatteter Kapitalertragssteuer inklusive Solidaritätszuschlag von rund 3,8 Milliarden Euro in Bearbeitung. Diese Angaben macht die Bundesregierung in ihrer Antwort (21/548) auf eine Kleine Anfrage der Fraktion die Linke (21/310).

  • Kosten der Vermeidung von CO2-Emissionen

    Keine konkreten Angaben zu den Kosten, die ihre Pläne zur Vermeidung von CO2-Emissionen verursachen, macht die Bundesregierung in ihrer Antwort (21/715) auf eine Kleine Anfrage (21/296) der AfD-Fraktion. Zur Begründung verweist sie darauf, dass Deutschland zur Erreichung der Klimaschutzziele auf ein "breites Spektrum aufeinander abgestimmter Klimaschutzmaßnahmen" setze. Diese dienten neben der Minderung von Treibhausgasen auch der Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit, dem sozialen Ausgleich sowie der langfristigen Transformation hin zur Klimaneutralität. Die Ausgestaltung der Klimaschutzmaßnahmen gehe dabei über eine "kurzfristige, rein statische Betrachtung der CO2-Vermeidungskosten" hinaus.

  • Steuerung des Windenergieausbaus

    An der von den Koalitionsfraktionen geplanten Umsetzung der Erneuerbare-Energien-Richtlinie der EU (RED III) besteht Nachbesserungsbedarf. Das wurde während einer öffentlichen Anhörung des Umweltausschusses zu dem Gesetzentwurf "zur Umsetzung von Vorgaben der Richtlinie (EU) 2023/2413 für Zulassungsverfahren nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz und dem Wasserhaushaltsgesetz, zur Änderung des Bundeswasserstraßengesetzes, zur Änderung des Windenergieflächenbedarfsgesetzes und zur Änderung des Baugesetzbuchs" (21/568) deutlich.

Wir verwenden Cookies um unsere Website zu optimieren und Ihnen das bestmögliche Online-Erlebnis zu bieten. Mit dem Klick auf "Alle akzeptieren" erklären Sie sich damit einverstanden. Erweiterte Einstellungen