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Beitragserhebung frei von Diskriminierung?


Staatliche Beihilfen: Europäische Kommission erklärt ungarische Gebühr für die Kontrolle der Lebensmittelkette und ungarische Tabakumsatzsteuer für unvereinbar mit EU-Vorschriften
Gebühr für die Kontrolle der Lebensmittelkette, bei der zweiten um eine Steuer auf den mit Tabakwarenherstellung und -handel erzielten Umsatz



Die Europäische Kommission hat festgestellt, dass zwei Maßnahmen Ungarns in Form progressiver umsatzabhängiger Abgabensätze gegen die EU Beihilfevorschriften verstoßen. Die Kommission kam nach Prüfung der Maßnahmen zu dem Ergebnis, dass Unternehmen mit geringem Umsatz aus den progressiven Sätzen ein selektiver Vorteil entsteht.

Die für Wettbewerbspolitik zuständige EU-Kommissarin Margrethe Vestager erklärte dazu: "Ungarn hat das volle Recht, die Kosten seiner Lebensmittelkontrollen zu finanzieren und Tabakprodukte zu besteuern, um sein Gesundheitssystem zu finanzieren. Dabei sollte das Land aber sicherstellen, dass alle Unternehmen gleich behandelt werden, so dass die Beitragserhebung frei von Diskriminierung ist."

Nach der Einleitung eines eingehenden Prüfverfahrens im Juli 2015 wurde keine dieser zwei Maßnahmen Ungarns in Form progressiver Abgabensätze tatsächlich erhoben, also im Endeffekt keine Beihilfe gewährt. Eine Rückforderung ist daher nicht erforderlich.

Bei der ersten Maßnahme handelt es sich um eine Gebühr für die Kontrolle der Lebensmittelkette, bei der zweiten um eine Steuer auf den mit Tabakwarenherstellung und -handel erzielten Umsatz. Eine Gebühr oder Steuer, deren Höhe sich nach dem Umsatz richtet, ist an sich nicht beihilferechtlich bedenklich. Sie wird im vorliegenden Fall nach Auffassung der Kommission erst durch den selektiven Vorteil problematisch, der Unternehmen, für die die niedrigeren Sätze gelten (Unternehmen mit niedrigerem Umsatz), aus den progressiven Sätzen entsteht.

Ungarn konnte nicht nachweisen, dass die angestrebte Finanzierung der Lebensmittelkontrollen über die entsprechende Gebühr oder die Nutzung der Tabaksteuer zur Förderung der öffentlichen Gesundheit eine progressive Struktur der Sätze rechtfertigen würden. Die Größe eines Wirtschaftsteilnehmers, bei dem Lebensmittelkontrollen durchgeführt werden, bzw. eines Tabakunternehmens wird bereits berücksichtigt, da die Höhe der Abgabe über ein proportionales System (mit pauschalen Sätzen) von der Umsatzhöhe abhängt.
Die Kommission stellt das Recht Ungarns nicht in Frage, über die Höhe von Abgaben und das mit verschiedenen Steuern oder Gebühren verfolgte Ziel selbst zu entscheiden. Jedoch sollte das Steuersystem im Einklang mit dem EU‑Recht und damit auch den Beihilfevorschriften stehen und nicht eine bestimmte Unternehmensform gegenüber anderen übermäßig begünstigen.

Gebühr für die Kontrolle der Lebensmittelkette
Ungarn führte die so genannte "Gebühr für die Inspektion der Lebensmittelkette" zur Finanzierung der dafür zuständigen ungarischen Behörde ein, und bis 2014 galt für alle an der Lebensmittelkette beteiligten Marktteilnehmer ein einheitlicher Gebührensatz (0,1 Prozent des Jahresumsatzes). 2015 wurde dann für Geschäfte, die "kurzlebige Konsumgüter" verkaufen, eine progressive Gebührenstruktur eingeführt. Danach können die Sätze von 0 Prozent bzw. 0,1 Prozent (max. 50 Mrd. HUF bzw. rund 158 Mio. EUR) für Geschäfte mit niedrigem Umsatz bis zu 6 Prozent (über 300 Mrd. HUF bzw. rund 950 Mio. EUR) für Geschäfte mit hohem Umsatz reichen. "Kurzlebige Konsumgüter" sind Produkte, die Verbraucher täglich benutzen, wie zum Beispiel Lebensmittel, Kosmetik, Drogerieprodukte oder Haushaltsreiniger.

Ferner begünstigte die neue Gebühr bestimmte Geschäftsmodelle (Franchisenehmer wurden auf der Grundlage des individuellen Umsatzes besteuert, integrierte Einzelhändler hingegen aufgrund des mehrere Geschäfte umfassenden und daher höheren Gesamtumsatzes).

