Sie sind hier: Home » Recht » Kartellrecht

Preiszuschläge beim Einkauf von Langstahl


Bußgelder gegen deutsche Automobilhersteller wegen wettbewerbswidriger Praktiken beim Einkauf von Stahl
Gegen drei Zuliefer-Unternehmen und einen Verband wurden die Ermittlungen aus Ermessensgründen eingestellt



Das Bundeskartellamt hat Bußgelder in Höhe von insgesamt rund 100 Millionen Euro gegen die Bayerische Motoren Werke AG, die Daimler AG und die Volkswagen AG wegen wettbewerbswidriger Praktiken beim Einkauf von Langstahl verhängt. Andreas Mundt, Präsident des Bundeskartellamtes, sagte: "Von 2004 bis Ende 2013 haben sich Vertreter von BMW, Daimler und Volkswagen regelmäßig zweimal im Jahr mit Stahlherstellern, Schmieden und großen Systemzulieferern getroffen und sich dabei über einheitliche Preiszuschläge beim Einkauf von Langstahl ausgetauscht. Schrott- und Legierungszuschläge machen einen wesentlichen Teil der Einkaufspreise bei Langstahl aus. Soweit in der Folge der Gespräche hierüber nicht mehr individuell mit den Lieferanten verhandelt wurde, wurde der Wettbewerb untereinander in Bezug auf diese Preisbestandteile ausgeschaltet."

Die Automobilhersteller verbauen bei der Produktion viele Teile, die aus Langstahl gefertigt werden (z.B. Kurbelwellen, Pleuel, Nockenwellen, Zahnräder und Lenkstangen). Diese Bauteile werden bei Schmiedeunternehmen eingekauft oder von den Automobilherstellern selbst in eigenen Schmieden gefertigt. Dazu wird im Vorfeld Langstahl als Rohmaterial eingekauft.

Üblicherweise wird Langstahl von den Stahlherstellern bzw. von den Schmieden nach einem bestimmten Preismodell vertrieben. Der Preis setzt sich aus einem Basispreis und aus Schrott- und Legierungszuschlägen zusammen. Die Zuschläge, die der Höhe nach schwanken, machten beim Edelbaustahl, dem hier hauptsächlich betroffenen Typ des Langstahls, im Tatzeitraum im Schnitt rund ein Drittel des Endpreises aus. Der Anteil der Einkaufskosten für Langstahl an den Gesamtkosten eines PKW liegt bei unter einem Prozent.

Im Gegensatz zu den Basispreisen wurden die Zuschläge traditionell nicht verhandelt, sondern nach feststehenden, branchenweit einheitlichen Formeln berechnet und als gesonderte Preisbestandteile auf den Basispreis aufgeschlagen. In den Jahren 2003 und 2004 nahmen die Stahlhersteller einseitig und zum Teil unter Androhung von Lieferstopps gewisse Veränderungen bei der Zuschlagsberechnung vor. Als Reaktion darauf wurden die Gesprächsrunden zwischen Automobilherstellern und Stahlherstellern sowie Schmieden unter dem Dach des Wirtschaftsverbandes Stahl- und Metallverarbeitung aufgenommen. In den Gesprächen versicherten und bestärkten die Vertreter der Automobilhersteller sich gegenseitig darin, die von den Stahlherstellern vorgenommenen Veränderungen zu übernehmen und weiterhin an der etablierten Praxis einheitlich berechneter Preiszuschläge festzuhalten. Dies taten sie jedenfalls bis Januar 2016.

Die Unternehmen haben den vom Bundeskartellamt ermittelten Sachverhalt als zutreffend anerkannt und einer einvernehmlichen Verfahrensbeendigung zugestimmt. Dies wurde bei der Bußgeldfestsetzung ebenso berücksichtigt, wie die Tatsache, dass sie während des Verfahrens mit dem Bundeskartellamt kooperiert haben.

Gegen drei Zuliefer-Unternehmen und einen Verband wurden die Ermittlungen aus Ermessensgründen eingestellt.

Die verhängten Bußgelder sind noch nicht rechtskräftig. Gegen die Bescheide samt der in ihnen getroffenen Feststellungen kann Einspruch eingelegt werden, über den das Oberlandesgericht Düsseldorf entscheidet.

Ein Fallbericht mit den Inhalten des § 53 Abs. 5 GWB wird auf der Internetseite des Bundeskartellamtes veröffentlicht.

