Umsetzung des Unisex-Urteils des EuGH


Unisex-Urteil kann zu höheren Krankenversicherungsbeiträgen führen
Änderungsanträge zum SEPA-Begleitgesetz beinhalten Regelungen aus dem Entwurf zur Änderung des Versicherungsaufsichtsgesetzes (17/9342), der nicht mehr rechtzeitig verabschiedet werden kann

(05.11.12) - Die privaten Krankenversicherungen haben Änderungen bei der Umsetzung des Unisex-Urteils des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) verlangt, um bei der geschlechtsunabhängigen Erstkalkulation von Versicherungstarifen nicht so hohe Sicherheiten einrechnen zu müssen, "die zu unnötig hohen Beiträgen führen" würden. Der EuGH hatte nach Geschlecht unterschiedlich hohe Beiträge untersagt. In einem öffentlichen Fachgespräch des Finanzausschusses erklärte der Verband der Privaten Krankenversicherung (PKV), die Bestandszusammensetzung sei im Zeitpunkt der Kalkulation des Tarifs nicht vorhersehbar. Da die Unternehmen erst spät auf Bestandswanderungen durch Beitragsanpassungen reagieren könnten, würden sie gezwungen, "von vornherein ein höheres Sicherheitsniveau, das heißt letztlich höhere Unisex-Beiträge, zu fordern".

Diese Beitragssätze würden "tendenziell eher im Bereich der Frauen-Beiträge" liegen. Frauen müssen bisher in der Krankenversicherung höhere Beiträge zahlen als Männer. Mit einer Änderung der Beitragsanpassungsklausel könnten auch die "tendenziell sprunghaften, im Einzelfall auch sozialpolitisch kritischen Beitragsanstiege" geglättet werden, so der PKV

Bei dem Fachgespräch ging es um vier Änderungsanträge der CDU/CSU-Fraktion und der FDP-Fraktion zum SEPA-Begleitgesetz zu Banküberweisungen und Lastschriften (17/10038). Die Änderungsanträge beinhalten Regelungen aus dem Entwurf zur Änderung des Versicherungsaufsichtsgesetzes (17/9342), der nicht mehr rechtzeitig verabschiedet werden kann. Grund ist, dass auf europäischer Ebene keine Einigung über die Solvency II-Rahmenrichtlinie erzielt werden konnte, mit der die Kapitalausstattung der Versicherer verbessert werden soll. In den Änderungsanträgen geht es unter anderem auch um die Umsetzung des "Unisex-Urteils" des Europäischen Gerichtshofes. Danach müssen vom 21. Dezember 2012 alle Tarife in der privaten Krankenversicherung geschlechtsunabhängig kalkuliert werden. Für die vor dem 21. Dezember 2012 geschlossenen Verträge bleibt es dagegen bei der zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses geltenden Rechtslage.

Der Gesamtverband der deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) begrüßte die "rechtssichere Umsetzung des Unisex-Urteils". Es müsse aber klargestellt werden, dass die Regelung auch für die betriebliche Altersversorgung gelten soll. Darauf wies auch Professor Christan Armbrüster (Freie Universität Berlin) hin. Die Deutsche Aktuarvereinigung lobte die Umsetzung des EuGH-Urteils und zudem, "dass gleichzeitig wesentliche Maßnahmen zur Stärkung der Risikotragfähigkeit der deutschen Lebensversicherung noch im Jahr 2012 ergriffen werden".

Dabei geht es unter anderem um die Anpassung der Regelungen zur Bewertungsreservenbeteiligung aus festverzinslichen Wertpapieren. Der GDV erläuterte in seiner Stellungnahme, dass den Versicherten derzeit bei Beendigung eines Vertrages ein Teil der Reserven zustehe, die sich aus der Differenz zwischen Marktwert und Buchwert der Papiere ergeben. In einer Niedrigzinsphase wie jetzt führe dies dazu, dass die Versicherungen Wertpapiere mit hohen Zinsrenditen verkaufen müssten und zu 50 Prozent an abgehende Verträge auszuzahlen hätten. "Und das, obwohl eine Wiederanlage nur zu einem viel niedrigeren Zinssatz – der aktuell sogar unter dem Garantiezins liegt - möglich ist", kritisierte der GDV. Das sei nicht nur eine Benachteiligung der verbliebenen Versicherungsverträge, sondern schwäche auch die Risikotragfähigkeit der Unternehmen. Die jetzt vorgesehenen Änderungen stellten einen fairen Interessenausgleich zwischen abgehenden und verbleibenden Verträgen her.

