Sachverständige erwarten nur geringes Wachstum


Sachverständige begrüßen den von der Bundesregierung geplanten Abbau der "Kalten Progression" im Steuerrecht
Aus wissenschaftlicher Sicht äußerst schwierig herauszufinden, ob Deutschland in einer kontrafaktischen Situation mit der D-Mark anstelle des Euro besser gefahren wäre


(13.01.12) - Wenn es zu globalen wirtschaftlichen Verwerfungen mit einer Stagnation des Welthandels kommen sollte, könnte es im nächsten Jahr einen leichten Rückgang der Wirtschaftsleistung in Deutschland geben. Dieses Negativ-Szenario enthält das von der Bundesregierung als Unterrichtung (17/7710) vorgelegte Jahresgutachten 2011/12 des Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung. Falls eine Verschärfung der Krise auf den Bereich der Euro-Währungsunion, die sich in einem "Teufelskreis von Staatsschulden und Bankenkrise" befinde, beschränkt bleiben würde, sei mit einem geringen Wachstum von 0,4 Prozent zu rechnen. Ohne diese Risiken erwartet der Sachverständigenrat ein Wirtschaftswachstum von 0,9 Prozent, was im Vergleich zu 2011 (3,0 Prozent) ein deutlicher Rückgang wäre. Erwartet wird außerdem ein weiterer Rückgang der Zahl der Arbeitslosen um rund 100.00 auf 2,9 Millionen. Die Verbraucherpreise sollen sich 2012 um 1,9 Prozent erhöhen, nachdem der Wert für 2011 bei 2,3 Prozent liegt.

Begrüßt wird von den Sachverständigen der von der Bundesregierung geplante Abbau der 'Kalten Progression' im Steuerrecht. "Ohne Korrektur der Kalten Progression steigt die Steuerbelastung aller Steuerpflichtigen langfristig immer weiter an; immer höhere Anteile des Bruttoinlandsprodukts würden als Steuern in die Verfügungsgewalt des Staates wechseln", schreiben die Gutachter und empfehlen eine Senkung der Grenz- und Durchschnittssteuersätze. Der Steuerausfall von drei Milliarden Euro solle durch Korrekturen auf der Ausgabenseite oder durch Streichung von Steuervergünstigungen erfolgen. Mehrbelastungen durch den "Mittelstandsbauch" sieht der Sachverständigenrat dagegen "nicht zwingend als ungerechtfertigt" an.

Kritisch setzt sich der Sachverständigenrat mit der Energiepolitik und besonders der Förderung der erneuerbaren Energien auseinander. Die durch das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) garantierte Mindestvergütung stelle aus ökonomischer Sicht eine Subvention dar, auch wenn die Zahlungen nicht aus öffentlichen Haushalten kommen würden. Die Kosten der Förderung würden in die Höhe getrieben, weil wenig kosteneffiziente Energieerzeugungsformen wie die Photovoltaik am höchsten gefördert würden. Das EEG habe sich im Hinblick auf die Anreize zum Kapazitätsausbau als 'sehr effektiv, aber gleichzeitig als äußerst ineffizient' erwiesen. So hätten sich gegenüber den künftig zu erwartenden Strompreisen allein bei der Photovoltaik Zusatzkosten aufgebaut, die in ihrem Gegenwartswert bei 80 Milliarden Euro liegen würden. 'Ein weiterer Ausbau der Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien gemäß den Ausbauzielen der Europäischen Union muss zu weitaus geringeren Kosten als der bisherige Ausbau realisiert werden. Andernfalls dürfte die nötige Akzeptanz für die Energiewende verloren gehen', wird in dem Gutachten gewarnt.

Zum Euro und der Finanz- und Schuldenkrise heißt es, "die Sicherung der Stabilität der Währungsunion dient nicht nur dem Interesse Europas, sondern sie liegt vielmehr im ureigensten Interesse Deutschlands". Gerade Deutschland würden beträchtliche Vorteile der Währungsunion zugutekommen, schreiben die Sachverständigen. Zwar sei es aus wissenschaftlicher Sicht äußerst schwierig herauszufinden, ob Deutschland in einer kontrafaktischen Situation mit der D-Mark anstelle des Euro besser gefahren wäre. "Jedoch zeigen die Erfahrungen Deutschlands vor der Währungsunion und die anderer exportorientierter Länder, dass die Stabilität des Außenwerts einer Währung positive realwirtschaftliche Effekte hat", heißt es in dem Gutachten.

Zur Konsolidierung der Finanzen in Europa schlägt der Sachverständigenrat einen "Schuldentilgungspakt" vor. Über einen gemeinsamen Tilgungsfonds und mit verbindlichen nationalen Schuldenbremsen solle versucht werden, "einen überzeugenden Abbau der Staatsverschuldung unter die 60 vH-Grenze des Vertrags von Maastricht zu erreichen", schreibt der Sachverständigenrat. Der Tilgungsfonds sieht eine gemeinschaftliche Haftung aller Teilnehmer für die darin eingebrachten Staatsschulden vor. "Entscheidend ist, dass sich der Fonds über feste Tilgungsverpflichtungen im Zeitablauf selbst abschafft. Darin und in den restriktiven Auflagen und Rahmenbedingungen unterscheidet sich der Schuldentilgungsfonds ganz erheblich von Eurobonds." Der Fonds soll 2,3 Billionen Euro Schulden, davon 41 Prozent aus Italien und 25 Prozent aus Deutschland, enthalten. Die Zuweisungen der Staaten an den Fonds sollen so hoch sein, dass der Abbau der ausgelagerten Schulden innerhalb eines Zeitraums von 20 bis 25 Jahren gelingt. Zugleich dürfen die Schulden, für die die Mitgliedsländer allein haften, nicht über die Maastricht-Grenze von 60 Prozent steigen. (Deutscher Bundestag: ra)


Meldungen: Bundestag, Bundesregierung, Bundesrat

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