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EuGH: Deutsche Telekom AG gegen EU-Kommission


Deutsche Telekom hat ihre beherrschende Stellung auf dem deutschen Binnenmarkt missbräuchlich ausgenutzt
Die Deutsche Telekom klagte beim Gericht erster Instanz auf Nichtigerklärung dieser Entscheidung der EU-Kommission oder zumindest Herabsetzung der verhängten Geldbuße


(19.10.10) - Nun ist es amtlich: Der Europäische Gerichtshof bestätigt in einem Urteil in der Rechtssache C-280/08 P die von der EU-Kommission gegen die Deutsche Telekom wegen Missbrauchs ihrer beherrschenden Stellung auf den Märkten für Festnetz-Telefoniedienste in Deutschland verhängte Geldbuße von 12,6 Mio. Euro. In einer Presseerklärung legte der Europäische Gerichtshof die Beweggründe für das gefällte Urteil und den Sachverhalt dar.

Das Recht der Europäischen Union verbietet die missbräuchliche Ausnutzung einer beherrschenden Stellung auf dem Binnenmarkt oder auf einem wesentlichen Teil desselben durch ein oder mehrere Unternehmen, soweit dies dazu führen kann, den Handel zwischen Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen.

Vor der vollständigen Liberalisierung der Telekommunikationsmärkte in Deutschland am 1. August 1996 verfügte die Deutsche Telekom über ein gesetzliches Monopol bei der Bereitstellung von Telekommunikationsdienstleistungen im Festnetz an Endkunden.
Auf mehrere Beschwerden konkurrierender Unternehmen der Deutsche Telekom hin entschied die Kommission am 21. Mai 20031, dass diese seit 1998 ihre beherrschende Stellung auf den Märkten für den direkten Zugang zu ihrem Telefon-Festnetz missbrauche.

Dieser Missbrauch bestehe darin, dass für den Zugang der Wettbewerber zum Netz (Vorleistungszugangsdienste) Entgelte erhoben worden seien, die höher gewesen seien als die Entgelte, die den Endkunden der Deutsche Telekom in Rechnung gestellt worden seien. Diese Preisgestaltung zwinge die Wettbewerber dazu, ihren Endkunden höhere Entgelte zu berechnen, als die Deutsche Telekom ihren eigenen Endkunden in Rechnung stelle.

Die Kommission verhängte daher gegen die Deutsche Telekom eine Geldbuße in Höhe von 12,6 Mio. Euro.

Die Deutsche Telekom klagte beim Gericht erster Instanz auf Nichtigerklärung dieser Entscheidung der Kommission oder zumindest Herabsetzung der verhängten Geldbuße. Mit Urteil vom 10. April 20082 hat das Gericht die Klage abgewiesen und im Wesentlichen entschieden, dass die Kommission diese Geldbuße zu Recht gegen die Rechtsmittelführerin festgesetzt habe wegen Erhebung unangemessener Entgelte, die aufgrund eines Missverhältnisses zwischen den Zwischenabnehmerentgelten für Vorleistungszugangsdienste und den Endkundenentgelten für Endkundenzugangsdienste zu einer Beschneidung der Margen geführt hätten.

Die Deutsche Telekom hat gegen dieses Urteil des Gerichts beim Gerichtshof Rechtsmittel eingelegt.

In seinem Urteil vom 14. Oktober 2010 gelangt der Gerichtshof nach Prüfung der von der Deutsche Telekom geltend gemachten Rechtsmittelgründe zu dem Ergebnis, dass das Gericht bei der
1) Entscheidung 2003/707/EG der Kommission vom 21. Mai 2003.
2) Urteil des Gerichts vom 10. April 2008, Deutsche Telekom / Kommission (T-271/03), vgl. auch CP 26/08.
Abweisung der von dieser gegen die Entscheidung der Kommission erhobenen Klage keinen Rechtsfehler begangen hat.

Zur Zurechenbarkeit der Zuwiderhandlung befindet der Gerichtshof, dass, auch wenn die Zwischenabnehmerentgelte für Vorleistungszugangsdienste von den nationalen Regulierungsbehörden festgesetzt wurden, das Gericht zu Recht entschieden hat, dass die fragliche Praxis der Margenbeschneidung der Deutsche Telekom zugerechnet werden kann, da sie über ausreichenden Handlungsspielraum zur Änderung ihrer Endkundenentgelte verfügte, obwohl diese einer gewissen Regulierung unterlagen.

