Offener Kampf zwischen IHK und ULD


Thilo Weichert: "Einen Keil zwischen die Wirtschaft und den Datenschutz treibt nicht das ULD, sondern wohl eher eine andere öffentliche Körperschaft im Lande"
Das ULD wolle nicht die Internet-Welt neu ordnen; dies sollten die Parlamente als Gesetzgeber tun


(24.01.12) - Das Unabhängige Landeszentrum für Datenschutz Schleswig-Holstein (ULD) kritisiert mit heftigen Worten die IHK Schleswig-Holstein. So soll auf dem Neujahrsempfang der Industrie- und Handelkammer (IHK) zu Kiel am 12.01.2012 der IHK-Präsident Klaus-Hinrich Vater die Datenschutzaktivitäten des ULD im Fall Facebook thematisiert und Nachfolgendes gesagt haben:

"Beginnen möchte ich … mit dem Landesdatenschutzbeauftragten. Dr. Thilo Weichert führt einen missionarischen Feldzug gegen Facebook und schickt sich an, der Don Quijote des Internet-Zeitalters zu werden. Dazu wollen wir erst einmal gar nichts weiter anmerken. Höchstens die Frage stellen, ob aus dem kleinen Bundesland Schleswig-Holstein nun unbedingt der Kampf gegen einen derartigen Global Player geführt werden muss. Was aber nicht angehen kann, ist die Tatsache, dass Herr Dr. Weichert diesen Kampf auf dem Rücken der schleswig-holsteinischen Unternehmen führt. Diesen erheblichen Wettbewerbsnachteil können und wollen wir nicht akzeptieren.

Stellvertretend für unsere Mitgliedsunternehmen halten wir deshalb den Kopf hin und setzen uns mit Herrn Weichert auseinander. Klar ist, dass Internet-Innovationen zeitgemäße Gesetze benötigen. Aber bitte nicht gleich das Kind mit dem Bade ausschütten und das ganze Internet verbieten. Das sind keine Phantasien von mir, denn der gute Mann hat bereits Google, Amazon und ebay auf seinem Zettel.

An die Politik sei die Frage erlaubt, wieso Herr Weichert über 44 Mitarbeiter verfügt, wie seiner Homepage zu entnehmen ist. Das sind deutlich mehr, als andere Mitgliedsstaaten der Europäischen Gemeinschaft für diese Aufgabe in Gänze abstellen. Soll von unserem kleinen Bundesland aus die Internet-Welt neu geordnet werden?

Wir werden jedenfalls nicht akzeptieren, dass Herr Dr. Weichert einen Keil zwischen die Wirtschaft und den Datenschutz treibt. Der Datenschutz ist für unsere Unternehmen von erheblichem Wert. Dazu gehören jedoch verlässliche Rahmenbedingungen und keine wie auch immer gearteten Alleingänge."

Hierzu nimmt der Leiter des ULD, Dr. Thilo Weichert, Stellung:
"Wenn von einer öffentlich-rechtlichen Körperschaft die Wahrnehmung der gesetzlichen Aufgaben einer anderen öffentlichen Stelle als missionarischer Feldzug wahrgenommen wird, ist das verwunderlich, erst recht, wenn diese Wahrnehmung auf falschen Daten basiert. Das ULD schont die schleswig-holsteinischen Unternehmen bei der Klärung der Frage, dass Fanpages und 'Gefällt mir'-Buttons von Facebook gegen den Datenschutz verstoßen. Dies wurde von uns schon mehrfach dargelegt. Dass sich die IHK dieser Klärung bisher verweigerte, muss nicht als wirtschaftsfreundliches Verhalten interpretiert werden.

Falsch ist, dass es bei mir einen Zettel gäbe, auf dem die Namen 'Google, Amazon und ebay' stehen. Richtig ist, dass sich das ULD intensiv mit Angeboten von Google, u. a. Street View und Analytics, auseinandersetzte und –setzt, und dass dabei gegenüber diesem 'Global Player' von den deutschen Datenschutzbehörden massive Datenschutzverbesserungen durchgesetzt werden konnten. Richtig ist, dass das ULD derzeit knapp 40 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter hat, von denen jedoch nur 25 über den Landeshaushalt finanziert werden. Die übrigen Stellen werden haushaltsneutral vorrangig über das Durchführen von wissenschaftlichen Projekten, über Gutachtenerstellung, über Datenschutzaudits und über die Zertifizierung von Produkten finanziert. Mit 25 haushaltsfinanzierten Stellen befindet sich das ULD im Vergleich zu anderen Datenschutzbehörden in Deutschland im Mittelfeld.

