Trend zur Rekommunalisierung
Bundeskartellamt rügt missbräuchliches Verhalten einer Kommune bei der Vergabe von Wegerechten für Strom- und Gasnetze
Aufgrund von auslaufenden Verträgen aus den 90er Jahren stehen in den nächsten Jahren bundesweit mehrere tausend Neuvergaben der Konzessionen von Strom- und Gasnetzen an
(12.02.15) - Das Bundeskartellamt hat durch Beschluss festgestellt, dass die Gemeinde Titisee-Neustadt bei der Vergabe ihrer Wegerechte für Strom- und Gasnetze missbräuchlich gehandelt hat und ihr aufgegeben, das Auswahlverfahren neu und diskriminierungsfrei durchzuführen.
Andreas Mundt, Präsident des Bundeskartellamtes: "Im Sinne aller Verbraucher sollten Gemeinden für den Betrieb der Netze den Anbieter auswählen, der das beste Angebot macht. Das kann auch das eigene Stadtwerk sein, aber es muss die Konzession in einem diskriminierungsfreien Auswahlverfahren erwerben."
Aufgrund von auslaufenden Verträgen aus den 90er Jahren stehen in den nächsten Jahren bundesweit mehrere tausend Neuvergaben der Konzessionen von Strom- und Gasnetzen an. Dabei ist ein Trend zur Rekommunalisierung zu beobachten. In einzelnen Fällen versuchen Gemeinden, kommunale Eigenbetriebe bei der Vergabeentscheidung zu bevorzugen. Die gesetzlichen Kriterien, die bei einer Neuvergabe beachtet werden müssen, schließen eine solche Privilegierung jedoch aus.
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes werden Gemeinden bei der Vergabe von Wegerechten unternehmerisch tätig und haben als alleiniger Inhaber der Wegerechte eine marktbeherrschende Stellung. Die Einräumung der Wegerechte, die alle 20 Jahre neu vergeben werden müssen, ist Voraussetzung für den Betrieb des Strom- und Gasnetzes.
Nach Ansicht des Bundeskartellamtes hat die Gemeinde Titisee-Neustadt ihre marktbeherrschende Stellung missbraucht, indem sie ein diskriminierendes Auswahlverfahren durchgeführt, einen bestimmten Bieter einseitig ohne sachlichen Grund bevorzugt, unzulässige und rechtswidrige Auswahlkriterien verwendet sowie gegen den Geheimwettbewerb und das Nebenleistungsverbot verstoßen hat.
Andreas Mundt sagte: "Der Bundesgerichtshof hat in mehreren Urteilen 2013 und 2014 geklärt, welche Auswahlkriterien zulässig sind und welche Grundsätze für das Auswahlverfahren gelten. Und er hat auch festgestellt, dass darin kein Verstoß gegen die kommunale Selbstverwaltungsgarantie des Grundgesetzes liegt."
Die Gemeinde Titisee-Neustadt hatte eine Aussetzung des Verfahrens beantragt, weil sie bezüglich den Regularien der Konzessionsvergabe eine Kommunalverfassungsbeschwerde eingelegt hat. Da aber der Bundesgerichtshof und alle Oberzivil- und Oberverwaltungsgerichte, die sich mit solchen Konzessionsvergaben befasst haben, eine Verletzung der kommunalen Selbstverwaltungsgarantie ausdrücklich verneint haben und das Bundesverfassungsgericht eine Kommunalverfassungsbeschwerde der Stadt Heiligenhafen 2013 gar nicht zur Entscheidung angenommen hat, hat das Bundeskartellamt eine Verfahrensaussetzung abgelehnt.
Mit diesem Abschluss durch Untersagungsverfügung ist beim Bundeskartellamt im Bereich der Konzessionsvergabe nur noch das Missbrauchsverfahren gegen das Land Berlin anhängig. Da die grundlegenden Rahmenbedingungen für die Auswahl durch die Rechtsprechung des BGH geklärt sind, erhält das Bundeskartellamt insoweit so gut wie keine neuen Beschwerden mehr.
Die Gemeinde Titisee-Neustadt kann gegen den Beschluss des Bundeskartellamtes Beschwerde beim OLG Düsseldorf einlegen. (Bundeskartellamt: ra)
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