Wahrung der EU-Grundrechte und -werte
Durchsetzung des EU-Rechts: Maßnahmen der Kommission bringen konkrete Vorteile für Bürger/innen und Unternehmen mit sich und schützen die Rechtsstaatlichkeit
Wie Verfahren zur Durchsetzung des EU-Rechts weiter verbessert werden können
Die Europäische Kommission hat ihren Jahresbericht über die Kontrolle der Anwendung des EU-Rechts angenommen. Dieser Bericht gibt einen Überblick über die Durchsetzungsmaßnahmen, die die Kommission 2022 ergriffen hat, um den Schutz der Rechte und Freiheiten von Menschen und Unternehmen in der EU zu garantieren. Darüber hinaus veröffentlicht die Kommission ihren Binnenmarktanzeiger 2022 mit Durchsetzungsdaten, in dem beurteilt wird, wie gut der Binnenmarkt funktioniert, und die Leistung nach Politikbereichen und Mitgliedstaaten gemessen wird.
Die Kommission hat ferner ihre Bestandsaufnahme abgeschlossen und Wege aufgezeigt, wie ihre Verfahren zur Durchsetzung des EU-Rechts weiter verbessert werden können. Mit dieser 2022 ins Leben gerufenen Bestandsaufnahme soll sichergestellt werden, dass die bestmöglichen Durchsetzungsinstrumente zur Verfügung stehen, damit das EU-Recht in der Praxis funktioniert. Über die Ergebnisse wird die Kommission nun Bericht erstatten.
Ferner hat die Kommission ihre regelmäßigen Beschlüsse über Vertragsverletzungsverfahren gefasst.
Vertragsverletzungsverfahren
Ein besonderer Schwerpunkt des Vertragsverletzungspakets liegt auf dem Schutz des Binnenmarktes und auf der Wahrung der EU-Grundrechte und -werte zum Nutzen der Menschen und der Unternehmen. Die Kommission ist tätig geworden, um den Verbraucherschutz zu stärken, die Barrierefreiheit von Produkten und Dienstleistungen für Menschen mit Behinderungen zu verbessern und die justizielle Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten und individuelle Garantien im Strafrecht sicherzustellen. Sie hat auch zentrale Maßnahmen ergriffen, um das Funktionieren des Binnenmarktes zu gewährleisten, z. B. um die berufliche Mobilität zu erleichtern, die Niederlassungsfreiheit zu schützen und Ausfuhrbeschränkungen für Energieerzeugnisse aufzuheben. Ferner forderte sie die Mitgliedstaaten auf, die Vorschriften für den Schienen-, See- und Luftverkehr einzuhalten. Damit die EU konsequenter gegen Geldwäsche vorgehen kann, forderte die Kommission mehrere Mitgliedstaaten auf, die einschlägigen EU-Vorschriften vollständig und ordnungsgemäß umzusetzen.
Im Rahmen der Vertragsverletzungsverfahren im Juli stellt die Kommission 135 Fälle ein, in denen die Fragen mit den Mitgliedstaaten geklärt werden konnten, ohne dass weitere rechtliche Schritte notwendig gewesen wären.
Anwendung des EU-Rechts im Jahr 2022
Dieser Bericht führt die Maßnahmen auf, die die Kommission 2022 ergriffen hat, damit die EU-Vorschriften in allen Bereichen praktisch umgesetzt werden. Kommt es zu Problemen, kontaktiert die Kommission zunächst die Mitgliedstaaten, um die Probleme möglichst rasch zu lösen. Meistens gelingt das – im Jahr 2022 wurden 96 Prozent der Fälle beigelegt, bevor sie vor Gericht gebracht wurden.
Wie der Bericht zeigt, schreckt die Kommission aber auch nicht davor zurück, notfalls Durchsetzungsmaßnahmen zu ergreifen – im Jahr 2022 leitete sie 551 neue Vertragsverletzungsverfahren ein. Im Jahr 2022 wurden gegen alle Mitgliedstaaten neue Vertragsverletzungsverfahren eingeleitet.
Im vergangenen Jahr beschloss die Kommission, den Gerichtshof der Europäischen Union mit insgesamt 35 Verfahren zu befassen, also etwas häufiger als im Vorjahr (31). In 17 Verfahren aufgrund der verspäteten Umsetzung von Richtlinien beschloss die Kommission, den Gerichtshof um Verhängung finanzieller Sanktionen gegen den betreffenden Mitgliedstaat zu ersuchen. Die Verhängung finanzieller Sanktionen soll für eine zügige Einhaltung der Vorschriften sorgen und ist als Abschreckung gegen künftige Verzögerungen gedacht.
