TI: Korruptionswahrnehmungsindex 2007
Transparency Deutschland fordert konzertierte Aktion zur Bekämpfung der Auslandskorruption: Bis zum Bekanntwerden des Siemens-Skandals waren die Anstrengungen deutscher Unternehmen, Auslandsbestechung zu bekämpfen, eher zurückhaltend
Deutschland im Korruptionswahrnehmungsindex 2007 erneut auf Platz 16: Siemens-Korruptionsskandal wird sich auf den nächsten Corruption Perceptions Index auswirken
(27.09.07) - Die Antikorruptionsorganisation Transparency International (TI) hat jetzt in London und Berlin den Korruptionswahrnehmungsindex 2007 (Corruption Perceptions Index) vorgestellt. Die Position von Deutschland bleibt unverändert auf Platz 16. Der Rückgang der Kennziffer von 8.0 auf 7.8 ist zum Teil methodisch bedingt und deshalb nicht signifikant.
Prof. Dr. Hansjörg Elshorst, Vorsitzender von Transparency Deutschland, kommentierte diesen Sachverhalt wie folgt: "Das mag nach dem Siemens - Skandal überraschen, spricht jedoch für die Qualität der Umfragen und Bewertungen, auf denen der Index aufbaut: Gefragt wird dort nach Häufigkeit und Ausmaß von Korruption in Politik und Verwaltung, also auf der 'Nehmerseite' in Deutschland. Das Verhalten deutscher Firmen im Ausland wird im Bribe Payers Index abgebildet, der zuletzt 2006 aktualisiert wurde und die Siemens - Vorgänge zum damaligen Zeitpunkt nicht berücksichtigen konnte."
Bei der internationalen Vorstellung des CPI in London legte Transparency International den Akzent auf die Korruption in Entwicklungs- und Schwellenländern und auf die Mitverantwortung der Industrieländer. Wegen des großen öffentlichen Interesses in Deutschland griff Transparency Deutschland den Aspekt der Auslandsbestechung auf und legte dazu ein Arbeitspapier vor.
Bis zum Bekanntwerden der Ermittlungen gegen Siemens waren die Anstrengungen deutscher Unternehmen, Auslandsbestechung zu vermeiden und zu bekämpfen, eher zurückhaltend. Nur selten kam es zu Strafverfolgungen oder öffentlichen Reaktionen auf Auslandsbestechung. Man hoffte, unentdeckt zu bleiben, und verdrängte die Risiken einer ernsthaften Rufschädigung und gravierender finanzieller Konsequenzen (Bußgeld, Gewinnabschöpfung, Schadensersatz), der strafrechtlichen Verfolgung der Akteure in Deutschland und möglicher Aktivitäten ausländischer Justiz – und Verwaltungsorgane.
Neuerdings gibt es Hinweise auf einen Stimmungswandel. Immer mehr Unternehmen werden sich des größeren Risikos bewusst, entdeckt und verfolgt zu werden. Diskussionen um die Rechtfertigung von Manager-Bezügen und das abnehmende Ansehen des Privatsektors haben den öffentlichen Druck verstärkt. Alles dies hat eine auffällige Zunahme der internen Aktivitäten und des überbetrieblichen Erfahrungsaustauschs zur Prävention von Korruption ausgelöst.
Auch die Regierungskommission für den Deutschen Corporate Governance Kodex hat reagiert. Im Juni 2007 hat sie den Begriff "Compliance" als Aufgabe definiert, "für die Einhaltung der gesetzlichen Bestimmungen und der unternehmensinternen Richtlinien zu sorgen", und sie ausdrücklich in den Pflichtenkatalog von Vorstand und Aufsichtsrat übernommen.
Dr. Peter von Blomberg, stellvertretender Vorsitzender von Transparency Deutschland: "Damit ist endlich klargestellt, dass die Unternehmensleitungen aktiv für den größtmöglichen Schutz gegen Korruption zu sorgen haben. Sie müssen mit Regressforderungen rechnen, wenn sie diese Pflicht vernachlässigen und damit Reputation und Arbeitsplätze der Unternehmen aufs Spiel setzen."
Auch nicht börsennotierte Aktiengesellschaften und die als GmbH geführten Firmen der mittelständischen Wirtschaft werden sich diesem rechtlichen und wirtschaftlichen Handlungsdruck nicht länger entziehen können.
