European Compliance & Ethics Conference


"Whistleblowing Report 2021": Nur jedes siebte deutsche Unternehmen erfüllt bereits alle Anforderungen der EU-Whistleblower-Richtlinie
Unternehmen sollten anonyme Meldungen zulassen, ansonsten laufen sie Gefahr, dass wichtige Hinweise auf Rechtsverstöße sie nicht oder nur verspätet erreichen




Die Inhalte der EU-Richtlinie zum Schutz von Hinweisgebenden erfahren bei den europäischen Compliance-Verantwortlichen große Zustimmung, dennoch erfüllt bisher nur jedes siebte Unternehmen in Deutschland alle Anforderungen der neuen Regulierung, die am 17. Dezember 2021 in Kraft tritt. Das geht aus dem "Whistleblowing Report 2021", der im Rahmen der "European Compliance & Ethics Conference" vorgestellt wurde, hervor. Für die internationale Studie, welche die Fachhochschule Graubünden in Kooperation mit der EQS Group erstellt hat, wurden 1.239 Unternehmen in Deutschland, Frankreich, Großbritannien und der Schweiz befragt.

"Wenige Monate vor dem Inkrafttreten der Richtlinie sind viele Unternehmen noch nicht ausreichend vorbereitet. Die Unternehmen sollten nun die verbleibende Zeit nutzen, um ein effizientes Meldesystem einzuführen, das ihre Prozesse und Kultur stärkt", erklärt Professor Dr. Christian Hauser von der Fachhochschule Graubünden, der als Projektleiter verantwortlich für die Erstellung des Reports war.

Mehr als ein Drittel der Unternehmen von Missständen betroffen
Bisher verfügen 73,9 Prozent der Unternehmen in Deutschland mit mehr als 249 Mitarbeitenden über eine Meldestelle als Instrument zur Prävention und Aufdeckung von Missständen und erfüllen damit eine der zentralen Anforderungen der EU-Whistleblower-Richtlinie. Bei den kleinen und mittleren Unternehmen (20 bis 249 Mitarbeitende) liegt der Anteil dagegen erst bei 43,7 Prozent, allerdings fallen die meisten von diesen (ab 50 Mitarbeitende) auch erst in zwei Jahren unter die Richtlinie. Die kleineren Unternehmen mit 20 bis 49 Mitarbeitenden sind davon gar nicht betroffen.

Wie wichtig ein funktionierendes Meldesystem ist, zeigt die Tatsache, dass 37,1 Prozent der Unternehmen in Deutschland im Jahr 2020 von illegalem und unethischem Verhalten betroffen waren, das sind mehr als in Großbritannien (35,8 Prozent), Frankreich (32,8 Prozent) und der Schweiz (32,5 Prozent). Den finanziellen Schaden durch die Missstände beziffert gut ein Viertel der betroffenen deutschen Unternehmen mit mehr als 100.000 Euro. Erfreulich dabei war jedoch, dass mithilfe der Meldestelle fast 40 Prozent der befragten deutschen Unternehmen über 80 Prozent des finanziellen Gesamtschadens aufdecken konnten.

Corona-bedingte Entlassungen erhöhen Wahrscheinlichkeit von Missständen
Der Report untersucht außerdem die Auswirkungen der Corona-Pandemie auf die Meldebereitschaft. Im vergangenen Jahr erhielten die europäischen Unternehmen mit Meldestelle im Schnitt 34 Hinweise, was einen deutlichen Rückgang gegenüber dem Jahr 2018 (52) bedeutet. Basierend auf den Befunden anderer Studien lässt sich hier ableiten, dass die Pandemie zu gewissen Dysfunktionalitäten von Prozessen und Strukturen geführt hat, die auch die Meldestellen betreffen. Unternehmen, bei denen es Corona-bedingt zu einem Mitarbeiterabbau kam oder in denen ein Großteil der Mitarbeitenden im Homeoffice (> 66 Prozent) gearbeitet hat, verzeichneten hingegen mehr Meldungen als andere Unternehmen. Allerdings war bei diesen auch die Wahrscheinlichkeit höher, von Missständen betroffen zu sein.