Die Durchsetzungsmaßnahmen der Kommission haben auch dazu beigetragen, dass die Mitgliedstaaten die Vorschriften wieder einhalten: Im Laufe des Jahres konnten 489 Vertragsverletzungsverfahren eingestellt werden.
Verhinderung des Entstehens von Verstößen im Vorfeld
Damit die Menschen und Unternehmen alle Vorteile des EU-Rechts nutzen können, ist die frühzeitige Unterstützung der Mitgliedstaaten durch die Kommission von entscheidender Bedeutung, um die ordnungsgemäße Anwendung des EU-Rechts und die fristgerechte Umsetzung von Richtlinien zu gewährleisten. Die Kommission setzte sich in ihrer Mitteilung vom Oktober 2022 das Ziel, das EU-Recht besser durchzusetzen, indem dafür gesorgt wird, dass es erst gar nicht zu Verstößen kommt.
2022 hat die Europäische Kommission noch konsequenter zu verhindern versucht, dass es überhaupt zu Verstößen kommt, und die Mitgliedstaaten bei der Umsetzung des EU-Rechts frühzeitig unterstützt, beispielsweise durch praktische Leitlinien, Sitzungen, Schulungen und technische Unterstützung. Im Verbund mit den Mitgliedstaaten sorgte sie für die ordnungsgemäße Umsetzung des EU-Rechts in über 100 verschiedenen Ausschüssen, Expertengruppen oder Workshops. Darüber hinaus legte sie mehr als 40 schriftliche Leitlinien zur Auslegung und Umsetzung des EU-Rechts in allen Politikbereichen vor.
Die ordnungsgemäße Anwendung und Durchsetzung des EU-Rechts fallen unter die gemeinsame Verantwortung der Mitgliedstaaten und der EU-Organe. Die Kommission nutzte weiterhin das „EU-Pilot“-Verfahren – einen Dialog mit den Mitgliedstaaten zur Vermeidung eines Vertragsverletzungsverfahrens –, um eine zügige Einhaltung der Vorschriften zu erreichen oder die Sachlage zu beurteilen. Im Jahr 2022 leitete die Kommission 279 neue EU-Pilot-Verfahren ein (zum Vergleich: 246 Verfahren im Jahr 2021). In 74 % dieser EU-Pilotverfahren konnte eine Lösung mit den betroffenen Mitgliedstaaten gefunden und ein Vertragsverletzungsverfahren vermieden werden.
Im Rahmen der vorgelegten Bestandsaufnahme hat die Kommission ferner Bereiche ermittelt, in denen sie und die Mitgliedstaaten die Durchsetzung und Umsetzung des EU-Rechts besser durchsetzen können. Eine Empfehlung der Bestandsaufnahme lautete beispielsweise, die Mitgliedstaaten bei der Umsetzung des EU-Rechts stärker zu unterstützen, die Transparenz der Durchsetzungsmaßnahmen der Kommission zu erhöhen und die Umsetzung der Vorschriften systematischer zu überwachen. Die Kommission wird nun damit beginnen, die Empfehlungen in die Praxis umzusetzen.
Gewährleistung des reibungslosen Funktionierens des Binnenmarkts
Dem Binnenmarktanzeiger zufolge haben die Mitgliedstaaten 2022 einige Fortschritte bei der Umsetzung und Durchsetzung der Binnenmarktvorschriften erzielt: Der Prozentsatz der noch nicht vollständig mitgeteilten Maßnahmen zur Umsetzung von Binnenmarktrichtlinien („Umsetzungsdefizit“) sank auf 1,1 % (von 1,6 % im Jahr 2021). Der Prozentsatz der nicht korrekt umgesetzten Binnenmarktrichtlinien („Konformitätsdefizit“) blieb mit 1,3 % gleich.
Die Invasion der Ukraine durch Russland war eine Bewährungsprobe für das Funktionieren des Binnenmarkts. Die Kommission ging in ihrer Rolle als Hüterin der Verträge entschieden gegen protektionistische Maßnahmen der Mitgliedstaaten wie Ausfuhrverbote in mehreren Wirtschaftszweigen (z. B. Getreide und Baumaterialien) oder diskriminierende Kraftstoffpreise für Fahrzeuge mit ausländischem Kennzeichen vor. Rasche und entschlossene Durchsetzungsmaßnahmen der Kommission sorgten dafür, dass der Binnenmarkt weiterhin funktionierte.
