Winterkorn bestreitet frühzeitige Kenntnis


Mehrere Medien hatten berichtet, dass Techniker des VW-Konzerns bereits am 27. Juli 2015 Winterkorn die Problematik präsentiert hätten
Die Konzernspitze will aber erst im September 2015 davon erfahren haben



Der ehemalige Vorstandsvorsitzende des Volkswagenkonzerns, Martin Winterkorn, bestreitet ein frühes Wissen um die Abgasmanipulationen in den USA. Jüngste Medienberichte, er habe schon im Juli 2015 Bescheid gewusst, wies Winterkorn am Donnerstag im Abgas-Untersuchungsausschuss des Bundestages zurück. "Das ist nicht der Fall", sagte der 69-Jährige. "Es ist nicht zu verstehen, warum ich nicht frühzeitig und eindeutig über die US-Probleme informiert worden bin", fügte Winterkorn hinzu. Den Begriff "defeat device" (Abschalteinrichtung) habe er "sicher nicht vor September 2015" gehört.

Der Skandal war am 18. September 2015 durch Mitteilung der US-Umweltbehörde EPA bekannt geworden. Mehrere Medien hatten berichtet, dass Techniker des Konzerns bereits am 27. Juli 2015 Winterkorn die Problematik präsentiert hätten. Die Konzernspitze will aber erst im September 2015 davon erfahren haben. "Ich hätte das nicht für möglich gehalten", sagte Winterkorn über den Abgasbetrug. Nach Bekanntwerden der Affäre habe man rasch gehandelt. Am Tag danach habe es eine große Telefonkonferenz, einen Tag später eine große Runde mit rund 100 Teilnehmern in Wolfsburg gegeben. Am 21. September 2015 traf Winterkorn Verkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) in München. Dabei habe er darauf hingewiesen, dass VW nicht nur in den USA ein Problem habe, sondern auch im Rest der Welt. Am Tag darauf telefonierte Winterkorn mit Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU). Am 23. September 2015 trat er nach acht Jahren an der Konzernspitze zurück.

In den USA waren rund 500.000 Diesel-Pkw so manipuliert worden, dass sie die Grenzwerte für Stickoxide zwar auf dem Prüfstand, nicht aber im realen Verkehr einhalten. Weltweit waren elf Millionen Autos des Konzerns betroffen. Für die betreffenden Autos in den USA hätte es bereits Anfang 2015 einen Rückruf zur Nachrüstung der Motorsoftware gegeben. Mit dem Ergebnis waren die Behörden aber nicht zufrieden.

Winterkorn zeigte sich erschüttert über die Affäre. Dafür wolle er sich in aller Form entschuldigen. Er könne die Empörung verstehen. "Das belastet mich ganz besonders", fügte Winterkorn hinzu, der seine Liebe zum Detail und zur Perfektion hervorhob. "Lückenlose Aufklärung war und ist das Gebot der Stunde", erklärte Winterkorn. Auch er selbst suche bis heute nach befriedigenden Antworten. Für die Affäre trage er die politische Verantwortung. Er müsse auch akzeptieren, dass sein Name eng mit der Dieselaffäre verbunden sei. Auf einige Fragen gab Winterkorn mit Hinweis auf bei der Staatsanwaltschaft Braunschweig gegen ihn laufende Ermittlungen wegen Marktmanipulation keine Antworten.

Mitglieder des Ausschusses zeigten sich nach der zweistündigen Befragung teilweise unzufrieden. Der Vorsitzende des Untersuchungsgremiums, Herbert Behrens (Linke), sagte, seine Glaubwürdigkeit in den Zeugen sei "etwas erschüttert". Dass Winterkorn den Begriff Abschalteinrichtungen erst im September 2015 erfahren haben will und sich nicht um Einzelheiten des Rückrufs von Diesel Anfang 2015 gekümmert habe, widerspreche dem Eindruck eines detailverliebten Managers.

Auch für die Unionsfraktion sind Fragen offen geblieben. Der CSU-Abgeordnete Ulrich Lange sagte, die Frage, wer wann was wusste sei unbeantwortet. "Sehr misstrauisch" machten ihn die Aussagen zum Rückruf 2015. Es sei wenig schlüssig zu sagen, man habe sich nicht genauer damit befasst. "Diese Fragezeichen sind riesengroß", betonte Lange. Trotz der Entschuldigung von Winterkorn und den Ermittlungen gegen ihn sei große Chance vertan worden, bei Kunden, Mitarbeitern und der Gesellschaft für echte Aufklärung zu sorgen.

Grünen-Obmann Oliver Krischer sagte, sein Bild von einem technikversessenen Top-Manager sei in Frage gestellt. Entweder wisse Winterkorn nichts oder er rede seine Rolle klein. "Schockiert" zeigte sich Krischer, dass Winterkorn über Stickoxide und Umweltfragen rede, als wenn es um nebensächliche Dinge gehe. Krischer machte die Bundesregierung wegen "fehlender Überwachungs- und Kontrollsysteme" mitverantwortlich für den Skandal.

SPD-Obfrau Kirsten Lühmann betonte dagegen, Winterkorn haben sehr klar gemacht, dass staatliche Stellen und die Bundesregierung erst im September Informationen über die Manipulationen durch VW erhalten habe. Der Ex-Vorstandschef habe auch klar erklärt, dass er die beanstandete Abschalteinrichtung für illegal halte. Mehr sei an Aufklärung nicht zu erwarten gewesen.

Nach Winterkorn wollte der Ausschuss Gerwin Postel befragen. Der Manager war von 2009 bis März 2016 bei VW in der Rechtsabteilung für Fragen der Typenzulassungen und Emissionen zuständig. Postel machte allerdings mit Blick auf das Verfahren in Braunschweig von einem umfassenden Auskunftsverweigerungsrecht Gebrauch. Postels Anwalt verwies darauf, dass die Ermittlungen auch auf seinen Mandanten ausgeweitet werden könnte. (Deutscher Bundestag: ra)

eingetragen: 31.01.17
Home & Newsletterlauf: 24.02.17


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