Korruptionsrisiken in staatlichen Institutionen
Government Defence Integrity Index: Korruptionsbekämpfung bei Auslandseinsätzen ist Achillesferse des deutschen Verteidigungssektors
Auch bei unzureichender Lobby-Regulierung und fehlendem Hinweisgeberschutz muss Deutschland nachbessern
Transparency International hat den "Government Defence Integrity Index" (GDI) 2020 veröffentlicht. Der Index ist die einzige globale Bewertung der Korruptionsrisiken in staatlichen Institutionen des Verteidigungssektors, insbesondere Verteidigungsministerien. Der GDI umfasst 86 Länder und bewertet das Vorhandensein, die Wirksamkeit und die Durchsetzung institutioneller Kontrollen in fünf zentralen Korruptionsrisikobereichen: Finanzen, militärischer Einsatz, Personal, Politik und Beschaffung.
Die globalen Ergebnisse weisen länderübergreifend auf ein hohes bis kritisches Korruptionsrisiko im Verteidigungssektor hin. 62 Prozent der untersuchten Länder erreichen eine Gesamtbewertung von weniger als der Hälfte der möglichen Punkte. Spitzenreiter ist Neuseeland mit einer Gesamtbewertung von 85/100 und Schlusslicht der kürzlich von einem Militärputsch betroffene Sudan mit einer Gesamtbewertung von 5/100. Beinahe alle Länder schneiden bei der Korruptionsbekämpfung bei internationalen militärischen Einsätzen schlecht ab. In diesem Bereich liegt die Durchschnittsbewertung bei 16/100, da die meisten Länder Korruptionsbekämpfung in der Planung ihrer Auslandseinsätze nicht oder kaum berücksichtigen. Besonders besorgniserregend ist, dass gerade Länder, die wie die USA (18/100) oder Frankreich (10/100) internationale militärische Interventionen leiten, in diesem Bereich schlecht abschneiden.
Zur Situation in Deutschland
Deutschland schneidet mit einer Gesamtbewertung von 70/100 im internationalen und europäischen Vergleich gut ab und steht zusammen mit Taiwan auf Platz 6.
Dazu sagte Peter Conze, Senior Advisor on Defence and Security Policy: "Deutschlands Governance-Standards zur Verringerung des Korruptionsrisikos im Verteidigungssektor sind weitgehend effektiv, weisen aber einige Lücken auf. Das Korruptionsrisiko in den Bereichen Finanzen und Personal ist dank hoher Transparenz gering und die Aufsichtsinstitutionen, einschließlich Parlament und Rechnungsprüfungsorganen, sind mit wenigen Ausnahmen wirksam. Die Achillesferse des deutschen Verteidigungssektors sind allerdings unzureichende Vorkehrungen zur Korruptionsbekämpfung bei Auslandseinsätzen. Zahlreiche Beispiele aus der jüngsten Vergangenheit haben gezeigt, dass gerade die grassierende Korruption zum Scheitern von internationalen militärischen Einsätzen beitragen kann und damit verheerende Konsequenzen auf Frieden und Stabilität hat."
Deutschland hat sich in den letzten Jahren an zahlreichen Missionen der NATO, UN und EU beteiligt. Diese Missionen finden oft in Ländern statt, in denen Korruption gedeiht. Trotzdem bleiben Maßnahmen zur Korruptionsbekämpfung in der deutschen Planung und Durchführung von Militäroperationen weiterhin lückenhaft. Auf strategischer Ebene fehlt Deutschland eine Verteidigungsdoktrin, die Korruption bei militärischen Einsätzen thematisiert, insbesondere wie deren Gefahren und Auswirkungen eingedämmt werden sollen. Zudem werden keine Schulungen zur Korruptionsprävention vor dem Einsatz durchgeführt. Schließlich sind Berichte über das Korruptionsgeschehen bei Auslandseinsätzen nicht frei verfügbar, wodurch nicht festgestellt werden kann, in welchem Umfang dessen Überwachung und die Analyse der Korruptionsrisiken in der Praxis geschieht.
Exekutiver Fußabdruck und Hinweisgeberschutz fehlen
Das Grundgesetz gewährleistet eine starke parlamentarische Aufsicht der Streitkräfte, insbesondere durch den Verteidigungsausschuss. Jedoch ist die Wirksamkeit und Unabhängigkeit der parlamentarischen Aufsicht aufgrund unzureichender Regulierung von Lobbyismus und Interessenkonflikten gefährdet. Selbst nach Inkrafttreten des Lobbyregistergesetzes am 1. Januar 2022 wird in Deutschland weiterhin der exekutive und legislative Fußabdruck fehlen, der konkrete Einflüsse auf die Gesetzgebung offenlegt. Das ermöglicht, weiterhin nahezu unreglementiert Einfluss auf die Politikgestaltung und die Beschaffung zu nehmen. Außerdem müssen die Regelungen zu Nebentätigkeiten und möglichen Interessenkonflikten von Bundestagsabgeordneten weiter verschärft werden.
Auch die fehlende Gesetzgebung zum Hinweisgeberschutz untergräbt die Bemühungen zur Korruptionsbekämpfung. Hinweisgeber sind oft die einzigen Personen, die illegale und illegitime Machenschaften aufdecken können – oft unter Inkaufnahme erheblicher persönlicher Risiken. Aus diesem Grund ist eine zeitnahe Umsetzung der EU-Whistleblower-Richtlinie in einer über EU-Recht hinausgehenden gesetzlichen Regelung erforderlich.
Über den GDI
Der GDI ist eine globale Bewertung der Governance und der Korruptionsrisiken im Verteidigungssektor. Der GDI war zuvor als "Government Defence Anti-Corruption Index" (GI) bekannt. Für die Version 2020 wurde der Index umfassend aktualisiert. Änderungen an der Methodik und der dem Projekt zugrunde liegenden Bewertung wurden vorgenommen. Deshalb können die Gesamtergebnisse der Länder für das Jahr 2020 nicht genau mit den Ergebnissen der früheren Jahre verglichen werden.
Die Untersuchungen für jedes Land werden von einer sachverständigen Person anhand eines standardisierten Fragenkatalogs und einer Bewertungsskala durchgeführt. Die Bewertung wird von mindestens zwei Expertinnen und Experten sowie, wenn möglich, dem jeweiligen nationalen Chapter von Transparency International unabhängig überprüft. Außerdem haben auch die jeweiligen Regierungen vorab die Möglichkeit, eine Überprüfung der Bewertung vorzunehmen und zusätzliche Informationen zu übermitteln.
(Transparency: ra)
eingetragen: 18.11.21
Newsletterlauf: 18.01.22
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