Kampf gegen Korruption
"Akt symbolischer Gesetzgebung": Nach jahrelangen Debatten existiert nun endlich ein Gesetzentwurf zur schärferen Bekämpfung der Abgeordnetenbestechung
Verschärfte Bestimmungen sollen auch für Gemeinderäte gelten
(27.02.14) - Weithin auf Zustimmung stieß bei den Sachverständigen zum Auftakt einer Anhörung des Rechtsausschusses ein Gesetzentwurf (18/476), mit dem die Koalition den Kampf gegen Korruption auf allen parlamentarischen Ebenen vom Gemeinderat bis zum Bundestag verstärken will. Allerdings plädierten manche Experten im Detail für Änderungen, um etwa durch präzisere Formulierungen die Gefahr zu verringern, dass in Wahlkämpfen vorschnell Ermittlungen gegen Kandidaten eingeleitet würden und so das Gesetz politisch instrumentalisiert werde.
Bislang ist nur direkter Stimmenkauf strafbar, wenn also ein gewählter Volksvertreter Zuwendungen für ein konkretes Abstimmungsverhalten im Einzelfall entgegennimmt. Union und SPD wollen den Begriff der Korruption auf alle unsauberen Verhaltensweisen in Ausübung eines Mandats ausdehnen. Im Entwurf heißt es: "Wer als Mitglied einer Volksvertretung […] einen ungerechtfertigten Vorteil […] dafür fordert, sich versprechen lässt oder annimmt, dass er bei der Wahrnehmung seines Mandats eine Handlung im Auftrag oder auf Weisung vornehme oder unterlasse, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft."
Gregor Hackmack von "Parlamentwatch" und Christian Humborg von "Transparency International" äußerten "große Freude" (Humborg), dass nach jahrelangen Debatten nun endlich ein Gesetzentwurf zur schärferen Bekämpfung der Abgeordnetenbestechung existiere. Humborg kritisierte indes, dass die Koalition nur die "Minimalstandards" der UN-Konvention gegen Korruption umsetzen wolle. Hackmack meinte, die Reform werde "ins Leere laufen", weil Bestechung nur dann gegeben sein solle, wenn ein Volksvertreter "im Auftrag oder auf Weisung" handele, was aber nicht zu beweisen sei. Diese Passage solle gestrichen werden.
Bernd Heinrich (Humboldt-Universität zu Berlin) hingegen begrüßte es, dass nur im Fall von Aufträgen und Weisungen, von "ungerechtfertigten Vorteilen" oder einer Verletzung "parlamentarischer Gepflogenheiten" von Korruption die Rede sein soll und dass auch die Annahme legaler Parteispenden erlaubt sein solle. Diese Einschränkungen könnten verhindern, dass in Wahlkampfzeiten Politiker durch vorschnell eingeleitete Ermittlungen beschädigt werden, argumentierte der Strafrechtsprofessor. Wolfgang Jäckle (Fachhochschule des Bundes für öffentliche Verwaltung) hingegen sah eine Gesetzeslücke, wenn etwa ein Kommunalpolitiker einem Unternehmer bei einer gewissen Gegenleistung anbiete, sich im Gemeinderat gegen eine Erhöhung der Gewerbesteuer einzusetzen: Dann agiere der Betreffende nicht "im Auftrag oder Weisung", erläuterte der Professor. Entscheidend aber sei, ob parlamentarische Beschlüsse im Sinne eines Vorteilsgebers beeinflusst werden, und dies sei ein besseres Kriterium für Bestechung.
Nach Meinung von Kyrill-Alexander Schwarz (Universität Würzburg) ist nicht auszuschließen, dass das Gesetz vor Wahlen politisch instrumentalisiert wird. Allein die Furcht vor Ermittlungen könne im Übrigen Abgeordnete an der vollen Wahrnehmung des freien Mandats hindern, weil man jeden Bestechungsverdacht vermeiden wolle, auch wenn keine Korruption vorliege, warnte der Professor. Im Übrigen sah der Verfassungsrechtler in dem Koalitionsentwurf einen "Akt symbolischer Gesetzgebung", da sich die "Dinge, um die es geht, in einer Grauzone abspielen".
Aus Sicht der Frankfurter Strafverteidigerin Regina Michalke sind die Begriffe in der Gesetzesvorlage zu unpräzise gefasst. Dies könne dazu führen, dass allein der Umstand, dass ein Volksvertreter im Verlauf der Debatte um ein bestimmtes Thema plötzlich seine Meinung ändert, schon einen Korruptionsverdacht begründet. Allerdings dürften die Chancen eines Beschuldigten spätestens vor dem Verfassungsgericht groß sein. Entscheidend sei immer, ob eine Zuwendung etwa im Rahmen "parlamentarischer Gepflogenheiten" als "sozialadäquat" eingestuft werde oder nicht, argumentierte Michalke. Renate Wimmer sagte, letztlich komme es auf das "Fingerspitzengefühl" der Ermittler an. Insofern sah die Münchner Oberstaatsanwältin, die von einem guten und praktikablen Gesetzentwurf sprach, in unbestimmt wirkenden Formulierungen kein Problem.
Kay Ruge begrüßte es, dass die verschärften Bestimmungen auch für Gemeinderäte gelten sollen. Wenn Staatsanwälte sensibel vorgingen, sei eine politische Instrumentalisierung des Gesetzes nicht zu befürchten, gab sich der Beigeordnete beim Deutschen Landkreistag überzeugt. Es sollten nur jene Fälle verfolgt werden, bei denen die Grenzen eines sozialadäquaten Verhaltens eindeutig überschritten würden. (Deutscher Bundestag: ra)
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