Durchsetzung der Fusionskontrollvorschriften
Fusionskontrolle: Kommission gibt Evaluierungsergebnisse und Folgemaßnahmen zu Zuständigkeits- und Verfahrensaspekten im Bereich der EU-Fusionskontrolle bekannt
Ziel der Evaluierung war es zu untersuchen, ob bestimmte Aspekte der EU-Fusionskontrollvorschriften angesichts der Veränderungen der Marktbedingungen weiterhin ihren Zweck erfüllen
Die Europäische Kommission hat eine Arbeitsunterlage der Kommissionsdienststellen veröffentlicht, in der die Ergebnisse der Bewertung von Verfahrens- und Zuständigkeitsaspekten der EU-Fusionskontrolle zusammengefasst sind. In Anbetracht der Ergebnisse der Evaluierung hat die Kommission beschlossen, eine Mitteilung mit Erläuterungen zu Verweisungen zwischen den Mitgliedstaaten und der Kommission nach Artikel 22 der Fusionskontrollverordnung anzunehmen und eine Folgenabschätzung zu Maßnahmen für eine weitere Fokussierung und Vereinfachung der Fusionskontrollverfahren einzuleiten.
Die für Wettbewerbspolitik zuständige Exekutiv-Vizepräsidentin der Kommission Margrethe Vestager erklärte dazu: "Die EU-Fusionskontrollverfahren haben sich bislang als sehr nützlich erwiesen. Im Rahmen der Evaluierung wurde jedoch festgestellt, dass es in einigen Bereichen Verbesserungspotenzial gibt. Eine Reihe von Vorhaben, an denen Unternehmen mit geringem Umsatz, aber hohem Wettbewerbspotenzial im Binnenmarkt beteiligt sind, werden weder von der Kommission noch von den Mitgliedstaaten geprüft. Wenn das bestehende Instrument der Verweisung nach Artikel 22 der Fusionskontrollverordnung häufiger genutzt wird, können wir zuverlässiger diejenigen Zusammenschlüsse aufgreifen, die erhebliche Auswirkungen auf den Wettbewerb im Binnenmarkt haben können. Parallel dazu prüfen wir auch, ob eine Überarbeitung bestimmter verfahrensrechtlicher Aspekte der EU-Fusionskontrolle angezeigt ist. Zu diesem Zweck holen wir Stellungnahmen der Interessenträger zu den Maßnahmen ein, mit denen die EU-Fusionskontrollverfahren zielgerichteter gestaltet und vereinfacht werden können."
Ergebnisse der Evaluierung von Verfahrens- und Zuständigkeitsaspekten der EU-Fusionskontrolle
Ziel der Evaluierung war es zu untersuchen, ob bestimmte Aspekte der EU-Fusionskontrollvorschriften angesichts der Veränderungen der Marktbedingungen weiterhin ihren Zweck erfüllen. Im Mittelpunkt der Evaluierung standen vor allem zwei Fragen:
>> Wurden anhand der umsatzbasierten Schwellenwerte diejenigen Zusammenschlüsse, die erhebliche Auswirkungen auf den Wettbewerb im Binnenmarkt haben können, zuverlässig erfasst?
>> Wie wirksam waren die 2013 eingeführten Vereinfachungsmaßnahmen?
Um die für die Evaluierung benötigten Informationen zusammenzutragen, führte die Kommission eine öffentliche Konsultation sowie zahlreiche Treffen mit Interessenträgern durch, untersuchte Zusammenschlüsse in vielen Bereichen und analysierte ihre eigene Durchsetzungspraxis. Außerdem zog sie Erkenntnisse aus Maßnahmen heran, in deren Rahmen die Auswirkungen der Digitalisierung auf die Wettbewerbspolitik untersucht wurden, und verfolgte mit großer Aufmerksamkeit die Einführung und Anwendung zusätzlicher auf dem Transaktionswert beruhender Aufgreifschwellen in einigen Mitgliedstaaten.
In Bezug auf die Aufgreifschwellen ergab die Evaluierung, dass die wichtigen Zusammenschlüsse im EU-Binnenmarkt durch die umsatzbasierten Aufgreifschwellen der EU-Fusionskontrollverordnung, ergänzt durch die Verweisungsmechanismen, generell wirksam erfasst werden. In den vergangenen Jahren haben die Marktentwicklungen jedoch zu einer allmählichen Zunahme der Zusammenschlüsse geführt, an denen Unternehmen beteiligt sind, die auf den betreffenden Märkten eine bedeutende Rolle im Wettbewerb spielen oder künftig spielen könnten, obwohl sie zum Zeitpunkt des Zusammenschlusses allenfalls geringe Umsätze erzielen. Daher wurden einige Vorhaben, die Auswirkungen auf den Wettbewerb im Binnenmarkt haben könnten, weder von der Kommission noch von einem Mitgliedstaat geprüft. Dies gilt insbesondere für Zusammenschlüsse unter Beteiligung neuer Wettbewerber oder innovativer Unternehmen, die z. B. in den Bereichen Digitales, Arzneimittel, Biotechnologie oder in bestimmten Industriezweigen tätig sind.