Es ist zwar nicht auszuschließen, dass die nationalen Regulierungsbehörden ihrerseits gegen Unionsrecht verstoßen haben, so dass die Kommission deswegen gegen die Bundesrepublik Deutschland hätte Vertragsverletzungsklage erheben können. Doch ist ein solcher Umstand für den Handlungsspielraum der Rechtsmittelführerin zur Änderung ihrer Endkundenentgelte bedeutungslos.

Zur Missbräuchlichkeit der fraglichen Praxis der Margenbeschneidung bestätigt der Gerichtshof, dass diese Praxis zu den nach Unionsrecht verbotenen Fällen des Missbrauchs einer marktbeherrschenden Stellung gehört, ohne dass dargetan werden müsste, dass die Zwischenabnehmerentgelte oder die Endkundenentgelte für sich allein betrachtet missbräuchlich sind.

Dadurch, dass die Deutsche Telekom die Margen ihrer zumindest ebenso effizienten Wettbewerber beschneidet und diese so vom Markt verdrängt, stärkt sie nämlich ihre beherrschende Stellung und schädigt damit die Verbraucher, indem sie deren Wahlmöglichkeiten sowie die Aussicht, dass die Endkundenentgelte für Endkunden-Zugangsdienste auf längere Sicht wegen des Wettbewerbs auf dem Markt sinken, einschränkt.

Zur Methode für den Nachweis einer missbräuchlichen Margenbeschneidung stellt der Gerichtshof fest, dass das Gericht und die Kommission zu Recht das Kriterium des "ebenso effizienten Wettbewerbers" hergezogen haben, das darin besteht, zu prüfen, ob die Preispolitik des Unternehmens in beherrschender Stellung dazu führen kann, einen Wirtschaftsteilnehmer, der ebenso leistungsfähig ist wie dieses Unternehmen, vom Markt zu verdrängen, und bei dieser Prüfung nur auf die Entgelte und Kosten dieses Unternehmens und nicht auf die spezifische Lage seiner Wettbewerber abzustellen.

Mit einem solchen Kriterium lässt sich nämlich nachprüfen, ob die Deutsche Telekom in der Lage gewesen wäre, Endkundendienste anzubieten, ohne dabei Verluste hinnehmen zu müssen, wenn sie vorher ihre eigenen Zwischenabnehmerentgelte für Vorleistungszugangsdienste hätte zahlen müssen. Zudem steht dieses Kriterium mit dem allgemeinen Grundsatz der Rechtssicherheit im Einklang, da es dem marktbeherrschenden Unternehmen, das seine eigenen Kosten und Entgelte kennen muss, erlaubt, die Rechtmäßigkeit seines eigenen Verhaltens zu beurteilen.

In Bezug auf die Wirkungen der fraglichen Verhaltensweise schließlich befindet der Gerichtshof wie das Gericht, dass eine Praxis der Margenbeschneidung den Zugang der Wettbewerber von Deutsche Telekom zu dem betroffenen Markt erschwert haben muss. Der Nachweis einer wettbewerbswidrigen Wirkung ist daher erforderlich. Im vorliegenden Fall hat das Gericht zu Recht solche Wirkungen als nachgewiesen erachtet.

Da die von der Deutsche Telekom angebotenen Vorleistungszugangsdienste für ihre Wettbewerber unerlässlich sind, um in die Märkte für Endkundenzugangsdienste wirksam vordringen zu können, behindert eine Margenbeschneidung grundsätzlich die Entwicklung des Wettbewerbs auf den Märkten für Endkundenzugangsdienste, weil unter diesen Bedingungen ein zumindest ebenso effizienter Wettbewerber wie die Deutsche Telekom auf dem Markt für Endkundenzugangsdienste nicht tätig sein kann, ohne dabei Verluste zu erleiden.

Der Gerichtshof weist folglich das Rechtsmittel zurück und bestätigt die von der Kommission verhängte Geldbuße von 12,6 Mio. Euro.

Hinweis: Eine Nichtigkeitsklage dient dazu, unionsrechtswidrige Handlungen der Unionsorgane für nichtig erklären zu lassen. Sie kann unter bestimmten Voraussetzungen von Mitgliedstaaten, Organen der Union oder Einzelnen beim Gerichtshof oder beim Gericht erhoben werden. Ist die Klage begründet, wird die Handlung für nichtig erklärt. Das betreffende Organ hat eine durch die Nichtigerklärung der Handlung etwa entstehende Regelungslücke zu schließen.
(Europäischer Gerichtshof: ra)

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