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Digitale Instrumente der Adtech-Branche


Kartellrecht: Kommission übermittelt Google Mitteilung der Beschwerdepunkte wegen missbräuchlicher Praktiken im Bereich der Online-Werbetechnologie
Google bietet verschiedene Werbetechnologiedienste an, die zwischen Werbetreibenden und Verlegern (Publisher) angesiedelt sind und dazu dienen, Werbung auf Websites oder in Mobil-Apps anzuzeigen



Die Europäische Kommission hat Google von ihrer vorläufigen Auffassung in Kenntnis gesetzt, dass das Unternehmen gegen die EU-Kartellvorschriften verstößt, indem es den Wettbewerb im Bereich der Technologien für Online-Werbung ("Adtech") verzerrt. Die Kommission hatte festgestellt, dass Google seine eigenen Technologiedienste für Online-Display-Werbung zulasten konkurrierender Anbieter solcher Dienste sowie von Werbetreibenden und Online-Verlegern begünstigt.

Google ist ein multinationales Technologieunternehmen mit Sitz in den USA. Der wichtigste von Google bereitgestellte Dienst ist die Suchmaschine "Google Suche". Außerdem betreibt Google andere beliebte Dienste wie die Video-Streaming-Plattform YouTube und stellt mit Android ein populäres Betriebssystem für Mobilgeräte bereit. Die wichtigste Einnahmequelle von Google ist Online-Werbung: i) Das Unternehmen verkauft Werbeflächen auf seinen eigenen Websites und in seinen Apps und ii) vermittelt zwischen Werbetreibenden, die ihre Werbung online platzieren möchten, und Verlagen (d. h. Websites und Apps Dritter), die Werbeflächen bereitstellen können.

Werbetreibende und Verlage (Publishers) sind für die Platzierung von Ad-hoc-Anzeigen, die nicht mit einer Suchanfrage verknüpft sind – wie Banner-Werbung auf Websites von Zeitungen ("Display-Werbung") –, auf die digitalen Instrumente der Adtech-Branche angewiesen. Die Werbetechnologiebranche bietet insbesondere drei digitale Instrumente an: i) Ad-Server für Verlage, mit denen Verlage (Publishers) die Werbeflächen auf ihren Websites und in ihren Apps verwalten können, ii) Instrumente für den Kauf von Werbung, mit denen Werbetreibende automatisiert Werbekampagnen verwalten können und iii) Werbebörsen (Ad exchanges), auf denen Verlage (Publishers) und Werbetreibende in Echtzeit – in der Regel über Auktionen – den Verkauf bzw. Kauf von Display-Werbung aushandeln.

Google bietet verschiedene Werbetechnologiedienste an, die zwischen Werbetreibenden und Verlegern (Publisher) angesiedelt sind und dazu dienen, Werbung auf Websites oder in Mobil-Apps anzuzeigen. Das Unternehmen betreibt i) zwei Instrumente für den Kauf von Werbung – "Google Ads" und "DV 360" –, ii) einen Ad-Server für Verlage – "DoubleClick for Publishers" (DFP) – und iii) die Werbebörse "AdX".

Mitteilung der Beschwerdepunkte zu den Adtech-Praktiken von Google

Die Kommission stellt vorläufig fest, dass Google auf Ebene des Europäischen Wirtschaftsraums auf den folgenden Märkten eine beherrschende Stellung innehat: i) auf dem Markt für Ad-Server für Verlage mit dem Dienst "DFP" und ii) auf dem Markt für Instrumente für den programmatischen Kauf von Werbung für das offene Internet mit seinen Diensten "Google Ads" und "DV 360".

Die Kommission ist zu dem vorläufigen Ergebnis gekommen, dass Google mindestens seit 2014 seine beherrschende Stellung missbraucht hat, indem es
>> seine eigene Werbebörse AdX bei der von seinem marktbeherrschenden Ad-Server für Verlage, DFP, durchgeführten Auktion zur Auswahl von Werbung begünstigt, beispielsweise indem AdX im Voraus über das beste Gebot von Wettbewerbern informiert wird, das sie schlagen muss, um den Zuschlag zu erhalten;
>> seine Werbebörse AdX im Hinblick auf die Art und Weise begünstigt, wie seine Instrumente für den Kauf von Werbung – Google Ads und DV 360 – Angebote auf Werbebörsen (Ad exchanges) abgeben. So mied Google Ads beispielsweise konkurrierende Werbebörsen (Ad exchanges) und gab Angebote vor allem auf AdX ab, was AdX zur attraktivsten Werbebörse (Ad exchange) machte.