Prävention ist ein essentieller Teil des betrieblichen Risikomanagements. Inhalt und glaubwürdige Durchsetzung von Unternehmensleitsätzen, Verhaltensregeln und Kontrollstrukturen (Compliance) sowie die Vorbildrolle der Leitungsorgane sind die entscheidenden Herausforderungen.
Die Unternehmensleitung darf sich nicht damit begnügen, ein Regelwerk zu entwickeln und seine Befolgung verbal einzufordern. Sie muss es konsequent in das tägliche Geschäft integrieren, die Mitarbeiter schulen, die weltweite Einhaltung laufend überwachen und Verletzungen sanktionieren.
Ausgehend von einem Null-Toleranz-Gebot gegenüber allen verbotenen Formen von Korruption gehören zu einem Compliance-System insbesondere
>> eine Schwachstellenanalyse der korruptionsgefährdeten Geschäftsprozesse,
>> die organisatorische Absicherung der Schwachstellen (4-Augen-Prinzip, Rotation, Aufgabentrennung, Transparenzregeln u.a.),
>> interne und externe Kontrollprozesse,
>> Hinweisgeberschutz (Hotlines, interne Korruptionsbeauftragte, externe Ombudsleute),
>> die konsequente Umsetzung von Sanktionen.
Unternehmen sollten sich nicht länger darauf berufen, Korruption im Ausland sei unvermeidlich und daher gerechtfertigt. Experten bezeugen, dass auch in kritischen Ländern die Chancen gestiegen sind, sich gegen Korruptionsforderungen der Auftraggeber oder gegen korrupte Mitbewerber mit Erfolg zur Wehr zu setzen. Der CPI 2007 zeigt Beispiele für den anspornenden Effekt, den die EU-Erweiterung auf die Korruptionsbekämpfung in Ost- und Südosteuropa ausübt.
Generell belegen die Erfahrungen, dass Unternehmen korruptivem Druck um so eher entgehen können, je eindeutiger sie ihre Null-Toleranz-Politik artikulieren. Allerdings darf auch ein Ausstieg aus einzelnen Geschäften oder Märkten kein Tabu sein, wenn das Problem anders nicht gelöst werden kann.
Insgesamt ist die Wirtschaft gut beraten, die aktuelle Aufbruchstimmung im Umgang mit Auslandsbestechung in eine nachhaltige Entwicklung einmünden zu lassen. Umso glaubwürdiger kann sie von der deutschen Politik die Unterstützung einfordern, die die Regierungen in der Abschlusserklärung der G 8-Konferenz 2007 in Heiligendamm für die Bekämpfung der internationalen Korruption zugesagt haben.
Für die Durchsetzung des Verbots der Auslandsbestechung sind auch in Deutschland Anstrengungen von Politik, Justiz und Verwaltung unverzichtbar. Das seit Ende der 90er Jahre in 34 Ländern rechtswirksam gewordene Verbot hat in Deutschland bisher nur in einer Handvoll Fällen zu Strafverfahren geführt. Auch im neuesten Lagebericht des BKA ist für 2006 nur von sieben polizeilichen Ermittlungsverfahren wegen internationaler Korruptionsverstöße die Rede.
Eine effektivere internationale Zusammenarbeit und größere Anstrengungen der Strafverfolgung sind hier ebenso anzumahnen wie das Bereitstellen der dafür notwendigen Ressourcen.
Sehr wirksam und abschreckend wäre auch der zeitweilige Ausschluss korrupter Unternehmen von zukünftigen Vergabeverfahren, wie ihn Transparency Deutschland durch ein Zentralregister auf Bundesebene und in allen Bundesländern für die Geschäfte mit der deutschen öffentlichen Hand fordert. Auf eine parlamentarische Anfrage hat die Bundesregierung kürzlich bestätigt, die Errichtung eines bundesweiten Korruptionsregisters zu prüfen und dabei die Erfahrungen auf Länderebene zu verwerten.
Hinweis:
Das Arbeitspapier "Auslandsbestechung" sowie alle Unterlagen zum CPI finden Sie auf der Website www.transparency.de .
(Transparency: ra)
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