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Einhaltung von Verpflichtungszusagen


EU-Kommission sendet Mitteilung der Beschwerdepunkte an Vivendi wegen eines möglichen Verstoßes gegen die EU-Fusionskontrollvorschriften durch Vollziehung der Übernahme von Lagardère vor der Genehmigung des Zusammenschlusses



Die Europäische Kommission hat Vivendi ihre vorläufige Auffassung mitgeteilt, dass das Unternehmen gegen die Anmeldepflicht und das Durchführungsverbot nach der EU-Fusionskontrollverordnung sowie gegen die Bedingungen und Auflagen des Kommissionsbeschlusses vom 9. Juni 2023 über die Genehmigung der Übernahme von Lagardère durch Vivendi verstoßen hat.

Nach der EU-Fusionskontrollverordnung muss ein Zusammenschluss von EU-weiter Bedeutung bei der Kommission angemeldet werden (Artikel 4 der EU-Fusionskontrollverordnung) und darf erst nach Genehmigung durch die Kommission vollzogen werden (sog. Durchführungsverbot nach Artikel 7 der EU-Fusionskontrollverordnung). Im Falle einer bedingten Freigabe legt die Kommission im Genehmigungsbeschluss Bedingungen und Auflagen fest, um sicherzustellen, dass die Unternehmen den Verpflichtungen nachkommen, die sie eingegangen sind, um die Genehmigung des Zusammenschlusses durch die Kommission zu erhalten (Artikel 8 der EU-Fusionskontrollverordnung). Am 25. Juli 2023 leitete die Kommission ein förmliches Prüfverfahren ein, um festzustellen, ob Vivendi bei der Übernahme von Lagardère gegen die oben genannten Bestimmungen verstoßen hat, mit denen möglicherweise irreparable negative Auswirkungen von Zusammenschlüssen auf den Wettbewerb im Binnenmarkt verhindert werden sollen.

Mitteilung der Beschwerdepunkte
Am 24. Oktober 2022 ging bei der Kommission die Anmeldung der Übernahme von Lagardère durch Vivendi ein. Am 30. November 2022 leitete die Kommission eine eingehende Prüfung aufgrund von Bedenken ein, dass der geplante Zusammenschluss den Wettbewerb in französischsprachigen Ländern des Europäischen Wirtschaftsraums (EWR) auf einer Reihe von Märkten der gesamten Wertschöpfungskette für Bücher und in Frankreich auf einem Markt für Zeitschriftenverlage beeinträchtigen könnte.

Am 9. Juni 2023 genehmigte die Kommission die Übernahme von Lagardère durch Vivendi vorbehaltlich der vollständigen Einhaltung der von Vivendi angebotenen Verpflichtungen. Als Abhilfemaßnahmen bot Vivendi die vollständige Veräußerung der Folgenden Sparten an: i) des Verlagsgeschäfts von Vivendi, d. h. Editis und seiner Tochtergesellschaften, zu denen auch bekannte Verlage wie Robert Laffont, Nathan, Le Robert und Pocket zählen, und ii) des von Vivendi in Frankreich veröffentlichten Promimagazins Gala.

Wenn sich Unternehmen zur Veräußerung von Vermögenswerten verpflichtet haben, kann die Kommission die Bedingung vorsehen, dass der Zusammenschluss erst durchgeführt werden darf, nachdem die Kommission einen geeigneten Erwerber der veräußerten Vermögenswerte genehmigt hat. Im vorliegenden Fall umfassten die von Vivendi angebotenen Verpflichtungen eine solche Bestimmung, nach der Vivendi den Zusammenschluss erst vollziehen durfte, nachdem die Kommission die Erwerber der veräußerten Geschäftsbereiche genehmigt hatte. Diese Genehmigung wurde für Editis und seine Tochtergesellschaften erst am 31. Oktober 2023 und für Gala am 8. November 2023 erteilt.

In der versandten Mitteilung der Beschwerdepunkte vertritt die Kommission die vorläufige Auffassung, dass Vivendi eine Reihe von Praktiken angewandt hat, die belegen, dass das Unternehmen einen bestimmenden Einfluss auf Lagardère ausgeübt hat, i) bevor der Zusammenschluss am 24. Oktober 2022 bei der Kommission angemeldet wurde, ii) zwischen dem Datum der Anmeldung und dem Kommissionsbeschluss über die Genehmigung unter Auflagen vom 9. Juni 2023, und iii) zwischen dem Kommissionsbeschluss über die Genehmigung unter Auflagen vom 9. Juni 2023 und dem letzten Kommissionsbeschluss über die Genehmigung eines Erwerbers vom 8. November 2023.

Die Untersuchung der Kommission ergab insbesondere, dass Vivendi die strategischen Entscheidungen über die redaktionelle Ausrichtung sowie die Cover und Artikel der Magazine und Zeitungen von Lagardère (Paris Match und Journal du Dimanche) genau überwacht und regelmäßig in diese eingegriffen hat. Darüber hinaus intervenierte Vivendi auch in Personalentscheidungen bezüglich der Entlassung und Einstellung von Journalistinnen und Journalisten bei beiden Medien. Ferner ergab die Untersuchung der Kommission, dass Vivendi in den Programmplan von Lagardères Radiosender Europe 1 sowie in dessen Entscheidungen über die Einstellung und Entlassung von Personal eingegriffen hat.



Die Mitteilung der Beschwerdepunkte greift dem endgültigen Ergebnis des Verfahrens nicht vor. Vivendi hat nun die Möglichkeit, zu den Bedenken der Kommission Stellung zu nehmen.

Verfahrenshintergrund
Mit der Mitteilung der Beschwerdepunkte setzt die Kommission die Beteiligten auf schriftlichem Wege förmlich über die gegen sie erhobenen Vorwürfe in Kenntnis. Die Unternehmen können dann die Akte der Kommission einsehen, schriftlich antworten und eine mündliche Anhörung beantragen, in der sie gegenüber Vertretern der Kommission und der nationalen Wettbewerbsbehörden zu der jeweiligen Sache Stellung nehmen können.

Die Kommission kann nach Artikel 14 der EU-Fusionskontrollverordnung gegen Unternehmen, die vorsätzlich oder fahrlässig gegen die Anmeldepflicht, das Durchführungsverbot und/oder die Einhaltung von Verpflichtungszusagen verstoßen haben, Geldbußen von bis zu 10 Prozent des weltweiten Gesamtumsatzes der betreffenden Unternehmen verhängen.

Die Kommission unterliegt bei solchen Untersuchungen keiner zwingenden Frist. Ihre Dauer hängt unter anderem von der Komplexität des jeweiligen Falles und der Ausübung der Verteidigungsrechte ab.
(EU-Kommission: ra)

eingetragen: 02.08.25


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