Betrug und Korruption im Gesundheitswesen
KKH-Allianz klagt an: Betrüger verursachen fast eine Million Euro Schaden - Abzocker seien dem Gesetz immer einen Schritt voraus
818 Betrugsfälle: Krankengymnasten vor Ärzten und Apothekern
(02.03.10) - Behandlungen, die nicht stattgefunden haben, manipulierte Rezepte, unzulässige Zusammenarbeit zwischen Arzt und Hörgeräteakustiker – die Liste von Betrug und Korruption im Gesundheitswesen ist lang. Allein im vergangenen Jahr hat die KKH-Allianz nach eigenen Angaben 818 neue Fälle aufgedeckt. Insgesamt belief sich der aufgedeckte Schaden im Jahr 2009 auf 913.470 Euro.
Davon konnte die nach eigenen Angaben viertgrößte bundesweite Krankenkasse bereits 500.763 Euro an Geldern zurückholen. Insgesamt entstehen nach Schätzungen durch kriminelles Fehlverhalten jährlich Schäden zwischen sechs und 20 Milliarden Euro. "Es ist richtig für uns und unsere Versicherten, die schwarzen Schafe der Branche zu identifizieren und zu überführen", sagte Ingo Kailuweit, Vorstandschef der KKH-Allianz. "Betrug im Gesundheitssystem darf sich nicht lohnen und wird von uns konsequent verfolgt."
Im Jahr 2009 hat die KKH-Allianz in 228 Fällen und damit am häufigsten gegen ermittelt. In 128 Fällen gingen die Ermittler gegen Ärzte vor. Im Bereich der häuslichen Pflege gab es 81 Fälle zu verzeichnen. Es folgen Apotheker (67 Fälle) und Zahnärzte (37 Fälle).
Die größte Schadenssumme im Jahr 2009 verursachten Betrugsfälle von Apothekern mit 270.000 Euro, gefolgt von unzulässiger Zusammenarbeit zwischen den Leistungserbringern mit 121.000 Euro und stationären Krankenhausfällen mit 92.000 Euro.
Korruption schadet Wettbewerb und Verbrauchern
Insbesondere die unerlaubte Zusammenarbeit zwischen Ärzten und Hilfsmittelanbietern wie Hörgeräteakustikern und Sanitätshäusern ist auch den Wettbewerbshütern ein Dorn im Auge: "Wenn ein Arzt seine Patienten ohne hinreichenden Grund an einen bestimmten Anbieter verweist, verstößt er gegen das Berufsrecht", sagt Peter Brammen, Assessor jur. bei der Wettbewerbszentrale Hamburg. "Ein Arzt darf durch seine Verordnungs- und Empfehlungspraxis keine Zusatzverdienste erzielen."
Ähnlich sieht das die Bundesinnung für Hörgeräteakustiker in Mainz: Dort stößt auf scharfen Widerstand, dass sich HNO-Ärzte an Geschäften von Hörakustikern beteiligen. Damit sei derjenige, der die Verordnung ausstellt, mittelbar oder unmittelbar wirtschaftlich am Hörgeräteverkauf beteiligt. "Wir lehnen solche Geschäftsmodelle wie die HNO-Ärzte-GmbH ethisch, moralisch und juristisch ab", sagt Jakob Stephan Baschab, Hauptgeschäftsführer der Innung. "Die verschiedenen Leistungsbereiche klar voneinander getrennt zu halten, dient dem Wettbewerb und dem Verbraucherschutz."
Betrüger immer einen Schritt voraus
Trotz zahlreicher Bemühungen des Gesetzgebers in den letzten Jahren haben sich Betrug und Korruption im Gesundheitssystem nicht eindämmen lassen. "Die schwarzen Schafe der Branche sind dem Gesetzgeber immer einen Schritt voraus und entwickeln ständig neue Methoden", so KKH-Allianz Vorstand Ingo Kailuweit. "Derzeit beobachten wir verstärkt, dass einzelne Ärzte sich mit einem Trick am Gewinn von Sanitätshäusern oder Hörgeräteakustikern beteiligen und dort gezielt ihre Patienten hinschicken: Dazu gründen sie über ihren Ehepartner oder einen Treuhänder eine GmbH und verschleiern so, dass sie finanziell profitieren."
Diese Form der Zusammenarbeit liegt offenbar nicht nur im Trend, sondern zieht auch immer größere Kreise. "Teilweise bieten Treuhänder Ärzten ihre Dienste zur Gründung einer GmbH systematisch und offensiv an", berichtet Kailuweit.
Fälle 2009 nach Bundesländern
Baden-Württemberg: 78
Bayern: 116
Berlin-Brandenburg: 85
Bremen: 12
Hamburg: 16
Hessen: 55
Mecklenburg-Vorpommern: 33
Niedersachsen: 75
Nordrhein-Westfalen: 146
Rheinland-Pfalz: 48
Saarland: 38
Sachsen: 30
Sachsen-Anhalt: 28
Schleswig-Holstein: 32
Thüringen: 20
(KKH-Allianz: ra)
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