Verbraucherschutz und Dioxin-Skandal


Dioxinfund beeinflusst Novellierung des Verbraucherinformationsgesetzes (VIG)
Aus Sicht des Landes Nordrhein-Westfalen hat sich das VIG nicht bewährt
- Nach dem Gesetz hätte der Name der Firma nicht veröffentlicht werden dürfen, von der der Skandal seinen Ausgang nahm

(17.01.11) - Die seit Dezember nachgewiesenen Fälle von Dioxin in Lebensmitteln in Deutschland werden Auswirkungen auf die Novellierung des Verbraucherinformationsgesetzes durch die Bundesregierung haben. Auf der Sondersitzung des Verbraucherschutzausschusses zum Thema "Aktuelle Funde von Dioxin in Futter- und Lebensmitteln" standen Vertreter der Bundesregierung, der Länder und Sachverständige den Abgeordneten des Deutschen Bundestages Rede und Antwort. Die Koalitionsfraktionen CDU/CSU und FDP und die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hatten die Sondersitzung beantragt.

"Das Verbraucherinformationsgesetz (VIG) wird sich ändern", erklärte Bundesverbraucherschutzministerin Ilse Aigner (CSU) mit Blick auf den sich ausweitenden Lebensmittelskandal um mit Dioxin belastetes Industriefett, das in die Futtermittelproduktion für Tiere Eingang fand und somit in die Nahrungsmittelkette gelangte. Noch befinde sich die VIG-Novelle in der "Ressortabstimmung". Es würden aber Konsequenzen aus dem Vorfall gezogen. Ein Thema sei dabei die Neuregelung zur Veröffentlichung von Informationen und der Dauer, bis diese bereitgestellt werden müssen.

Aus Sicht des Landes Nordrhein-Westfalen hat sich das VIG nicht bewährt. "Die rechtliche Grundlage reicht nicht aus", sagte Verbraucherschutzminister Johannes Remmel (Bündnis 90/Die Grünen). Er kritisierte, dass es dem Gesetz an nötiger Klarheit darüber fehle, wann der Verbraucher informiert werden dürfe. "Ohne eine Anhörung Betroffener ist es nicht möglich, sofort Informationen an die Verbraucher herauszugeben", kritisierte er. Nach dem Gesetz hätte der Name der Firma nicht veröffentlicht werden dürfen, von der der Skandal seinen Ausgang nahm. Vor einer Warnung der Verbraucher hätte nach dem VIG eine mindestens vierwöchige Anhörungsfrist verstreichen müssen. "Das erzeugt weitere Unsicherheit in der Öffentlichkeit und ist nicht zu vermitteln."

Die CDU/CSU-Fraktion lobte das Krisenmanagement der Regierung und der Länder: "Es ist bisher richtig vorgegangen worden, um die Verbraucher vor der Kontamination zu schützen." Grundsätzlich könne vor krimineller Energie aber nicht geschützt werden. Es müsse jedoch die Wahrscheinlichkeit gesenkt werden, dass Lebensmittel verunreinigt werden können. Dazu müssten schon zu Beginn der Nahrungsmittelkette "Restriktionen" einsetzen. Gut sei die Selbstverpflichtung der Futtermittelhersteller, Produktchargen zu prüfen, deren Kontrollergebnisse in ein gesamtes Sicherheitsnetz eingebunden werden sollen. Es sei zutiefst ärgerlich, dass der hohe Standard in der Nahrungsmittelproduktion in Deutschland die gesamte Nahrungsmittelwirtschaft nun infrage stelle.

Die SPD-Fraktion forderte die Regierung auf, mit der Novellierung des VIG auch den Informantenschutz festzuschreiben. Mitarbeiter von Unternehmen sollten ermutigt werden sich zu melden, wenn sie sehen, dass Unrechtes getan wird. Dem Vorwurf der Union, damit das "Denunziantentum" zu fördern, wiesen die Sozialdemokraten als diffamierend zurück. Weiter forderte die SPD, dass auch private Labore in Zukunft staatlichen Stellen melden sollen, wenn sie belastete Proben messen.

Die FDP war der Ansicht, dass Kriminelle durch mehr Kontrollen nicht gestoppt werden könnten. So bescheinigte ein Vertreter des Landes Schleswig-Holstein, dass eine in ein privates Labor eingeschickte Probe nicht den Schluss zugelassen habe, aus einer Futtermittelcharge zu sein und somit in den Nahrungsmittelkreislauf zu gelangen. Weiter sei ein Unternehmen, dass das belastete Fett eingebracht habe, nicht registriert gewesen, was Kontrollen durch Behörden unmöglich mache. Daher forderten die Liberalen wie die übrigen Fraktionen und die anwesenden Vertreter von Bund und Ländern die Trennung der "Produktströme", sodass keine Vermischung mehr möglich sein könne. Positiv sei, dass der Skandal durch eine Laboranalyse eines Unternehmens, das die Verunreinigung angezeigt hatte, herausgekommen sei. Das zeige, dass das Problem mit der Industrie zusammen gelöst werden könne, erklärte die FDP.

