Streit um Hinterlegungspflicht für Geräteabgaben
Forderungen der Verwertungsgesellschaften von 1 Milliarde Euro pro Jahr - Gutachter stellt Verfassungswidrigkeit des Vorhabens fest
Bitkom: "Verwertungsgesellschaften stellen regelmäßig Mondforderungen auf, die in keiner Relation zu den Gerätepreisen stehen"
(14.01.15) - Bitkom hat die von der Deutschen Bundesregierung geplante Hinterlegungspflicht für urheberrechtliche Abgaben auf IT-Geräte scharf kritisiert. Mit den Abgaben für Computer, Drucker, Smartphones usw. soll das legale Kopieren urheberrechtlich geschützter Musikstücke, Filme, Fotos oder Texte für den privaten Gebrauch abgegolten werden. "Die Hinterlegungspflicht führt zu einer unverhältnismäßigen finanziellen und bürokratischen Belastung für die Hersteller und Importeure von Informations- und Kommunikationstechnik", sagte Bitkom-Hauptgeschäftsführer Dr. Bernhard Rohleder. "Viele kleine und mittelständische Unternehmen kann der Mittelabfluss in ihrer Existenz gefährden."
Zudem verschärfe die Hinterlegungspflicht die Rechtsunsicherheit. Ein Gutachten im Auftrag des Bitkom kommt zu dem Ergebnis, dass die Verpflichtung verfassungswidrig ist, da sie elementare Grundrechte der Unternehmen wie die Berufsfreiheit verletze. Rohleder sagte: "Wir werden die Verfassungsmäßigkeit gerichtlich überprüfen lassen, sobald das Gesetz in Kraft tritt."
Die geplante Hinterlegungspflicht ist auf Drängen der Verwertungsgesellschaften in den Koalitionsvertrag der Bundesregierung aufgenommen worden. Ein entsprechender Gesetzentwurf wird voraussichtlich in Kürze vom Justizministerium vorgelegt. "Bei einer Hinterlegung fließt das Geld aus dem Unternehmen bis zur Maximalhöhe der von den Verwertungsgesellschaften aufgestellten Forderungen ab", sagte Rohleder. "Die Unternehmen müssen also auch dann in voller Höhe Mittel bereitstellen, wenn die Forderungen grundsätzlich oder der Höhe nach unberechtigt sind. Den Unternehmen werden damit für mehrere Jahre in Folge Gelder entzogen, bis zu den Forderungen rechtskräftige Entscheidungen vorliegen."
Bisher bilden die Unternehmen für strittige Forderungen der Verwertungsgesellschaften Rückstellungen in realistischer Größenordnung. Nach Berechnungen des Bitkom sind rund 500 Unternehmen mit rund 40.000 Mitarbeitern von der Regelung betroffen. Auch der Bundesverband der Verbraucherzentralen sieht das Instrument kritisch, da es nicht zur Konfliktlösung zwischen den Parteien beiträgt.
Der Verfassungsrechtler Prof. Dr. Christofer Lenz kommt in einem Gutachten zu dem Ergebnis, dass die Hinterlegungspflicht das Grundrecht der Berufsfreiheit verletzt. Gerätehersteller und Importeure müssten früher, unkontrolliert und in überhöhtem Umfang Zahlungen leisten. "Dieser Eingriff kann verfassungsrechtlich nicht gerechtfertigt werden. Es gibt keinen legitimen Zweck. Die Hinterlegungspflicht wäre auch nicht verhältnismäßig", heißt es im Gutachten. Zudem würden die Verwertungsgesellschaften im Fall einer Insolvenz bevorzugt. Das würde "die Schaffung eines Sonderinsolvenzrechts bedeuten und damit andere Gläubiger (z.B. Arbeitnehmer) deutlich benachteiligen". Rohleder: "Die Urheber kommen mit der Hinterlegungspflicht auch nicht schneller an ihr Geld. Besser wäre es, wenn die Gerichte zügiger entscheiden würden." Zudem bestehe die Gefahr, dass die Geräte für den Verbraucher teurer werden, weil zumindest ein Teil der Hinterlegungssumme auf den Kaufpreis aufgeschlagen wird, um die Belastungen zu kompensieren. Aus Sicht des Bitkom besteht das Ziel der Hinterlegungspflicht allein darin, die Wirtschaft unter Druck zu setzen und einseitig die Verhandlungsposition von GEMA, VG Wort etc. zu stärken.
Hintergrund der Gesetzesinitiative ist der seit Jahren andauernde Konflikt zwischen den Verwertungsgesellschaften und den Herstellern bzw. Importeuren der Geräte um die Höhe der Abgaben, der immer wieder zu jahrelangen Rechtsstreitigkeiten führt. "Dabei stellen die Verwertungsgesellschaften regelmäßig Mondforderungen auf, die in keiner Relation zu den Gerätepreisen stehen", sagt Rohleder. So wurde der zunächst einvernehmlich geschlossene Gesamtvertrag zu USB-Sticks und Speicherkarten von den Verwertungsgesellschaften gekündigt und kurze Zeit später eine Forderung in zwanzigfacher Höhe aufgestellt. Nimmt man die gültigen und strittigen Abgaben zusammen, stehen aktuell Forderungen von rund einer Milliarde Euro pro Jahr im Raum. Ein erheblicher Teil davon wird zu Lasten der Privatverbraucher gehen. Betroffen sind neben Computern, Smartphones und Druckern u.a. auch Scanner, Kopierer, MP3-Player, Tablets, externe Festplatten sowie Speichermedien wie USB-Sticks.
Die urheberrechtlichen Abgaben auf Geräte sind nach der gesetzlichen Intention eine Verbraucherabgabe. So dürfen die Nutzer eine bestimmte Anzahl urheberrechtlich geschützter Werke für private Zwecke kopieren (Privatkopie). Hersteller und Importeure sollen die Abgabe auf den Endverbraucherpreis von Geräten und Speichermedien aufschlagen und an die Verwertungsgesellschaften abführen, die diese wiederum an die Urheber ausschütten. Die Abgaben sollen also von den Unternehmen eingepreist und damit letztlich von den Privatverbrauchern gezahlt werden. Rohleder sagte: "Spätestens mit dem Umstieg auf Streaming-Dienste für Musik und Filme oder Flatrates für E-Books haben sich die Geräteabgaben überholt. Notwendig ist ein zeitgemäßes System für die digitale Welt." (Bitkom: ra)
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