Vorratsdatenspeicherung wird abgelehnt
Anhörung im Rechtsausschuss zeigt deutlich: Die geplante Vorratsdatenspeicherung wird überwiegend negativ beurteilt: Streitig, ob Umfang der Vorratsdatenspeicherungspflicht verfassungsrechtlichen Vorgaben entspricht
Umsetzung der Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung würde in der vorliegenden Fassung die Pressefreiheit "in einem ihrer sensibelsten Punkte mit ungeahnter Intensität beschädigen"
(24.09.07) - Überwiegend negativ fallen die Stellungnahmen der vom Rechtsausschuss eingeladenen Sachverständigen zu einer Anhörung zur Vorratsdatenspeicherung am letzten Freitagmittag aus. Grundlage ist ein Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Neuregelung der Telekommunikationsüberwachung (16/5846) und eine umzusetzende Richtlinie der EU.
Nach dem Entwurf sind Telekommunikationsdienste ab 2008 verpflichtet, die Daten ihrer Kunden sechs Monate lang zu speichern. Gespeichert wird, wer mit wem per Telefon, Handy oder E-Mail in Verbindung gestanden hat. So werden beispielsweise die Rufnummer sowie Beginn und Ende der Verbindung, geordnet nach Datum und Uhrzeit, bei Handy-Telefonaten und SMS auch der Standort des Benutzers festgehalten.
Nutzer von Telekommunikationsdiensten unter Generalverdacht
Jürgen Grützner, Geschäftsführer des Verbandes der Anbieter vom Telekommunikations- und Mehrwertdiensten e.V. aus Köln, war der Meinung, der mit der Vorratsdatenspeicherung einhergehende "Paradigmenwechsel im Datenschutz" hebe das bisher geltende Verbot anlass- und verdachtsunabhängiger Datenspeicherung auf. Die Nutzer von Telekommunikationsdiensten würden folglich unter "Generalverdacht" gestellt.
Christoph Fiedler, der unter anderem für ARD, ZDF und den Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger Stellung nahm, war der Auffassung, die Umsetzung der Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung würde in der vorliegenden Fassung die Pressefreiheit "in einem ihrer sensibelsten Punkte mit ungeahnter Intensität beschädigen". Zum ersten Mal erhielten staatliche Stellen Zugriff auf alle elektronischen Kontakte von und mit allen Journalisten. Die Abschreckungswirkung für potenzielle Informanten sei offensichtlich.
Der Berliner Universitätsprofessor Christian Kirchner meinte ebenfalls, es sei streitig, ob der Umfang der Vorratsdatenspeicherungspflicht verfassungsrechtlichen Vorgaben entspricht. Dies gelte vor allem für die Formulierung "zur Verfolgung von Straftaten". Es werde nicht nach der Schwere und Erheblichkeit der betreffenden Straftaten unterschieden.
Völlig unrealistische Aussagen zur Kostenbelastung der Unternehmen
Rainer Liedtke, Datenschutz- und Sicherheitsbeauftragter von E-plus-Mobilfunk GmbH kritisierte unter anderem, dass das Gesetz schon 2008 in Kraft treten soll. Diese Regelung sei insoweit inakzeptabel, als nunmehr - anders als im Referentenentwurf vorgesehen - auch noch E-Mail und Internetdienste integriert werden müssten. Der Regierungsentwurf enthalte daneben "völlig unrealistische" Aussagen zur Kostenbelastung der Unternehmen.
Patrick Breyer vom "Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung" lehnte das Vorhaben einer Vorratsdatenspeicherung entschieden ab. Der Sachverständige appellierte an die Politik, sich von dem Vorhaben der umfassenden und verdachtsunabhängigen Speicherung von Daten zu distanzieren.
Thilo Weichert, Landesbeauftragter für den Datenschutz aus Kiel, war gleicher Meinung. Das Vorhaben, die Verkehrs- und Standortdaten aller Teilnehmer und Netze öffentlicher elektronischer Kommunikationsdienste pauschal und ohne jeden Ahnhaltspunkt für eine konkrete Straftat der betroffenen Person zu speichern, sei unverhältnismäßig und damit verfassungswidrig, so Weichert.
Weit überwiegend begrüßenswerte Regelung
Ernst Wirth vom Bayerischen Landeskriminalamt begrüßte hingegen die Speicherung von Telekommunikationsdaten. Sie sei eine aus polizeipraktischer Sicht "weit überwiegend begrüßenswerte Regelung". Sie entspreche somit langjährigen Forderungen der polizeilichen Ermittlungsarbeit und sei als "sehr gelungen" zu betrachten.
Und auch Jürgen-Peter Graf, Richter am Bundesgerichtshof, war der Meinung, der Eingriff in das im Grundgesetz festgelegte Recht auf informationelle Selbstbestimmung sei hinnehmbar. Die Herausgabe von Daten dürfe nur bei Straftaten von erheblicher Bedeutung geschehen. Das sei im Entwurf festgelegt. (Deutsche Bundesregierung: ra)
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