Der Transaktionswert lässt zwar gewisse Rückschlüsse zu, korreliert aber nicht zwangsläufig in hinreichendem Maße mit der möglichen Bedeutung des Vorhabens für den Wettbewerb. Wenn die Verweisung von Zusammenschlüssen nach Artikel 22 der Fusionskontrollverordnung in stärkerem Maße gefördert und akzeptiert würde – insbesondere in Fällen, in denen die nationalen Schwellenwerte für die Kontrolle von Unternehmenszusammenschlüssen nicht erreicht sind – könnten die Mitgliedstaaten und die Kommission sich bei der Fusionskontrolle stärker auf diejenigen Zusammenschlüsse konzentrieren, die auf EU-Ebene geprüft werden müssen, während Zusammenschlüsse, bei denen das nicht der Fall ist, nicht angemeldet werden müssten.
Was die angestrebte Vereinfachung betrifft, so ergab die Evaluierung, dass das 2013 erlassene Vereinfachungspaket dazu geführt hat, dass mehr unproblematische Zusammenschlüsse nach dem vereinfachten Verfahren geprüft wurden, sodass sowohl für die Unternehmen als auch für die Kommission der Verwaltungsaufwand (Zeit und Ressourcen) zurückging. Gleichzeitig stellte es die wirksame Durchsetzung der Fusionskontrollvorschriften sicher. Es gibt aber nach wie vor Spielraum für eine weitere Vereinfachung und Fokussierung der Vorschriften.
Die Ergebnisse der Evaluierung von Verfahrens- und Zuständigkeitsaspekten der EU-Fusionskontrolle sind in der Arbeitsunterlage der Kommissionsdienststellen zusammengefasst.
Leitfaden zu Artikel 22 der Fusionskontrollverordnung
In Anbetracht der Erkenntnisse der Evaluierung beabsichtigt die Kommission, unter bestimmten Umständen die Verweisung von Zusammenschlussvorhaben, die ursprünglich nicht in die Zuständigkeit des verweisenden Mitgliedstaats fallen, zu fördern und anzunehmen, wenn die Kriterien des Artikels 22 erfüllt sind.
Mit dem angenommenen Leitfaden zu Artikel 22 will die Kommission ihren diesbezüglichen Standpunkt näher ausführen und voranbringen sowie die Erläuterungen aus der Mitteilung der Kommission über die Verweisung von Fusionssachen ergänzen.
In dem Leitfaden zu Artikel 22 wird dargelegt, welche Kategorien von Vorhaben, die nach den Rechtsvorschriften des bzw. der verweisenden Mitgliedstaaten nicht anmeldepflichtig sind, für eine Verweisung in Betracht kommen. Außerdem wird erläutert, welche Kriterien die Kommission heranziehen kann, wenn sie im eigenen Ermessen über einen Verweisungsantrag entscheidet.
Grundsätzlich kommen insbesondere diejenigen Vorhaben für eine solche Verweisung in Betracht, bei denen der Umsatz mindestens eines der betroffenen Unternehmen nicht dessen tatsächliches oder künftiges Wettbewerbspotenzial widerspiegelt. Dies kann beispielsweise dann der Fall sein, wenn es sich bei einem der Unternehmen um ein Start-up oder ein erst kürzlich in den Markt eingetretenes Unternehmen mit beträchtlichem Wettbewerbspotenzial, einen wichtigen Innovator, eine (potenziell) wichtige Wettbewerbskraft oder um ein Unternehmen handelt, das Zugang zu wettbewerbsrelevanten Vermögenswerten hat oder Waren oder Dienstleistungen anbietet, die als Input/Komponenten für andere Wirtschaftszweige wichtig sind.
Folgenabschätzung zur Überarbeitung der Verfahrensvorschriften
Die Kommission muss ihre Ressourcen auf die wirklich relevanten Fälle konzentrieren und den Verwaltungsaufwand soweit wie möglich verringern, ohne Abstriche bei der wirksamen Durchsetzung zu machen. Angesichts dieser Vorgaben sowie der Ergebnisse der Evaluierung hat die Kommission auch eine Folgenabschätzung zur Überarbeitung bestimmter Verfahrensaspekte der EU-Fusionskontrolle eingeleitet.