Die Kommission hegt den Verdacht, dass die mutmaßlich vorsätzlichen Verhaltensweisen von Google darauf abzielten, AdX einen Wettbewerbsvorteil zu verschaffen, und möglicherweise zur Verdrängung konkurrierender Werbebörsen (Ad exchanges) geführt haben. Dadurch würde die zentrale Rolle von Google auf verschiedenen Ebenen der Adtech-Branche gestärkt, sodass das Unternehmen für seine Dienste höhere Gebühren verlangen könnte.

Sollten sich die Bedenken der Kommission bestätigen, würden Verstöße gegen Artikel 102 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) vorliegen, nach dem der Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung verboten ist.

Die Kommission ist zu dem vorläufigen Ergebnis gelangt, dass in diesem besonderen Fall eine verhaltensbezogene Abhilfemaßnahme wahrscheinlich nicht der Gefahr vorbeugen würde, dass Google solche sich selbst begünstigenden Verhaltensweisen fortsetzt oder sich an neuen derartigen Verhaltensweisen beteiligt. Google ist mit seinem Ad-Server für Verleger (Publisher) und seinen Instrumenten für den Kauf von Werbung auf beiden Seiten des Marktes tätig und hat auf beiden Seiten eine beherrschende Stellung inne. Darüber hinaus betreibt Google die größte Werbebörse (Ad exchange). Diese Situation führt zu inhärenten Interessenkonflikten. Die Kommission vertritt daher die vorläufige Auffassung, dass die wettbewerbsrechtlichen Bedenken nur durch die obligatorische Veräußerung eines Teils der Dienste von Google ausgeräumt werden können.

Die Mitteilung der Beschwerdepunkte greift dem Ergebnis der Untersuchung nicht vor.

Hintergrund
Artikel 102 AEUV verbietet die missbräuchliche Ausnutzung einer beherrschenden Stellung. Wie diese Bestimmungen umzusetzen sind, ist in der EU-Kartellverordnung (Verordnung Nr. 1/2003 des Rates) festgelegt, die auch von den Wettbewerbsbehörden der Mitgliedstaaten angewendet werden kann.

Am 22. Juni 2021 leitete die Kommission ein förmliches Verfahren wegen möglicher wettbewerbswidriger Verhaltensweisen von Google im Bereich der Online-Werbetechnologie ein.

Die Mitteilung der Beschwerdepunkte ist ein förmlicher Schritt bei Untersuchungen der Kommission im Falle mutmaßlicher Verstöße gegen die EU-Kartellvorschriften, In einer solchen Mitteilung setzt sie die Parteien schriftlich über die gegen sie erhobenen Vorwürfe in Kenntnis. Die Unternehmen können dann die Untersuchungsakte der Kommission einsehen, sich schriftlich dazu äußern und eine mündliche Anhörung beantragen, in der sie gegenüber Vertretern der Kommission und der nationalen Wettbewerbsbehörden zu der Sache Stellung nehmen. Eine Mitteilung der Beschwerdepunkte und die Einleitung eines förmlichen Kartellverfahrens greifen dem Untersuchungsergebnis nicht vor.

Wenn die Kommission, nachdem das Unternehmen seine Verteidigungsrechte ausgeübt hat, zu dem Schluss kommt, dass hinreichende Beweise für eine Zuwiderhandlung vorliegen, kann sie per Beschluss die Verhaltensweise untersagen und gegen das betreffende Unternehmen eine Geldbuße von bis zu 10 % seines weltweiten Jahresumsatzes verhängen.

Stellt die Kommission fest, dass eine Zuwiderhandlung gegen Artikel 101 oder Artikel 102 AEUV vorliegt, so kann sie das betreffende Unternehmen durch Beschluss auffordern, die Zuwiderhandlung abzustellen. Sie kann ihnen hierzu alle erforderlichen Abhilfemaßnahmen verhaltensorientierter oder struktureller Art vorschreiben, die gegenüber der festgestellten Zuwiderhandlung verhältnismäßig und für eine wirksame Abstellung der Zuwiderhandlung erforderlich sind. Abhilfemaßnahmen struktureller Art können nur in Ermangelung einer verhaltensorientierten Abhilfemaßnahme von gleicher Wirksamkeit festgelegt werden, oder wenn letztere im Vergleich zu Abhilfemaßnahmen struktureller Art mit einer größeren Belastung für die beteiligten Unternehmen verbunden wäre.

Für den Abschluss einer kartellrechtlichen Untersuchung gibt es keine verbindliche Frist. Die Dauer einer kartellrechtlichen Untersuchung hängt von mehreren Faktoren ab, so etwa von der Komplexität des jeweiligen Falles, dem Umfang der Zusammenarbeit der betreffenden Unternehmen mit der Kommission sowie der Ausübung der Verteidigungsrechte.
(EU-Kommission: ra)

eingetragen: 30.07.23
Newsletterlauf: 08.09.23


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