Handelsabkommen CETA mit Kanada
Transparency Deutschland ruft dazu auf, CETA wie bisher "vorläufig" weiterlaufen zu lassen und unverzüglich Neuverhandlungen für ein zeitgemäßes, zukunftsfähiges Handelsabkommen aufzunehmen
CETA birgt Risiko unverhältnismäßiger Schadenersatzansprüche
Die Deutsche Bundesregierung hat sich laut Medienberichten mit der EU auf Klarstellungen beim Investitionsschutz im Handelsabkommen CETA mit Kanada verständigt. Das Risiko unverhältnismäßiger Schadenersatzansprüche privilegierter Investoren oder einer politischen Lähmung aus Furcht vor kostspieligen Verfahren vor Schiedsgerichten bleibt dennoch erhalten. Denn ob sich die Schiedsgerichte an die Neuinterpretation gebunden sehen, bleibt nach Einschätzung eines juristischen Gutachtens im Auftrag des Umweltinstituts München unklar.
Die Antikorruptionsorganisation Transparency Deutschland fordert daher, dass Deutschland das Handelsabkommen CETA nicht ratifiziert. Denn neben diesen Risiken stellt das Abkommen ein inakzeptables Weiter-so dar: Es fehlen Antikorruptionsklauseln, ein Bekenntnis zu gemeinsamer Geldwäschebekämpfung und die Verpflichtung der Handelsakteure zur Transparenz ihrer Eigentümerverhältnisse. Außerdem lässt das Abkommen jegliche Verbindlichkeit bei der Kohärenz zu anderen Politikbereichen wie etwa Nachhaltigkeit oder Klimaschutz vermissen.
Dazu erklärt Helena Peltonen-Gassmann, stellvertretende Vorsitzende: "Dass Kanada ein geeigneter Partner für ein modernes Handelsabkommen ist, hat es bereits mehrfach bei Abkommen mit anderen Staaten gezeigt. Leider ist es vielmehr die EU, die an vielen Stellen blockiert." Kanada hat in seinen Handelsverträgen sowohl mit zehn transpazifischen Staaten als auch mit den USA und Mexiko Antikorruptionsklauseln unterzeichnet. Die EU hatte solche Klauseln zwar vor der CETA-Unterzeichnung versprochen, hat ihr Versprechen aber nicht eingehalten. "Ein modernes Handelsabkommen darf Investoren und Handelsakteuren Vorteile nur anbieten, wenn sie ihnen auch Pflichten auferlegt", ergänzt Peltonen und führt Verpflichtungen zur Bekämpfung von Korruption und Geldwäsche auf, wie etwa Transparenz der wirtschaftlich berechtigten Eigentümer von Unternehmen und Trusts sowie der Austausch solcher Informationen zwischen den zuständigen Behörden. Dies werde Kanada als FATF-Mitglied nicht überfordern.
Um wirksam zu werden, müssen Regelungen eines solchen Abkommens durchsetzbar sein, fordert Transparency und verweist auf die Resolution des Europäischen Parlaments "Korruption und Menschenrechte" vom 17. Februar 2022. Kanada habe der EU die Durchsetzbarkeit der Arbeitnehmerrechte längst angeboten.
Neue Verhandlungen nötig
Der Handel mit Kanada läuft problemlos. Transparency Deutschland ruft dazu auf, CETA wie bisher "vorläufig" weiterlaufen zu lassen und unverzüglich Neuverhandlungen für ein zeitgemäßes, zukunftsfähiges Handelsabkommen aufzunehmen. Das neue Abkommen muss dazu beitragen, dringliche handelsrelevante Forderungen unserer Zeit durchzusetzen. Dazu gehören die Bekämpfung von Korruption und Geldwäsche, der Schutz der Menschenrechte sowie der Klima- und Umweltschutz. Diesbezügliche Verfehlungen müssten zum Aussetzen oder Verlust der Handelsprivilegien führen, wie national üblich. So könnte aus dem Abkommen das werden, als was es fälschlicherweise schon seit Jahren vermarktet wird: ein Goldstandard, aber ein Goldstandard für internationalen Handel mit Verantwortung.
Damoklesschwert Verfassungsmäßigkeit
Gegen CETA wurden hundertfach Verfassungsbeschwerden eingereicht, über die das BVerfG in der Sache noch nicht entschieden hat. Dazu zählen neben Investor-Staat-Schiedsverfahren auch andere Demokratiedefizite. Sobald der Bundestag ein Ratifizierungsgesetz verabschiedet, ist mit Verfassungsklagen zu rechnen. Dieses Risiko kann Deutschland vermeiden. Kanada hat in seinem Handelsabkommen USMCA mit den USA und Mexico keine Investor-Staat-Schiedsgerichte aufnehmen lassen, weil es souverän über seine Politik entscheiden möchte, ohne das Risiko enormer Schadenersatzzahlungen an große Konzerne. Diese haben in den 2000er Jahren vor allem im Bereich Energie stark zugenommen – das hat Deutschland bereits mehrfach erlebt, derzeit betrifft es Italien.
Carel Carlowitz Mohn, stellvertretender Vorsitzender von Transparency Deutschland, erläutert dies am Beispiel der Klima- und Umweltpolitik: "Wir erleben seit einigen Jahren eine dramatische Zuspitzung und Beschleunigung der Doppelkrise von Klimawandel und Biodiversitätsverlust. Ein Treiber dieser hoch riskanten Gefährdung unserer natürlichen Lebensgrundlagen sind Investitionen in fossile Energieträger wie Öl und Gas. Wir brauchen keine Abkommen, um derartige Investitionen zu schützen oder vor einer Regulierung durch demokratisch legitimierte Regierungen zu bewahren. Ansonsten erhalten finanzstarke Partikularinteressen zulasten des Gemeinwohls ein Instrument, dass gegen demokratisch getroffene und angesichts der historischen Herausforderungen nötige Entscheidungen eingesetzt werden kann."
Hintergrund
Das Verhandlungsmandat für CETA stammt aus dem Jahr 2009. Bereits bei seiner Unterzeichnung im Jahr 2016 war das Abkommen veraltet. Seitdem hat es sich mit jedem Tag weiter von der Realität und den Anforderungen unserer Zeit entfernt. CETA wird zum allergrößten Teil seit 2017 nur "vorläufig" angewendet, da bisher nur 16 der 27 EU-Mitglieder das Abkommen ratifiziert haben. Die Ampel-Koalition hat eine Ratifizierung von CETA vereinbart.
(Transparency: ra)
eingetragen: 20.09.22
Newsletterlauf: 18.10.22
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