Sie sind hier: Home » Recht » Kartellrecht

Bundeskartellamt traut Stromerzeugern nicht


Bundeskartellamt veröffentlicht "Sektoruntersuchung Stromerzeugung und Stromgroßhandel": Wettbewerbssituation auf dem Markt für den erstmaligen Absatz von Strom weiterhin unbefriedigend
Nach wie vor teilen sich lediglich vier Unternehmen gut 80 Prozent des Erstabsatzmarktes
- Die großen Erzeugungsunternehmen haben Anreiz und Möglichkeiten, den Strompreis durch missbräuchliche Kapazitätszurückhaltungen erheblich zu beeinflussen

(18.01.11) - Das Bundeskartellamt hat den Abschlussbericht seiner im März 2009 eingeleiteten Sektoruntersuchung Stromgroßhandel veröffentlicht. Gegenstand der Untersuchung sind die Wettbewerbssituation und die Preisbildung auf den deutschen Stromerzeugungs- und Stromgroßhandelsmärkten in den Jahren 2007 und 2008.

Andreas Mundt, Präsident des Bundeskartellamtes sagte: "Durch die Sektoruntersuchung haben wir entscheidende Fragen zu den Markt- und Wettbewerbsprozessen auf den Stromgroßhandelsmärkten klären können. Wir haben damit eine wichtige Grundlage, um möglichen Missbrauch von Marktmacht aufzudecken und zu verhindern."

Die Untersuchung hat gezeigt, dass die Wettbewerbssituation auf dem Markt für den erstmaligen Absatz von Strom weiterhin unbefriedigend ist. Nach wie vor teilen sich lediglich vier Unternehmen gut 80 Prozent des Erstabsatzmarktes. Die wettbewerblichen Analysen der Sektoruntersuchung legen das Ergebnis nahe, dass diese Anbieter (RWE, E.ON, Vattenfall und gegebenenfalls auch EnBW) in Deutschland jeweils individuell über eine marktbeherrschende Stellung verfügen. Denn diese Unternehmen waren - jedes für sich - in einer signifikanten Anzahl von Stunden im untersuchten Zeitraum für die Deckung der Stromnachfrage in Deutschland unverzichtbar.

Auf der Grundlage umfangreicher Ermittlungen zum Angebotsverhalten an der Strombörse sowie zur Einsatzsteuerung von mehr als 340 Kraftwerksblöcken hat das Bundeskartellamt untersucht, ob es Hinweise dafür gibt, dass Unternehmen Kraftwerkskapazitäten zurückgehalten haben, um den Preis an der Strombörse nach oben zu treiben.

Eine systematische und gravierende Zurückhaltung von Erzeugungskapazitäten ließ sich auf Grundlage der untersuchten Daten zur Kraftwerkseinsatzsteuerung und zur Kostensituation der einzelnen Kraftwerke nicht nachweisen. Gleichwohl hat die umfassende empirische Analyse des Marktgeschehens gezeigt, dass die großen Erzeugungsunternehmen Anreiz und Möglichkeiten haben, den Strompreis durch missbräuchliche Kapazitätszurückhaltungen erheblich zu beeinflussen.

Die Sektoruntersuchung hat die zentralen Ansatzpunkte für eine kartellrechtliche Missbrauchsaufsicht in diesem hoch komplexen Markt zu Tage gefördert. Es wurde eine Vielzahl von Fragen aufgeworfen, die einer weiteren Diskussion und der Klärung durch die Stromerzeuger bedürfen.

Es erscheint daher auch für die Zukunft geboten, das Angebotsverhalten an der Strombörse wie auch die Kraftwerkseinsatzsteuerung einer effektiven Aufsicht durch die Wettbewerbsbehörden zu unterstellen. Das vom Bundeskartellamt verwendete Berechnungsmodell kann hierbei auffällige Handlungsweisen identifizieren. Die Sektoruntersuchung stellt damit für zukünftige Verfahren einen analytischen Rahmen bereit, Missbräuche durch Kapazitätszurückhaltung aufzuspüren.

