Gegen das EU-Kartellrecht verstoßen
Europäische Kommission verhängt in Kartellvergleichsverfahren Geldbußen in Höhe von 19.4 Mio. EUR gegen fünf Hersteller von Briefumschlägen
Margrethe Vestager: "Mehr als vier Jahre lang haben diese Umschlaghersteller, anstatt in fairen Wettbewerb zu treten, künstliche Preiserhöhungen in einer Reihe von Mitgliedstaaten vereinbart"
(19.01.15) - Die Europäische Kommission hat gegen die Unternehmen Bong (Schweden), GPV und Hamelin (beide Frankreich), Mayer-Kuvert (Deutschland) und Tompla (Spanien) Geldbußen von insgesamt 19 485 000 EUR verhängt, weil sie durch Preisabsprachen und Aufteilung der Kunden für bestimmte Arten von Briefumschlägen gegen das EU-Kartellrecht verstoßen haben. Aufgrund ihrer Zusammenarbeit mit der Kommission bei den Ermittlungen erhielten Tompla, Hamelin und Mayer-Kuvert/GPV nach der Kronzeugenregelung von 2006 Geldbußenermäßigungen (Mayer-Kuvert erwarb die am Kartell beteiligten Aktiva/Unternehmenseinheiten von GPV nach Ende des Kartells). Da alle am Kartell beteiligten Unternehmen dem Vergleichsverfahrens zugestimmt hatten, wurden ihre Geldbußen jeweils um weitere 10 Prozent ermäßigt.
Die für Wettbewerbspolitik zuständige EU-Kommissarin Margrethe Vestager erklärte: "Mehr als vier Jahre lang haben diese Umschlaghersteller, anstatt in fairen Wettbewerb zu treten, künstliche Preiserhöhungen in einer Reihe von Mitgliedstaaten vereinbart."
Vestager betonte: "Jeder benutzt Briefumschläge. Wenn Unternehmen mithilfe von Kartellen die Preise von Waren des täglichen Gebrauchs in die Höhe treiben, geschieht das auf Kosten von Millionen europäischer Bürgerinnen und Bürger. Die Maßnahmen der Kommission zur Bekämpfung von Kartellen zielen auf die Ahndung solcher Verhaltensweisen und auf Abschreckung ab, um die Verbraucher vor Schaden zu bewahren. In dieser Sache haben wir den Umschlag verschlossen, versiegelt und mit einer klaren Botschaft an den Absender zurückgeschickt: Kein Betrug am Kunden, lasst die Finger von Kartellen."
Im September 2010 leitete die Kommission von Amts wegen eine Untersuchung ein. Dabei stellte sie fest, dass das Kartell der Aufteilung von Kunden und der Absprache der Preise für Standard- und Katalogumschläge sowie bedruckte Spezialumschläge diente. Die Umschläge wurden meist von Schreibwarengroßhändlern und großen Vertriebsunternehmen in Dänemark, Frankreich, Deutschland, Norwegen, Schweden und im Vereinigten Königreich erworben. Bei mehreren multilateralen und bilateralen Treffen auf höchster Führungsebene sprachen die Kartellteilnehmer ihre Angebote für Ausschreibungen großer europäischer Kunden ab, vereinbarten Preiserhöhungen und tauschten vertrauliche Geschäftsinformationen aus.
Die Zuwiderhandlung begann im Oktober 2003 (nur Hamelin stieß erst im November 2003 dazu) und wurde von allen Kartellbeteiligten bis April 2008 fortgesetzt.
Die insgesamt verhängten Geldbußen verteilen sich wie folgt:
Geldbußen
Die Geldbußen wurden nach den Geldbußenleitlinien der Kommission von 2006 festgesetzt.
Bei der Festsetzung der Geldbußen trug die Kommission insbesondere dem Umsatz der beteiligten Unternehmen für die betreffenden Produkte im Europäischen Wirtschaftsraum (EWR), der Schwere des Verstoßes, der geografischen Reichweite des Kartells sowie seiner Dauer Rechnung.
Bei allen Kartellbeteiligten entfällt ein großer Teil des Umsatzes auf Briefumschläge. Aus diesem Grund hätten ihre Geldbußen auf 10 Prozent ihres Gesamtumsatzes, den in der Kartellverordnung vorgesehenen Höchstsatz, begrenzt werden müssen. Die Kommission machte daher ausnahmsweise von ihrem Ermessen nach Ziffer 37 der Geldbußenleitlinien Gebrauch und senkte die Geldbußen, um die besonderen Merkmale der Unternehmen und ihre unterschiedlich weit reichende Beteiligung an der Zuwiderhandlung zu berücksichtigen. Somit werden die verhängten Geldbußen eine abschreckende Wirkung entfalten und gleichzeitig verhältnismäßig sein.
Die geringere Beteiligung des Unternehmens Mayer-Kuvert an der Zuwiderhandlung wurde von der Kommission ebenfalls bei der Festsetzung der Geldbußen berücksichtigt.
