Banken: Auf Fair-Value-Bilanzierung verzichten?


SdK: Würde man einen Fair-Value-Ansatz auf dessen Staatsschulden anwenden, würde sich das Staatsdefizit in ein Plus verwandeln
Bilanzierungspraxis der Fair Value-Bilanzierung muss überdacht werden


(28.10.11) - Die SdK Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger e.V. sieht in der Fair-Value-Bilanzierung einen destabilisierenden Faktor für die Finanzmärkte und zunehmend intransparente Finanzabschlüsse, die eine vergleichende Bewertung der Unternehmen durch Außenstehende kaum noch zulassen.

Ferner können durch die Anwendung der Fair-Value-Bilanzierung bilanztechnische Erträge generiert werden, die zu einer Erhöhung variabler Vergütungen und Bonuszahlungen an interne Führungsgremien führen können, obwohl diese nicht verdient wurden und die zu einem späteren Zeitpunkt entsprechende Aufwendungen verursachen können. In der aktuellen kritischen Situation ruft die SdK daher vor allem die Banken dazu auf, auf eine Fair-Value-Bilanzierung von Verbindlichkeiten und Vermögenswerten zu verzichten.

Außerdem fordert die SdK von den europäischen Regierungsvertretern, diese Bilanzierungspraxis ganz grundsätzlich zu überdenken und dies gegenüber den USA, dem Verfechter des Fair Value-Ansatzes, entsprechend zu vertreten. Eine erneute Auseinandersetzung um die sog. Fair-Value-Option (FVO) erscheint umso dringlicher, als der weite Anwendungsbereich dieser Option auf praktisch alle marktgehandelten Schuldtitel und Vermögenswerte im Vorfeld der Einführung des Standards IAS 39 umstritten war und anscheinend nur auf Druck der Bankenlobby durchgesetzt wurde. Wie widersinnig diese Bilanzierungsmethode ist, zeigt ein Blick auf Griechenland. Würde man einen Fair-Value-Ansatz auf dessen Staatsschulden anwenden, würde sich das Staatsdefizit in ein Plus verwandeln.

Ausführliche Erläuterung
Das Thema Fair-Value-Bilanzierung erscheint gerade wieder aktuell, da die Rechnungslegungsvorschriften des International Financial Reporting Standard (IFRS) die Bilanzierungsmethode des sog. Fair Value u.a. für bestimmte Arten von Verbindlichkeiten, die an einem Markt gehandelt werden können und somit einen Marktwert aufweisen, erlauben. Namentlich fallen hierunter börsengehandelte Schuldverschreibungen von Unternehmen. Diese Verbindlichkeiten können demnach zum sogenannten Marktwert bilanziert werden. Liegt dieser unter dem Ausgabewert der Schuldverschreibungen, hat die damit verbundene Abschreibung außerordentliche Erträge zur Folge. Vor allem zahlreiche US-Banken haben ausweislich der aktuell vorgelegten Quartalszahlen davon erheblich Gebrauch gemacht, und dadurch trotz eines schwierigen Marktumfelds zufriedenstellende Ergebnisse vermeldet. Bei der Investmentbank JP Morgen beispielsweise sorgte diese Bilanzierungspraxis im dritten Quartal 2011 für einen positiven Ergebnisbeitrag in Höhe von 1,9 Mrd. US-Dollar.

Der erstaunliche Effekt dieser Bilanzierungsmethode liegt darin, dass Unternehmen bilanztechnisch daran verdienen, wenn es ihnen wirtschaftlich schlecht geht und der Markt den möglichen Ausfall der Anleihe mit Kursabschlägen bestraft. Der Effekt ist umso höher, je höher das Ausfallrisiko ist. Ein Unternehmen, das kurz vor der Insolvenz steht, würde demnach gemäß dieser Bilanzierungspraxis den höchst möglichen Ertrag erzielen! Das große Erwachen kommt spätestens dann, wenn die Verbindlichkeit/Anleihe zum Nominalwert vollständig zurückgezahlt werden muss. Denn dann ist die Verbindlichkeit ebenfalls wieder auf den ausstehenden Nominalwert zuzuschreiben, wodurch dann das Ergebnis entsprechend belastet wird.

Auch auf der Seite der Vermögenswerte kann von der Fair-Value-Option Gebrauch gemacht werden. Vor allem in der zurückliegenden Bankenkrise in 2008, als besondere Marktkonstellationen vorlagen, wurde die Fair-Value-Option oft genutzt. Damals konnte für bestimmte von Banken gehaltene Wertpapiere aufgrund eines Marktzusammenbruches kein Marktpreis mehr festgestellt werden, wodurch auch kein für die Rechnungslegung objektivierter Preis mehr vorlag. Den Banken ist es erlaubt, in einem solchen Markumfeld, diese Wertpapiere in andere Kategorien umzugliedern, und anstatt des Marktpreises einen anhand von theoretischen Modellen errechneten Preis für die Rechnungslegung zu verwenden. Welche Bank das mit welchen Papieren und in welchem Ausmaß gemacht hatte, war für den Außenstehenden nicht nachvollziehbar.

Die zulässige Wahlmöglichkeit für die Neubewertung von Vermögenswerten und Finanzverbindlichkeiten führt zu einem Transparenzverlust, da die Unternehmen bzw. deren Abschlüsse nicht mehr miteinander vergleichbar sind, da jedes Unternehmen unterschiedlich stark von der Fair-Value-Bilanzierung Gebrauch machen kann.

Der Öffentlichkeit kaum vermittelbar dürfte es sein, wenn durch die Verwendung des Fair-Value- Prinzips die erfolgsabhängige Vergütung und Bonuszahlungen der Bankangestellten erhöht würden. Genau diesen Effekt würde aber die Fair-Value-Bilanzierung erwirken können.

Um diese Bilanzierungsmethode ad absurdum zu führen, braucht man sich nur das Beispiel Griechenland näher anzusehen. Angenommen Griechenland dürfte seine emittierten Schuldtitel zum Fair-Value bilanzieren, die derzeit im Schnitt mit ca. 58 % Abschlag zum Nominalwert gehandelt werden, würde sich in einer beispielhaften Ergebnisrechnung das Staatsdefizit Griechenlands in ein starkes Plus verwandeln. Das jedoch Griechenland weiterhin auch vor Zins- und Tilgungsleistungen mehr ausgibt als es einnimmt, und auch weiterhin die Zinsen zahlen und Tilgungen leisten muss, bleibt völlig außen vor. Erstaunlich nur, dass noch kein findiger Politiker auf diese Idee gekommen ist. (Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger, SdK: ra)

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