Ungarn hat nicht belegt, dass die Kosten, die der Lebensmittelkontrollbehörde entstehen, ebenso progressiv sind wie die neu eingeführte Gebührenstruktur. So gibt es keine Belege dafür, dass die Kosten für die Kontrolle größerer Geschäfte, die dem Satz von 6 Prozent unterliegen, 60 mal höher wären als die Kosten für die Kontrolle kleinerer Geschäfte, für die der Satz von 0,1 Prozent gilt. Folglich hat Ungarn nicht nachgewiesen, dass die progressive Gebührenstruktur aus der Logik der Kontrollgebühr heraus gerechtfertigt wäre.

Im November 2015 schaffte das ungarische Parlament die progressiven Gebührensätze ab und führte für alle an der Lebensmittelkette beteiligten Marktteilnehmer wieder den einheitlichen Satz von 0,1 Prozent ein. Diese Bestimmungen sind am 27. Dezember 2015 in Kraft getreten und räumen die beihilferechtlichen Bedenken der Kommission aus.

Tabaksteuer
Ungarn führte durch ein am 1. Februar 2015 in Kraft getretenes Gesetz eine "Gesundheitsbeitrag" genannte Steuer auf den mit Tabakwarenherstellung und -handel in Ungarn erzielten Jahresumsatz ein. Der Steuer unterliegen zugelassene Lagerinhaber, Einführer und registrierte Händler von Tabakwaren.

Die Steuersätze sind progressiv: Für Unternehmen mit niedrigem Umsatz (bis zu 30 Mrd. HUF bzw. rund 95 Mio. EUR) gilt ein Steuersatz von lediglich 0,2 Prozent ihres Umsatzes, während für Unternehmen mit einem höheren Umsatz (über 60 Mrd. HUF bzw. rund 190 Mio. EUR) ein Satz von 4,5 Prozent ihres Umsatzes gilt.

Ungarn hat keine Beweise dafür vorgelegt, dass sich die Auswirkungen von Tabakprodukten auf die öffentliche Gesundheit im Verhältnis zum Umsatz der Unternehmen, die sie verkaufen, verstärken, oder dass das letzte von einem Hersteller verkaufte Zigarettenpäckchen die Gesundheit weniger stark beeinträchtigt als das erste. Daher ist die Kommission zu dem Schluss gelangt, dass die progressiven Sätze weder durch das Wesen oder den inneren Aufbau des Steuersystems gerechtfertigt noch mit dem Binnenmarkt vereinbar sind.

Ferner sollte sich der von einem Unternehmen, das Investitionen vornimmt, die bestimmte Voraussetzungen erfüllen, nach dem Gesetz zu entrichtende Steuerbetrag um bis zu 80 Prozent verringern können. Die Kommission hat festgestellt, dass eine solche Anrechnung, die nur bestimmten Unternehmen möglich ist, dem von Ungarn verfolgten gesundheitspolitischen Ziel entgegensteht. So dürften die Investitionen, die naturgemäß der Steigerung von Produktionsmenge und Handelsvolumen der Tabakunternehmen dienen, den Schaden für die öffentliche Gesundheit, den der Gesundheitsbeitrag eigentlich ausgleichen soll, eher noch vergrößern.

Hintergrund
Nach EU-Recht ist es Sache der Mitgliedstaaten, über ihre Steuersysteme zu entscheiden. Die Mitgliedstaaten müssen jedoch sicherstellen, dass ihre Steuersysteme mit den EU-Vorschriften für staatliche Beihilfen im Einklang stehen (indem sie nicht bestimmten Unternehmen selektive Vorteile verschaffen) und mit den EU-Binnenmarktvorschriften vereinbar sind (z. B. indem sie die Niederlassungsfreiheit, den freien Waren-, Dienstleistungs- und Kapitalverkehr und die Gleichbehandlung von heimischen Produkten und Produkten aus anderen Mitgliedstaaten gewährleisten).

Die Kommission leitete im Juli 2015 eingehende Prüfverfahren für beide Maßnahmen ein und forderte Ungarn auf, die Anwendung der progressiven Sätze bis zum Abschluss dieser Verfahren auszusetzen. Ungarn ist dieser Aufforderung nachgekommen. Da die Aussetzung erfolgt ist, bevor ein Wirtschaftsteilnehmer die Gebühr oder die Steuer für das Jahr 2015 entrichtet hatte, wurden im Rahmen der Maßnahmen noch keine Beihilfen gewährt, so dass eine Rückforderung überflüssig ist. (Europäische Kommission: ra)

eingetragen: 28.07.16
Home & Newsletterlauf: 08.09.16



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