Ergänzt werden muss dieser analytische Rahmen durch einen verbesserten Zugang zu den Kraftwerkserzeugungsdaten. Die durch die Untersuchung aufgeworfenen Fragen können am effektivsten unter dem Dach einer Markttransparenzstelle bearbeitet werden, die zeitnah und direkt Zugriff auf die erforderlichen Daten hat. Das Bundeskartellamt unterstützt daher mit Nachdruck die von der Bundesregierung geplante Einrichtung einer Markttransparenzstelle. Mit einer Markttransparenzstelle kann auch die Abschreckungswirkung einer effektiven Missbrauchsaufsicht wirksam erhöht werden.

Den vollständigen Bericht der Sektoruntersuchung Stromerzeugung und Stromgroßhandel finden Sie hier. Eine Zusammenfassung des Berichts lässt sich hier gesondert abrufen.

Das Bundeskartellamt ist an einem Dialog mit den Marktteilnehmern, Verbänden und politischen Kreisen interessiert. Hierzu erhalten alle Beteiligten die Gelegenheit, zu dem Bericht der Sektoruntersuchung Stromgroßhandel bis zum 15. März 2011 schriftlich Stellung zu nehmen. (Bundeskartellamt: ra)


Kostenloser Compliance-Newsletter
Ihr Compliance-Magazin.de-Newsletter hier >>>>>>


Meldungen: Kartellrecht

Kartellrecht und Kartellvergehen

  • Marktgeschehen weiter aufmerksam verfolgen

    Das Bundeskartellamt hat den beabsichtigten indirekten Erwerb sämtlicher Anteile an der Sundwiger Messingwerk GmbH, Hemer, durch die KME SE, Osnabrück, nach intensiven Ermittlungen im Hauptprüfverfahren freigegeben.

  • Schüco darf sich an Stemeseder beteiligen

    Das Bundeskartellamt hat den beabsichtigten Erwerb von 49 Prozent der Anteile an der GEST-Holding Gesellschaft m.b.H., Hof bei Salzburg, Österreich, (GEST) durch die Schüco International KG, Bielefeld, (Schüco) freigegeben.

  • Vermehrt so genannte Acqui-hires

    Das Bundeskartellamt hat geprüft, ob die bereits im März 2024 erfolgte Übernahme nahezu aller Mitarbeitenden der Inflection AI, Inc. (Inflection) durch Microsoft Corporation (Microsoft) der deutschen Fusionskontrolle unterliegt. Im Ergebnis war das nicht der Fall, weil das Zielunternehmen Inflection zum Zeitpunkt der Übernahme nur in geringem Ausmaß in Deutschland tätig war.

  • Payback-Daten von Globus maßgeblich

    Das Bundeskartellamt hat die Übernahme von vier großflächigen Lebensmitteleinzelhandel (LEH)-Standorten in Bedburg, Chemnitz, Essen und Wesel von der Globus Markthallen Holding GmbH & Co. KG (Globus) durch die Kaufland Dienstleistung GmbH & Co. KG (Kaufland) nach umfangreichen Marktermittlungen im Vorprüfverfahren freigegeben.

  • Keine Gefahr für den Wettbewerb

    Das Bundeskartellamt hat die geplante Zusammenführung der Gesundheits- und Kosmetikunternehmen Merz Lifecare und WindStar im fusionskontrollrechtlichen Vorprüfverfahren freigegeben. Merz Lifecare ist ein indirektes Tochterunternehmen der Merz Holding GmbH & Co. KG, Frankfurt.

Wir verwenden Cookies um unsere Website zu optimieren und Ihnen das bestmögliche Online-Erlebnis zu bieten. Mit dem Klick auf "Alle akzeptieren" erklären Sie sich damit einverstanden. Erweiterte Einstellungen