Hintergrund – sonstige Verfahren im Bereich Stahl- bzw. Automobilhersteller
>> In einem anderen Verfahren führt das Bundeskartellamt Ermittlungen gegen Hersteller von Edelstahlerzeugnissen. In diesem Verfahren wurden bereits erste Bußgelder verhängt (siehe PM vom 12. Juli 2018).

>> Im Bereich der Herstellung und des Vertriebs von Flachstahl führt das Bundeskartellamt Verfahren gegen mehrere Stahlhersteller und einen Verband wegen des Verdachts auf Preisabsprachen.

>> Das vorliegende Verfahren steht in keinem Zusammenhang zu den laufenden Ermittlungen der Europäischen Kommission gegen verschiedene Automobilhersteller wegen des Verdachts auf Absprachen bei Abgasreinigungstechnologien.
(Bundeskartellamt: ra)

eingetragen: 10.12.19
Newsletterlauf: 13.02.20



Meldungen: Kartellrecht

Kartellrecht und Kartellvergehen

  • Neue Vorschriften für Digitalkonzerne

    Google (Alphabet Inc., USA) hat sich gegenüber dem Bundeskartellamt verpflichtet, verschiedene Wettbewerbsbeschränkungen bei den Google Automotive Services und bei der Google Maps Platform abzustellen. Andreas Mundt, Präsident des Bundeskartellamtes, sagte: "Ich freue mich, dass wir uns mit Google einigen konnten und somit ganz unmittelbar positive Auswirkungen für die betroffenen Wirtschaftsbereiche erzielen. Die Zusagen von Google haben das Potential, weitreichende Änderungen im Markt zu bewirken. Durch die Aufhebung der bisherigen Beschränkungen stärken wir die Auswahlmöglichkeiten der Kundinnen und Kunden und eröffnen neue Chancen für Wettbewerber von Google."

  • Antennenstandorte für 1&1

    Das Bundeskartellamt hat der Vodafone Group, der Vodafone GmbH und der Vantage Towers AG seine vorläufige rechtliche Einschätzung wegen der mangelnden Bereitstellung von Antennenstandorten für 1&1 übersandt. Das Vodafone-Konzernunternehmen Vantage Towers hatte sich zu der Bereitstellung schon im Jahr 2021 vertraglich verpflichtet, dann kam es aber zu massiven Verzögerungen (s. Pressemeldung vom 2. Juni 2023). Vodafone und Vantage Towers haben jetzt Gelegenheit zu den Vorwürfen Stellung zu nehmen.

  • Entwicklung eines neuen MGCS-Systems

    Das Bundeskartellamt hat die Gründung eines Gemeinschaftsunternehmens der KNDS Deutschland GmbH & Co KG, der KNDS France, der Rheinmetall Landsysteme GmbH und THALES SIX GTS France SAS freigegeben. Das Gemeinschaftsunternehmen, die MGCS-Projekt Company GmbH, soll ihren Sitz in Deutschland haben. Das Hauptziel des Gemeinschaftsunternehmens ist die industrielle Entwicklung des modularen "Main Ground Combat Systems" (MGCS)-Kampfpanzers in deutsch-französischer Kooperation.

  • Erwerb von Lebensmittelherstellern

    Das Bundeskartellamt hat den mittelbaren Erwerb der Uckermärker Milch GmbH (Uckermärker), einer Tochter der Ostmilch Handels GmbH, durch die EDEKA ZENTRALE Stiftung & Co. KG (EDEKA) freigegeben. Andreas Mundt, Präsident des Bundeskartellamtes, sagte: "Das Bundeskartellamt schaut beim Erwerb von Lebensmittelherstellern durch große Lebensmitteleinzelhändler immer sehr genau hin. Wir müssen ausschließen, dass es durch eine solche Übernahme zu einer Abschottung der Märkte zum Nachteil anderer Produzenten oder Händler kommt. Im vorliegenden Fall ist dies nicht zu befürchten."

  • Sehr häufige Preisänderungen an der Tankstelle

    Das Bundeskartellamt hat seine Sektoruntersuchung zu Raffinerien und Kraftstoffgroßhandel mit einem umfangreichen Endbericht abgeschlossen. In dem Bericht erläutert das Bundeskartellamt die Strukturen und die Preissetzungsmechanismen auf diesen Marktstufen der Mineralölwirtschaft und identifiziert Stellschrauben, die zu einer Stärkung des Wettbewerbs beitragen können.

Wir verwenden Cookies um unsere Website zu optimieren und Ihnen das bestmögliche Online-Erlebnis zu bieten. Mit dem Klick auf "Alle akzeptieren" erklären Sie sich damit einverstanden. Erweiterte Einstellungen