Tarifstrukturzuschlag kontra Tarifwechselrecht
BaFin lässt "Tarifstrukturzuschlag" in der privaten Krankenversicherung höchstrichterlich prüfen
VG-Urteil höhle das Tarifwechselrecht des Versicherungsvertragsgesetzes faktisch aus
(08.09.09) - Die BaFin (Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht) will im Interesse der Versicherungsnehmer höchstrichterlich prüfen lassen, ob private Krankenversicherer von Tarifwechslern tatsächlich höhere Beiträge als von Neukunden verlangen dürfen. Das teilte die Behörde letzte Woche mit. Sie habe darum gegen ein entsprechendes Urteil Revision eingelegt, welches das Verwaltungsgericht (VG) Frankfurt/Main im Juli zu Gunsten eines privaten Krankenversicherungsunternehmens gefällt hat. Die Entscheidung liege nun beim Bundesverwaltungsgericht in Leipzig.
Würde die Entscheidung der ersten Instanz rechtkräftig, ist nach Auffassung der BaFin zu befürchten, dass auf ältere Versicherungsnehmer in den Alttarifen erhebliche höhere Beiträge zukommen. Außerdem höhle das Urteil das Tarifwechselrecht des Versicherungsvertragsgesetzes faktisch aus: Älteren Versicherungsnehmern würde der Anreiz zu einem Tarifwechsel genommen, da sie mit einem Wechsel keine Beiträge mehr sparten. Auch widerspräche es dem aufsichtsrechtlichen Grundsatz der Gleichbehandlung, wenn Bestandskunden, die auch in dem neuen Tarif ein bestes Risiko wären, nach dem Tarifwechsel einen höheren Beitrag zahlen müssten, als die besten Risiken im Neugeschäft.
Der Hintergrund:
Ein Krankenversicherungsunternehmen hatte 2007 eine neue Tarifserie auf den Markt gebracht und die alten Tarife für das Neugeschäft geschlossen. Von Versicherten, die aus den Alttarifen in die neue Tarifserie wechseln wollen, verlangt der Versicherer einen "Tarifstrukturzuschlag". Dieser solle, so der Versicherer, die Differenz im Beitrag ausgleichen, die sich aus den unterschiedlichen Kalkulationsansätzen und aus der strengeren Risikoprüfung in den neuen Tarifen ergebe.
Die BaFin hatte dem Versicherer untersagt, den Zuschlag von Versicherten zu verlangen, bei denen bei Vertragsschluss keine Vorerkrankungen vorlagen, für die in den neuen Tarifen Risikozuschläge zu zahlen wären. Gegen das Verbot hatte das Unternehmen vor dem VG Frankfurt geklagt. Der Klage hatte das Gericht stattgegeben und ausgeführt, der Tarifstrukturzuschlag beeinträchtige das Tarifwechselrecht nicht, da die Versicherten nach dem Wechsel nicht schlechter gestellt seien als zuvor. Auch der Gleichbehandlungsgrundsatz würde nicht verletzt, weil Altkunden unter anderen Voraussetzungen versichert worden seien als die Neuversicherten. (BaFin: ra)
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