Auf der Grundlage der Kronzeugenregelung von 2006 erhielten Tompla und Hamelin Geldbußenermäßigungen von 50 Prozent bzw. 25 Prozent, während die Geldbußen von Mayer-Kuvert und GPV aufgrund ihrer Zusammenarbeit mit der Kommission während der Ermittlungen um jeweils 10 Prozent gesenkt wurden.
Im Einklang mit ihrer Mitteilung über Vergleichsverfahren von 2008 minderte die Kommission die Geldbußen aller beteiligten Unternehmen um weitere 10 Prozent, da sie ihre Beteiligung am Kartell einräumten und die Verantwortung dafür übernahmen.
Zahlungsunfähigkeit
Zwei Unternehmen machten Zahlungsunfähigkeit nach Ziffer 35 der Geldbußenleitlinien von 2006 geltend. Ihre Anträge wurden anhand der jüngsten Unternehmensbilanzen, der Prognosen für das laufende und die kommenden Jahre, von Kennziffern für die Finanzkraft, Rentabilität, Zahlungsfähigkeit und Liquidität sowie unter Berücksichtigung der finanziellen Beziehungen zu externen Finanzpartnern und Anteilseignern sorgfältig geprüft. Daraufhin gewährte die Kommission beiden Unternehmen Geldbußenermäßigungen.
Hintergrund
Die Untersuchung der Kommission begann mit unangekündigten Nachprüfungen im September 2010.
Im Zuwiderhandlungszeitraum waren die GVP-Gruppe und Mayer-Kuvert getrennte Unternehmen. Danach wurde die GPV-Gruppe abgewickelt, und Mayer-Kuvert übernahm einige ihrer Unternehmenseinheiten/Aktiva einschließlich der am Kartell beteiligten Einheiten. Die Haftung für die Kartellbeteiligung der GPV-Gruppe wird daher der GPV France SAS (einer von Mayer-Kuvert zur Übernahme des Großteils der Briefumschlagherstellung der GPV-Gruppe gegründeten Tochtergesellschaft) und Heritage Envelopes Ltd (einem direkt an der Zuwiderhandlung beteiligten Unternehmen der GPV-Gruppe, das nach Ende des Kartells von Mayer-Kuvert übernommen wurde) zugewiesen. Beide waren bei Stellung des Antrags auf Anwendung der Kronzeugenregelung Tochtergesellschaften von Mayer-Kuvert.
Sobald alle Fragen im Zusammenhang mit dem Schutz vertraulicher Daten geklärt sind, werden weitere Informationen zu dieser Kartellsache unter der Nummer 39780 im öffentlich zugänglichen Register der Kommission auf der Website der Generaldirektion Wettbewerb veröffentlicht. Weitere Informationen über die Maßnahmen der Kommission gegen Kartelle finden sich auf ihrer Website unter der Rubrik "Cartels".
Das Vergleichsverfahren
Der heutige Beschluss ist der 17. Vergleichsbeschluss seit Einführung der Vergleichsverfahren für Kartelle im Juni 2008. In einem Vergleich erkennen Unternehmen ihre Kartellbeteiligung und ihre Haftung dafür an. So kann ein vereinfachtes Verfahren durchgeführt und die Untersuchungsdauer verkürzt werden. Die Vorteile eines Vergleichs liegen klar auf der Hand: Die Verbraucher und Steuerzahler haben geringere Kosten für die Kartellermittlungen zu tragen, in der Kartellrechtsdurchsetzung werden Ressourcen für die Bearbeitung anderer Fälle frei und die Unternehmen können schneller mit einem Beschluss rechnen und Geldbußenermäßigungen von 10 Prozent in Anspruch nehmen.
Bislang hat die Kommission in folgenden Bereichen Vergleiche mit den Kartellbeteiligten erzielt: PC-Arbeitsspeicher (DRAM), Futterphosphate, Waschpulver, Glas für Kathodenstrahlröhren, Kühlkompressoren, Water-Management-Produkte, Kabelbäume, Euro- und Yen-Zinsderivate, Polyurethan-(PU-)Schaumstoff, Strombörsen, Wälzlager, Stahl-Strahlmittel, Pilze, Schweizer-Franken-Zins-Derivate und Geld-Brief-Spannen.
Schadenersatzklagen
Alle Personen und Unternehmen, die von dem beschriebenen wettbewerbswidrigen Verhalten betroffen sind, können vor den Gerichten der Mitgliedstaaten auf Schadensersatz klagen. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union und der Kartellverordnung (Verordnung 1/2003 des Rates) gelten Kommissionsbeschlüsse in Gerichtsverfahren vor einzelstaatlichen Gerichten als rechtsgültiger Nachweis dafür, dass das Verhalten stattgefunden hat und rechtswidrig war. Selbst wenn die Kommission gegen die betreffenden Unternehmen Geldbußen verhängt hat, kann Schadensersatz gewährt werden. Die von der Kommission verhängte Geldbuße wird dabei nicht mindernd angerechnet.
Die Richtlinie über Schadensersatzklagen wegen Kartellrechtsverstößen, die die Mitgliedstaaten bis zum 27. Dezember 2016 in nationales Recht umsetzen müssen, macht es für die Opfer von Kartellrechtsverstößen einfacher, Schadensersatz durchzusetzen. (Europäische Kommission: ra)
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