Datenverkehr auf Leitungen drosseln


Mogelpackung: Europaparlament beschloss am 27. Oktober 2015 weder Netzneutralität noch das Ende von Roaming
Mit der Zulassung von Zero Rating-Diensten wird ermöglicht, dass bestimmte Internetangebote anderen gegenüber stark bevorzugt werden

(30.11.15) - "Die […] vom Europäischen Parlament verabschiedete Telekommunikations-Verordnung hält weder das Versprechen, die Roaming-Gebühren abzuschaffen, noch bringt sie die dringend nötige Sicherung der Netzneutralität in Europa”, kritisiert Julia Reda, Mitglied des Europäischen Parlaments für die Piratenpartei und Schattenberichterstatterin der Grünen/EFA-Fraktion im Ausschuss für Binnenmarkt und Verbraucherschutz.

"Von der vom Parlament im April beschlossenen Sicherung der Netzneutralität ist nach den Verhandlungen mit Rat und Kommission nicht mehr viel übrig. Der verabschiedete Text, der nun nicht einmal mehr das Wort ‚Netzneutralität‘ erwähnt, lässt viele Hintertüren offen.

Dass Internet Provider jetzt die Möglichkeit bekommen, bestimmten Datenverkehr auf ihren Leitungen zu drosseln und anderen zu bevorzugen, schafft nicht nur ein Zwei-Klassen-Internet, sondern nimmt auch die Anreize, Leitungskapazitäten weiter auszubauen. Mit diesem Gesetzesrahmen wäre das Internet bestenfalls ein zweites Kabelfernsehen geworden und hätte nie den Platz in unserer Kultur und Wirtschaft einnehmen können, den es heute hat", so Reda.

Mit der Zulassung von ‚Zero-rating‘-Diensten wird ermöglicht, dass bestimmte Internetangebote anderen gegenüber stark bevorzugt werden. Die Praxis wird beispielsweise von der Landesmedienanstalt Nordrhein-Westfalen als telekommunikationsrechtlich fragwürdig und für den publizistischen Wettbewerb als problematisch eingestuft. Regelungen in den Niederlanden und Slowenien, die Zero-rating dort verbieten, sind nun hinfällig.

"Das Parlament lässt damit die Appelle der Zivilgesellschaft verhallen, die in den vergangenen Wochen immer lauter geworden waren", kritisiert Reda. Zuletzt hatte sich der WWW-Erfinder Sir Tim Berners-Lee den Rechtswissenschaftlern Barbara van Schewick (Stanford) und Lawrence Lessig (Harvard) angeschlossen und gefordert, die Schlupflöcher in der Verordnung zu schließen.

"Trotz alldem hat sich das Plenum […] mehrheitlich für die Annahme der Verordnung ausgesprochen – möglicherweise, um die in der Europäischen Öffentlichkeit aufmerksam verfolgte ‚Abschaffung der Roaming-Gebühren‘ voranzutreiben. Doch selbst dafür ist die jetzt beschlossene Verordnung nicht zu gebrauchen. So wurde die Abschaffung zunächst an eine umfangreiche Untersuchung der Preise und des Nutzungsverhaltens in Europa gebunden. Und falls die Studie überhaupt bis zum Stichtag am 15. Juni 2017 fertig wird, sind die Roaming-Gebühren trotzdem nicht gänzlich abgeschafft, sondern nur bis zu einer gewissen Obergrenze ausgesetzt. Darüber hinaus bleiben sie weiter bestehen und behindern somit weiter den Abbau der Binnengrenzen Europas", so Reda abschließend. (Piratenpartei: ra)


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