Handlungsbedarf im Übernahmerecht?


Sachverständige wollen besseren Schutz für Unternehmen vor Übernahmen
Derzeitige gesetzliche Regelung schütze allenfalls Eigentümer und Aktionäre, aber nicht die Arbeitnehmer


(16.11.11) - Mehrere Sachverständige haben dringend Änderungen am deutschen Übernahmerecht für Unternehmen angemahnt. Dagegen befürworteten in einem Fachgespräch des Finanzausschusses die Vertreter der Deutschen Kreditwirtschaft und der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) allenfalls kleinere Änderungen.

Professor Heinz Bontrup (Fachhochschule Gelsenkirchen) erklärte, die derzeitige gesetzliche Regelung schütze allenfalls Eigentümer und Aktionäre, aber nicht die Arbeitnehmer, die das Unternehmen ausmachen und Werte generieren würden. An vielen feindlichen Übernahmen sehe man, dass die Beschäftigten die "großen Verlierer" seien. Auch Kunden und Lieferanten hätten Nachteile bei Übernahmen in Kauf zu nehmen, sagte Bontrup.

Professor Heribert Hirte (Universität Hamburg) wies auf die oft unter dem Wert eines Unternehmens liegenden Aktienkurse hin. Diese Werte müssten vernünftig offengelegt werden. Von "Übernahmeresistenzen" durch Rückkehr zu den früher üblichen Mehrstimmrechtsaktien, die ihren Inhabern im Vergleich zum Kapitalanteil höhere Stimmenanteile einräumen, hielt Hirte aber nichts.

Dringenden Handlungsbedarf im Übernahmerecht erkannte Professor Uwe Schneider (Universität Darmstadt). Das geltende Recht, wonach jeder jedes Unternehmen kaufen und dann zerschlagen könne, sei ein Nachteil für den Standort Deutschland. Auch für mittelständische Unternehmen bedeute das geltende Übernahmerecht einen schweren Nachteil, da sie nach Umwandlung in eine Aktiengesellschaft leicht übernommen werden könnten. Daher würden viele Unternehmen den Weg zur AG nicht gehen. Das geltende Recht sei zudem unfair gegenüber Aktionären, und die Unternehmen selbst hätten keine Möglichkeit, sich gegen Übernahmen zu wehren.

Von einem strukturellen Ungleichgewicht zugunsten der Bieter sprach Professor Christoph Seibt (Wirtschaftskanzlei Freshfields Bruckhaus Deringer). Andere EU-Länder hätten ihr Übernahmerecht bereits geändert mit dem Ziel, mehr Schutz für "Zielgesellschaften", die vor Übernahmen stehen würden, zu schaffen.

Die BaFin bezeichnete das deutsche Übernahmerecht als international anerkannt und akzeptiert. Trotzdem könne es in Randbereichen durchaus Änderungen geben. Wenn man, wie von Teilen der Wissenschaft gefordert, jedem Aktionär das Recht auf Teilnahme an Übernahmeverfahren einräume, würden diese Verfahren "ad absurdum" geführt.

Der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) sprach sich für mehr Satzungsfreiheit für die Unternehmen aus. So sollten sie das Recht erhalten, Höchststimmrechte oder Beteiligungsgrenzen festzulegen.

Für die Deutsche Kreditwirtschaft ist das Übernahmerecht in seiner heutigen Form gelungen und wettbewerbsfördernd. Übernahmen würden nicht erleichtert, aber auch nicht erschwert. Der Status Quo sei erhaltenswert. Auch Professor Theodor Baums (Goethe-Universität Frankfurt am Main) hält das deutsche Übernahmerecht für bewährt. Nachbesserungen könne es allenfalls beim Thema "Anschleichen" an Unternehmen geben. (Deutscher Bundestag: ra)


Meldungen: Bundestag, Bundesregierung, Bundesrat

  • Gleichstellung als verbindliches Förderkriterium

    Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen fordert in einem Antrag (21/790) die Bundesregierung auf, Maßnahmen zu ergreifen, um die Gleichstellung von Frauen und Mädchen im organisierten Sport in Deutschland deutlich zu verbessern.

  • Ausbau der digitalen Infrastruktur

    Die von der schwarz-roten Koalition geplante Novelle des Telekommunikationsgesetzes ist bei einer Mehrheit der Sachverständigen auf Zustimmung zu den Zielen und Kritik an Details gestoßen. In einer öffentlichen Anhörung des Digitalausschusses zum TKG-Änderungsgesetz 2025 bezeichnete eine Reihe von Sachverständigen den Entwurf als ein wichtiges Signal für die Branche.

  • Auskunft zum Cum/Ex und Cum/Cum

    Zum Stichtag 31. Dezember 2023 befanden sich 380 Verdachtsfälle zur Steuergestaltung bei Cum-Ex-Geschäften bei den Obersten Finanzbehörden der Länder und beim Bundeszentralamt für Steuern mit einem Volumen nicht anrechenbarer/erstatteter Kapitalertragssteuer inklusive Solidaritätszuschlag von rund 3,8 Milliarden Euro in Bearbeitung. Diese Angaben macht die Bundesregierung in ihrer Antwort (21/548) auf eine Kleine Anfrage der Fraktion die Linke (21/310).

  • Kosten der Vermeidung von CO2-Emissionen

    Keine konkreten Angaben zu den Kosten, die ihre Pläne zur Vermeidung von CO2-Emissionen verursachen, macht die Bundesregierung in ihrer Antwort (21/715) auf eine Kleine Anfrage (21/296) der AfD-Fraktion. Zur Begründung verweist sie darauf, dass Deutschland zur Erreichung der Klimaschutzziele auf ein "breites Spektrum aufeinander abgestimmter Klimaschutzmaßnahmen" setze. Diese dienten neben der Minderung von Treibhausgasen auch der Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit, dem sozialen Ausgleich sowie der langfristigen Transformation hin zur Klimaneutralität. Die Ausgestaltung der Klimaschutzmaßnahmen gehe dabei über eine "kurzfristige, rein statische Betrachtung der CO2-Vermeidungskosten" hinaus.

  • Steuerung des Windenergieausbaus

    An der von den Koalitionsfraktionen geplanten Umsetzung der Erneuerbare-Energien-Richtlinie der EU (RED III) besteht Nachbesserungsbedarf. Das wurde während einer öffentlichen Anhörung des Umweltausschusses zu dem Gesetzentwurf "zur Umsetzung von Vorgaben der Richtlinie (EU) 2023/2413 für Zulassungsverfahren nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz und dem Wasserhaushaltsgesetz, zur Änderung des Bundeswasserstraßengesetzes, zur Änderung des Windenergieflächenbedarfsgesetzes und zur Änderung des Baugesetzbuchs" (21/568) deutlich.

Wir verwenden Cookies um unsere Website zu optimieren und Ihnen das bestmögliche Online-Erlebnis zu bieten. Mit dem Klick auf "Alle akzeptieren" erklären Sie sich damit einverstanden. Erweiterte Einstellungen