Als "nicht haltbar" bezeichnete dagegen die Finanzjournalistin Barbara Sternberger-Frey (Öko-Test) die zur Begründung herangezogene Niedrigzinsphase auf den Finanzmärkten, auch wenn die Lage der Branche nicht einfach sei: "Gerade die Bewertungsreserven bei Festverzinslichen sind keine feste Größe, vielmehr schwanken sie im Zeitablauf und je nach Zinsentwicklung am Kapitalmarkt stark." So sei die Beteiligung der Kunden aufgrund abgeschmolzener Bewertungsreserven in diesem Jahr bereits deutlich rückläufig. Mit der Änderung falle man hinter das zurück, was das Bundesverfassungsgericht seinerzeit gefordert hatte.

Auch der Bund der Versicherten widersprach der Versicherungswirtschaft und lehnte die Änderung ab. Die meisten Lebensversicherungsverträge würden vor Ablauf gekündigt, bei einer Laufzeit von 35 Jahren etwa 75 Prozent aller Verträge. "Demnach trifft die ausgeführte Argumentation nur für eine Minderheit der Verbraucher zu. Die Mehrheit der Verbraucher wird jedoch schlechter gestellt, indem sie nicht an den aus ihren Prämien gebildeten Bewertungsreserven beteiligt werden."

Für Professor Hermann Weinmann (Hochschule Ludwigshafen) hat die Versicherungsbranche ein Glaubwürdigkeitsproblem, weil sie die Bewertungsreserven gegenüber den Kunden nicht ausweise. Bewertungsreserven und Überschussbeteiligung seien zusammen zu sehen: "Es geht also um die Notwendigkeit der Verbesserung der Informationsgrundlagen während der Vertragslaufzeit und insbesondere bei Vertragsende beziehungsweise im Rentenbezug", sagte Weinmann. (Deutscher Bundestag: ra)


Meldungen: Bundestag, Bundesregierung, Bundesrat

  • Internationale Standards und Normen

    Nach Ansicht der Bundesregierung werden im Amtsblatt der EU veröffentlichte harmonisierte europäische Normen nicht generell Teil des Unionsrechts, auch wenn die EU-Kommission aufgrund eines Urteils des Europäischen Gerichtshofes eine andere Meinung vertritt. Dies erklärt die Bundesregierung in der Antwort (20/15026) auf eine Kleine Anfrage der CDU/CSU-Fraktion (20/14834).

  • Treibhausgas (THG)-Emissionen

    Die sektorenübergreifenden Treibhausgas (THG)-Emissionen sind seit dem Jahr 2021 deutlich gesunken,wobei alle Sektoren bis auf den Verkehr Rückgänge verzeichneten. Die Geschwindigkeit der THG-Emissionsminderung variiert erheblich zwischen den Sektoren. Das geht aus einer Unterrichtung der Bundesregierung zum Gutachten des Expertenrats für Klimafragen zur Entwicklung der Treibhausgasemissionen, Trends der Jahresemissionsmengen und zur Wirksamkeit von Maßnahmen hervor (20/14900).

  • Regierung: Berichtspflichten zu umfangreich

    Die Berichtspflichten für Unternehmen sind nach Auffassung der Bundesregierung im internationalen Wettbewerb zu umfangreich. Dazu zählt die Regierung in der Antwort auf eine Kleine Anfrage der FDP-Fraktion auch Nachhaltigkeitsberichtspflichten. Die Offenlegung ähnlicher Sachverhalte solle weiter vereinheitlicht werden, um "Doppelreporting" zu vermeiden.

  • Digitale Souveränität in der Bundesverwaltung

    Über die Beschaffung und den Einsatz von IT-(Sicherheits-)Produkten durch den Bund als öffentlichen Auftraggeber informiert die Bundesregierung in ihrer Antwort (20/14887) auf eine Kleine Anfrage der Fraktion der CDU/CSU (20/14226). Unter der Überschrift "Digitale Souveränität in der Bundesverwaltung" wird darin ein umfassender Überblick über die Beschaffung und Zulassung von einzelnen IT-Sicherheitsprodukten und -diensten gegeben.

  • Aktive Beteiligungsführung bei Unternehmen

    Die Bundesregierung bestätigt in ihrer Antwort (20/14693) auf eine Kleine Anfrage der AfD-Fraktion (20/14379) die zu Ende 2024 erfolgte Änderung der Richtlinien für eine aktive Beteiligungsführung bei Unternehmen mit Bundesbeteiligung. Bereits die bis November 2024 geltenden Regelungen hätten vorgesehen, dass Mitglieder des Bundestages "in Ausnahmefällen" in Aufsichtsgremien von Unternehmen mit Bundesbeteiligung berufen werden können, heißt es in der Antwort.

Wir verwenden Cookies um unsere Website zu optimieren und Ihnen das bestmögliche Online-Erlebnis zu bieten. Mit dem Klick auf "Alle akzeptieren" erklären Sie sich damit einverstanden. Erweiterte Einstellungen