Im Rahmen der Initiative soll untersucht werden, welche Maßnahmen am besten geeignet sind, um die Verfahren im Zuge einer Überarbeitung der Durchführungsverordnung zur Fusionskontrollverordnung und der Mitteilung über ein vereinfachtes Verfahren stärker zu fokussieren und weiter zu vereinfachen.
Ziel ist es,
>> weitere Arten von Vorhaben zu ermitteln, die aller Wahrscheinlichkeit nach wettbewerbsrechtlich unbedenklich sind und daher im Rahmen des vereinfachten Verfahrens geprüft werden könnten (da die Anmeldepflicht unabhängig davon besteht, inwieweit damit zu rechnen ist, dass der Zusammenschluss Anlass zu Wettbewerbsbedenken gibt);
>> durch geeignete Vorkehrungen sicherzustellen, dass Vorhaben, die eingehender geprüft werden sollten, nicht unter das vereinfachte Verfahren fallen;
>> für eine wirksame, effiziente und verhältnismäßige Informationsbeschaffung zu sorgen;
>> zu eruieren, wie die Beschlussverfahren bei unproblematischen Fällen verkürzt werden können, und
>> die Anmeldung von Zusammenschlüssen zu vereinfachen, unter anderem durch ein elektronisches Anmeldeverfahren.
Im Rahmen der Folgenabschätzungen soll analysiert werden, ob eine Regulierungslücke besteht, die durch eine Maßnahme auf EU-Ebene geschlossen werden sollte, und mit welchen Maßnahmen und Instrumenten eine solche Lücke geschlossen werden könnte. Als ersten Schritt in diesem Prozess hat die Kommission eine öffentliche Konsultation eingeleitet, um weitere Informationen und Stellungnahmen von Interessenträgern einzuholen. Alle Interessenträger werden gebeten, ihre Stellungnahmen bis zum 18. Juni 2021 über die Website der Kommission für öffentliche Konsultationen zu übermitteln.
Hintergrund
Die EU-Fusionskontrolle soll sicherstellen, dass erhebliche Strukturveränderungen bei den Unternehmen den Wettbewerb im Binnenmarkt nicht dauerhaft beeinträchtigen. Mit Blick auf dieses Ziel wird der Kommission durch die Fusionskontrollverordnung die ausschließliche Zuständigkeit für die Prüfung von Zusammenschlüssen zuerkannt, die den wirksamen Wettbewerb im Binnenmarkt oder einem wesentlichen Teil desselben erheblich beeinträchtigen könnten.
Der Anwendungsbereich der EU-Fusionskontrolle wird anhand von Umsatzschwellenwerten eingegrenzt. Wenn der Umsatz der beteiligten Unternehmen weltweit, in der EU und auf mitgliedstaatlicher Ebene bestimmte Schwellenwerte übersteigt, müssen diese Unternehmen ihren Zusammenschluss bei der Kommission anmelden und dürfen ihn erst durchführen, wenn sie die Genehmigung erhalten haben. Die Prüfung von nicht unter die EU-Fusionskontrolle fallenden Zusammenschlüssen kann gleichwohl in die Zuständigkeit eines oder mehrerer Mitgliedstaaten fallen. Um sicherzustellen, dass die Prüfung von der im konkreten Fall am besten geeigneten Behörde durchgeführt wird, sind nach dem Verweisungssystem der Fusionskontrollverordnung Verweisungen von der Kommission an die Mitgliedstaaten und umgekehrt möglich.
Nach Artikel 22 der Fusionskontrollverordnung können Mitgliedstaaten beantragen, dass die Kommission Zusammenschlüsse prüft, die keine unionsweite Bedeutung haben, aber den Handel zwischen Mitgliedstaaten beeinträchtigen und den Wettbewerb im Hoheitsgebiet des bzw. der Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen drohen, die die Verweisung beantragen – unabhängig davon, ob ein solcher Zusammenschluss nach den nationalen Fusionskontrollvorschriften des verweisenden Mitgliedstaats anmeldepflichtig ist. Die Kommission hat in der Vergangenheit von ihrem Ermessen nach Artikel 22 Gebrauch gemacht, um von Verweisungen abzuraten, wenn der Zusammenschluss nicht unter die nationalen Fusionskontrollschwellen des betreffenden Mitgliedstaats fiel, weil bei solchen Vorhaben in der Regel nicht mit nennenswerten Auswirkungen auf den Binnenmarkt zu rechnen ist. In den vergangenen Jahren haben bestimmte Marktentwicklungen jedoch zu einem allmählichen Anstieg der Zahl der Zusammenschlüsse geführt, bei denen eines der Unternehmen einen geringen Umsatz, aber ein großes Wettbewerbspotenzial im Binnenmarkt aufwies. (Europäische Kommission: ra)
eingetragen: 22.04.21
Newsletterlauf: 30.06.21
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