Bezugssperre als Boykottaufruf kartellrechtswidrig
Bundeskartellamt verhängt Geldbußen gegen Apothekerverbände wegen Aufrufs zum Boykott
Sanktioniert wurden zum einen Äußerungen von Verbandsfunktionären, zum anderen, soweit es zu kartellrechtswidrigen Boykottaufrufen in der Pharmazeutischen Zeitung kam, die Verletzung der Aufsichtspflicht des Herausgebers
(03.07.09) - Das Bundeskartellamt hat wegen verbotenen Boykottaufrufs Geldbußen in Höhe von insgesamt rund 1,2 Mio. Euro gegen die ABDA (Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände), den Landesapothekerverband Baden-Württemberg e.V., den Berliner Apotheker Verein e.V., den Thüringer Apothekerverband e.V. sowie verschiedene natürliche Personen verhängt.
Nach den Feststellungen des Bundeskartellamtes haben die betroffenen Apothekerverbände wiederholt ihre Mitglieder, die Apotheker, dazu aufgefordert, von dem Pharmagroßhändler Gehe keine Produkte mehr zu beziehen, nachdem dessen Muttergesellschaft Celesio im April 2007 das Unternehmen DocMorris übernommen hatte. Eine solche Aufforderung zur Bezugssperre ist als Boykottaufruf kartellrechtswidrig, wenn sie in der Absicht geschieht, ein anderes Unternehmen unbillig, d.h. ohne sachliche Rechtfertigung, zu beeinträchtigen. Dies war hier nach der Auffassung des Bundeskartellamtes der Fall, da der Boykott dem Unternehmen Celesio/Gehe Nachteile zufügen sollte, um auf diesem Wege letztlich die eingesessenen Apotheker vor aufkommendem Wettbewerb zu bewahren.
DocMorris betreibt eine Versandapotheke und bietet selbständigen Apothekern eine franchiseähnliche Markenpartnerschaft an. Zudem hatte DocMorris noch bis vor kurzem in Saarbrücken eine Präsenzapotheke auf der Basis einer Genehmigung des zuständigen saarländischen Ministeriums betrieben. Diese Genehmigung ist zwischenzeitlich, nach einem Urteil des EuGH wegen Verstoßes gegen das Fremdbesitzverbot nach welchem nur natürliche Personen Apotheken betreiben dürfen, widerrufen worden.
DocMorris wird von vielen Apothekern als ein unerwünschter Wettbewerber angesehen. Insbesondere befürchteten viele Apotheker verstärkten Wettbewerb für den Fall, dass es Celesio/DocMorris (und damit auch anderen Unternehmen) endgültig erlaubt würde, eine Apothekenkette zu betreiben. Nachdem Celesio DocMorris übernommen hatte, wandten sich viele Apotheker von dem zu Celesio gehörenden Pharmagroßhändler Gehe ab. Das bebußte Verhalten war hierfür mindestens mitursächlich. Die betroffenen Apothekerverbände bzw. ihre Präsidenten oder sonstige Funktionäre sowie ein Redakteur riefen in Verbandspublikationen, z.B. in der von der ABDA herausgegebenen "Pharmazeutischen Zeitung" oder in Reden dazu auf, bestehende Bezugsbeziehungen zu Gehe zu beenden.
Sanktioniert wurden zum einen Äußerungen von Verbandsfunktionären, zum anderen, soweit es zu kartellrechtswidrigen Boykottaufrufen in der Pharmazeutischen Zeitung kam, die Verletzung der Aufsichtspflicht des Herausgebers. Die Presse- oder die Verbandsfreiheit wird durch diese Entscheidung nicht beeinträchtigt. Den Verbänden bleibt es unbenommen, sich auch in Verbandspublikationen kritisch zu standespolitisch wichtigen Themen zu äußern. Die Grenzen der Meinungs- und Vereinigungsfreiheit sind jedoch überschritten, wenn es zu kartellrechtswidrigen Boykottaufrufen kommt.
Die Bußgeldbescheide sind noch nicht rechtskräftig. Die betroffenen Personen und Unternehmen können gegen die Beschlüsse Einspruch einlegen. (Bundeskartellamt: ra)
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