Das ULD will die Internet-Welt nicht neu ordnen; dies sollten die Parlamente als Gesetzgeber tun. Das ULD ist aber für die Beachtung der Datenschutzgesetze durch Stellen in 'unserem kleinen Bundesland' zuständig; diese Aufgabe nehmen wir ernst. Einen Keil zwischen die Wirtschaft und den Datenschutz treibt nicht das ULD, sondern wohl eher eine andere öffentliche Körperschaft im Lande, die damit beiden Seiten keinen guten Dienst erweist. Das ULD betreibt bei seinem Vorgehen zu Social Communities keinen Alleingang, sondern wird von den Datenschutzbehörden bundesweit unterstützt. Herr Vater sollte Schleswig-Holstein nicht kleiner machen als es ist, sondern besser Datenschutz als ein Marktkriterium erkennen, mit dem auf dem Weltmarkt ein großes Geschäft gemacht werden kann – und mit dem zugleich Grundrechte geschützt werden. Vielleicht sollte er sich daran erinnern, wie in den 70er und 80er Jahren die Ökologiebewegung gescholten wurde, und dann betrachten, welche wirtschaftliche Relevanz Umwelttechnologien heute haben."
(ULD: ra)


ULD: Kontakt und Steckbrief

Der Informationsanbieter hat seinen Kontakt leider noch nicht freigeschaltet.


Kostenloser Compliance-Newsletter
Ihr Compliance-Magazin.de-Newsletter hier >>>>>>


Meldungen: Kommentare und Meinungen

  • Hochkompetent, verantwortungsvoll, unabhängig

    Die Deutsche Vereinigung für Datenschutz e.V. (DVD), eine seit über 40 Jahren aktive Bürgerrechtsorganisation, hat mit größtem Befremden zur Kenntnis genommen, dass die Bundesregierung bis heute immer noch keine Verlängerung der Amtszeit des amtierenden Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit (BfDI) Ulrich Kelber in Aussicht gestellt hat.

  • VdK-Präsidentin: "Riester-Rente ist gescheitert"

    Der Bundesgerichtshof (BGH) hat eine Sparkassen-Klausel zu Riester-Abschlusskosten für unwirksam erklärt. Die Bank hatte Sparerinnen und Sparer nicht über alle Kosten des Riester-Vertrags informiert und dann zu Beginn der Auszahlphase einen Nachschlag verlangt.

  • Gesetzliche Verpflichtung zu Barrierefreiheit

    Zur Anhörung zur Antidiskriminierungsstelle des Bundes und dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) erklärt VdK-Präsidentin Verena Bentele: "Gerne erinnere ich das Bundesjustizministerium (BMJ) an den gemeinsamen Plan im Koalitionsvertrag, das Allgemeine Gleichstellungsgesetz umfassend zu novellieren. Hier müssen endlich klare gesetzliche Regelungen geschaffen werden, die privaten Anbieter von Gütern und Dienstleistungen zur Barrierefreiheit verpflichten. Trotz Absichtserklärungen und Ankündigungen hat das für das AGG zuständige Bundesjustizministerium bisher nichts vorgelegt."

  • Gesammelte Kommentare zur US "AI Executive Order"

    Am 30. Oktober 2023 hat US-Präsident Joe Biden die "AI Executive Order" erlassen. Hier sind die wichtigsten Erkenntnisse der Verordnung auf einen Blick.

  • Regulierung von Foundation Models

    Zur Debatte über eine mögliche Verzögerung beim EU AI Act, mit dem die Entwicklung und Anwendung von Künstlicher Intelligenz in Europa reguliert werden soll, erklärt Bitkom-Präsident Dr. Ralf Wintergerst: "Der AI Act ist die wohl wichtigste Entscheidung, die Europäisches Parlament und Kommission derzeit auf der Agenda haben."

Wir verwenden Cookies um unsere Website zu optimieren und Ihnen das bestmögliche Online-Erlebnis zu bieten. Mit dem Klick auf "Alle akzeptieren" erklären Sie sich damit einverstanden. Erweiterte Einstellungen