Auf Eigenkontrollen durch die Wirtschaft zu setzen, kritisierte die Linksfraktion: "Die Menschen sind entsetzt, dass ein Hersteller ein dreiviertel Jahr lang belastetes Futtermittel zumischt." Es sei bedenklich, dass sich das Fehlverhalten nur eines Produzenten auf Tausende Betriebe von Landwirten auswirken könne und der Staat Kontrollstrukturen abbaue. Wir brauchen ein staatlich kontrolliertes Zertifizierungssystem vom Acker bis zum Teller", forderte die Linksfraktion und fragte: "Wo sind die schon seit März 2010 durch Dioxin belasteten Lebensmittel hingekommen?"

Ein Vertreter des niedersächsischen Landesamtes für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit entwarnte jedoch: "Menschen, die belastete Eier verzehren, sind keinem höherem Risiko ausgesetzt." Zwar sei die Überschreitung der Grenzwerte nicht zu verharmlosen, doch seien die zu erwartenden Belastungen der Verbraucher gering. Im Vergleich zu der in der Umwelt befindlichen Dioxinbelastung vor zwanzig Jahren, der die Menschen ausgesetzt waren, bleibe der Wert heute sehr gering. Die heutigen Grenzwerte seien als "Vorsorgewerte" zu verstehen, die nicht toxikologische Werte darstellten.

Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen warf der Regierungskoalition vor, durch verfehlte Politik mitverantwortlich zu sein. Mit der "Agrarwende vor zehn Jahren" unter Rot-Grün sei Transparenz und Verbraucherschutz in Landwirtschaftspolitik und Nahrungsmittelwirtschaft eingekehrt. Doch jetzt bekämen die Verbraucher nicht einmal ihre Fragen von der Regierung beantwortet, lautete die Kritik. Gegen Kriminelle müsse die Regierung tätig werden und nicht die Futtermittelindustrie durch Eigenkontrollen ihrer Produkte. Der Preiskampf sei daran schuld, dass minderwertiges Fett den Futtermitteln beigemischt worden war. Denn dieses Fett sei nur halb so teuer wie Fett aus einer zertifizierten Ölmühle, erklärten die Grünen. (Deutscher Bundestag: ra)


Kostenloser Compliance-Newsletter
Ihr Compliance-Magazin.de-Newsletter hier >>>>>>


Meldungen: Bundestag, Bundesregierung, Bundesrat

  • Sorgfaltspflichten für Online-Dienste

    Bei einer öffentlichen Anhörung des Digitalausschusses ist das von der Bundesregierung geplante Digitale-Dienste-Gesetz (20/10031) zur Umsetzung des Digital Services Act (DSA) auf nationaler Ebene von den geladenen Sachverständigen überwiegend begrüßt worden. Moderate Kritik wurde an einzelnen Punkten des Entwurfs zur Umsetzung laut.

  • Einsatz von KI birgt auch Risiken

    Die Deutsche Bundesregierung erkennt in der Nutzung Künstlicher Intelligenz (KI) ein "vielfältiges und beträchtliches" Potenzial für Beschäftigte und den Arbeitsmarkt. KI könne die Produktivität von Beschäftigten steigern und diese bei ihren Tätigkeiten entlasten.

  • EU-Plastikabgabe weiter in Abstimmung

    Die Deutsche Bundesregierung befindet sich momentan noch in der Abstimmung hinsichtlich der konkreten Ausgestaltung der nationalen Umlegung der EU-Plastikabgabe. Verschiedene Optionen würden geprüft.

  • Bedeutung gemeinwohlorientierter Unternehmen

    Die Parlamentarische Staatssekretärin des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK), Franziska Brantner (Bündnis 90/Die Grünen), hat bei der Aussprache zur Unterrichtung des Bundestages zur Nationale Strategie für Soziale Innovationen und Gemeinwohlorientierte Unternehmen im Wirtschaftsausschuss die Bedeutung des Programms betont.

  • Mehr Recycling-Anreize

    In seiner derzeitigen Form hat Paragraf 21 des Verpackungsgesetzes aus Sicht der Bundesregierung für die Hersteller systembeteiligungspflichtiger Verpackungen bereits ein wichtiges Signal in Richtung des ökologischen Verpackungsdesigns gesetzt.

Wir verwenden Cookies um unsere Website zu optimieren und Ihnen das bestmögliche Online-Erlebnis zu bieten. Mit dem Klick auf "Alle akzeptieren" erklären Sie sich damit einverstanden. Erweiterte Einstellungen