Die Kommission trat außerdem entschieden für den Schutz der Freizügigkeit der Arbeitnehmer ein, z. B. durch die Bekämpfung von Diskriminierung aufgrund des Wohnsitzes bei beschäftigungsbezogenen Leistungen oder Familienleistungen oder bei der Durchsetzung von Aufenthaltsrechten Arbeitssuchender aus der EU, die erstmals einen Arbeitsplatz in einem anderen Mitgliedstaat suchen.
Schutz der gemeinsamen Werte, der Grundrechte und der Rechtsstaatlichkeit in der EU
Die Kommission setzte sich weiterhin für eine konsequente Durchsetzung der EU-Vorschriften in allen Politikbereichen ein und legte den Schwerpunkt auf Bereiche, die sich am stärksten auf das alltägliche Leben der Bürger/innen und Unternehmen auswirken. Mehr als die Hälfte der von der Kommission wegen fehlerhafter Anwendung des EU-Rechts oder Nichtübereinstimmung nationaler Vorschriften mit dem EU-Recht eingeleiteten Verfahren betraf die Bereiche Umwelt, Justiz und Grundrechte oder den Binnenmarkt.
Die Kommission geht beim Schutz von gemeinsamen Werten, Grundrechten und der Rechtsstaatlichkeit konsequent vor. Sie leitete Verfahren ein bzw. führte Verfahren fort, um die Gleichstellung der Geschlechter zu fördern, Diskriminierung zu bekämpfen, den Schutz von Hinweisgebern und personenbezogenen Daten zu gewährleisten und die Unabhängigkeit der Justiz zu schützen.
Die Durchsetzungsmaßnahmen der Kommission im Jahr 2022 brachten den Menschen und Unternehmen konkrete Vorteile, da sie den Verbraucherschutz beim Kauf von Waren oder digitalen Inhalten aus anderen Mitgliedstaaten verbesserten. Sie sorgten für aktualisierte Vorschriften für Gesundheit und Sicherheit am Arbeitsplatz und förderten eine sicherere, gerechtere und vielfältigere audiovisuelle Landschaft. Die Maßnahmen betrafen ferner die Transparenz in Bezug auf die Eigentums- und Kontrollstrukturen von Unternehmen und erleichterten es Fachkräften, Dienstleistungen in ganz Europa zu erbringen.
Hintergrund
Nach einer Aufforderung des Europäischen Parlaments erstellt die Kommission seit 1984 alljährlich einen Bericht über die Kontrolle der Anwendung des EU-Rechts im Vorjahr. Das Europäische Parlament nimmt dann eine Entschließung zum Kommissionsbericht an.
Der Binnenmarktanzeiger bietet einen detaillierten Überblick darüber, wie die EU-Binnenmarktvorschriften im gesamten Europäischen Wirtschaftsraum angewandt wurden, und soll Verbesserungsmöglichkeiten für den Binnenmarkt aufzeigen. Dazu gehören auch EU-Rechtsvorschriften, für die verschiedene Kommissionsdienststellen zuständig sind. Im Mittelpunkt des Anzeigers stehen die Fortschritte bei der Umsetzung des EU-Rechts, die allgemeinen Rahmenbedingungen für Unternehmen, die Integration des Binnenmarkts und andere wichtige politische Ziele wie Wachstum und Beschäftigung, Resilienz, Digitalisierung und Ökologisierung der Wirtschaft. Der diesjährige Binnenmarktanzeiger enthält aktualisierte Informationen über die Durchsetzung der EU-Binnenmarktvorschriften.
Im institutionellen Gefüge der europäischen Organe ist es generell Aufgabe der Kommission, das Rechtsetzungsverfahren einzuleiten.
Der Rat und das Europäische Parlament entscheiden über die Vorschläge der Kommission. Die Mitgliedstaaten sind für die fristgerechte Umsetzung, die korrekte Anwendung und die Durchsetzung des EU-Rechts in ihrer nationalen Rechtsordnung verantwortlich.
Mit der Kommission schließt sich dann der Kreis wieder: Sobald ihre Vorschläge angenommen sind und EU-Recht werden, überwacht sie, ob die Mitgliedstaaten dieses Recht ordnungsgemäß anwenden, und kann Maßnahmen ergreifen, wenn dies nicht der Fall ist. (EU-Kommission: ra)
eingetragen: 30.07.23
Newsletterlauf: 11.09.23
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