Missbräuchliche Hinweise sind die Ausnahme
Die Studie widerlegt auch noch einmal eindrucksvoll den häufig geäußerten Vorbehalt, dass Meldestellen vermehrt missbräuchlich genutzt werden könnten. In Deutschland hatte jedoch nur jede zehnte Meldung nicht wahrheitsgemäße oder verleumderische Inhalte. Dieser Wert lag auch bei den Unternehmen nicht höher, die anonyme Hinweise erlauben.

"Unternehmen sollten deshalb anonyme Meldungen zulassen, ansonsten laufen sie Gefahr, dass wichtige Hinweise auf Rechtsverstöße sie nicht oder nur verspätet erreichen", erklärt Marcus Sultzer, Mitglied des Vorstands der EQS Group. In Deutschland können bereits bei 73,2 Prozent der Meldestellen Hinweise ohne Angaben zur Identität eingereicht werden. In der Schweiz (57,1 Prozent), Großbritannien (55,3 Prozent) und Frankreich (48,8 Prozent) sind es deutlich weniger. (EQS Group: ra)

eingetragen: 14.10.21
Newsletterlauf: 12.01.22

EQS Group: Kontakt und Steckbrief

Der Informationsanbieter hat seinen Kontakt leider noch nicht freigeschaltet.


Kostenloser Compliance-Newsletter
Ihr Compliance-Magazin.de-Newsletter hier >>>>>>


Meldungen: Markt / Unternehmen

  • Gefährliche Lücken in der Finanzbildung

    Die Finanzwelt ist für viele Deutsche wie ein Minenfeld, das man besser meidet. Eine repräsentative Bevölkerungsumfrage des Bankenverbands zeigt, dass sich ein Großteil der Befragten nicht ausreichend mit ihren Finanzen beschäftigt und wichtige Begriffe nicht versteht.

  • Motivation und Bindung der Beschäftigten

    Startups in Deutschland beteiligen ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter verstärkt am Unternehmen. Aktuell geben 44 Prozent an, Beschäftigte am Startup zu beteiligen, vor einem Jahr waren es noch 38 Prozent. Weitere 42 Prozent können sich eine Mitarbeiterbeteiligung in der Zukunft vorstellen. Nur 6 Prozent der Startups setzen nicht auf Mitarbeiterbeteiligung und schließen das auch für die Zukunft aus.

  • Angriffe auf deutsche Wirtschaft nehmen zu

    Deutsche Unternehmen rücken verstärkt in den Fokus von Angreifern aus dem In- und Ausland. In den vergangenen zwölf Monaten waren 81 Prozent aller Unternehmen vom Diebstahl von Daten und IT-Geräten sowie von digitaler und analoger Industriespionage oder Sabotage betroffen.

  • Lobby- und Transparenzregeln

    Anlässlich der Veröffentlichung des Lobbyrankings 2024 wirft Transparency International Deutschland e.V. einen vergleichenden Blick auf die Regeln für eine integre und transparente Politik in den Bundesländern und im Bund.

  • KI-Skepsis vorherrschend

    Nur 3 Prozent der Unternehmen im DACH-Raum beschreiben sich als fortgeschritten bei der Einführung generativer KI (GenAI). Das zeigt eine aktuelle Lünendonk-Studie. Trotz hohem Potenzial und zahlreichen Anwendungsfeldern ist die Skepsis gegenüber der neuen Technologie bei Anwendern wie Entscheidern hoch. Unsicherheit und die Angst vor Schatten-KI hemmen die Einführung. Gleichzeitig erhofft sich jedes zweite Unternehmen durch GenAI Hilfe bei der digitalen Transformation.

Wir verwenden Cookies um unsere Website zu optimieren und Ihnen das bestmögliche Online-Erlebnis zu bieten. Mit dem Klick auf "Alle akzeptieren" erklären Sie sich damit einverstanden. Erweiterte Einstellungen