Ohne Internet kein echter Binnenmarkt
Digitale Agenda und Vollendung des Binnenmarktes: Jede größere Überarbeitung der EU-Telekomvorschriften ist eine Gelegenheit für die Kommission, die tatsächliche Wirkung der EU-Politik im Hinblick auf ihre ursprünglichen Ziele zu überprüfen
Überwindung der Hindernisse politische Maßnahmen: Bessere Koordinierung der Tätigkeiten der nationalen Telekom-Regulierer auf EU-Ebene
(09.03.12) - Die Suche Europas nach neuem Wachstum ist vielleicht einer Lösung näher als erwartet. Aus einer von der Europäischen Kommission herausgegebenen Studie geht hervor, dass bei Vollendung des Binnenmarktes für die elektronische Kommunikation das Bruttoinlandsprodukt (BIP) der EU jährlich um bis zu 110 Mrd. EUR (oder um über 0,8 Prozent des BIP) wachsen könnte. Der elektronischen Kommunikation kommt bei der Schaffung eines digitalen Binnenmarktes eine Schlüsselrolle zu. Dieser "digitale Wachstumsbonus" könnte durch mehr Wettbewerb, stärkere Größenvorteile für Telekom-Betreiber und die Möglichkeit des Zugriffs auf alle Online-Inhalte und -dienste in der EU (z. B. Musik, Filme und Video-Spiele) für jeden Europäer entstehen.
So könnten sich zum Beispiel neue und effizientere Wirtschaftstätigkeiten entwickeln, wenn Bürger auch bei Auslandsaufenthalten das Fernsehprogramm ihres Heimatlandes empfangen oder während der Urlaubsreise ihre Gesundheit durch den Hausarzt überwachen lassen könnten oder Unternehmen in der Lage wären, mit Hilfe eines einzigen Cloud Computing-Anbieters Büros in vielen EU-Ländern einzubinden.
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Die Vizepräsidentin der Europäischen Kommission Neelie Kroes sagte hierzu: "Unser Binnenmarkt hat uns wohlhabender und wettbewerbsfähiger gemacht. Aber ohne das Internet und andere Telekom-Bereiche ist es kein echter Binnenmarkt. Der digitale Binnenmarkt ist wie Kaffee für die Wirtschaft, und wir wären dumm, wenn wir ihn nicht trinken würden."
In der von einem internationalen Team aus Experten und Wissenschaftlern durchgeführten Studie werden zur Überwindung der Hindernisse politische Maßnahmen in drei Hauptkategorien vorgeschlagen:
>> weniger Fragmentierung bei der Regulierung (z. B. gemeinsame Vorschriften über die Dauer von Verträgen und die Transparenz von Rechnungen);
>> mehr europäische Normung (um gesamteuropäische Dienstleistungen garantierter Qualität in Bereichen wie e-Gesundheit, e-Energie und e-Mobilität zu fördern);
>> bessere Koordinierung der Tätigkeiten der nationalen Telekom-Regulierer auf EU-Ebene.
Die Ermittlung der Kosten eines Nicht-Europa im Telekommunikationsmarkt ist eines der wichtigsten Ziele der Digitalen Agenda für Europa. Die Kommission wird im Mai einen öffentlichen Workshop veranstalten, um Vorschläge der beteiligten Akteure für Maßnahmen zu den in dieser Studie (Titel: "Steps towards a truly Internal Market for e-Communications") angesprochenen Themen zu sammeln.
Hintergrund
In der Studie wird insbesondere untersucht, warum viele europäische Telekom-Betreiber nicht auf anderen europäischen Märkten aktiv werden, obwohl dort die Endkundenpreise höher sind als auf ihren heimischen Märkten. Hierfür werden verschiedene Gründe angeführt:
1. Mangel an EU-Normen (z. B. ist es schwierig für Telekom-Betreiber, das gleiche Vorleistungszugangsprodukt in einem anderen Mitgliedstaat zu erhalten und so Telekom-Dienste europaweit anzubieten);
2. Unterschiede bei der Umsetzung des europäischen Rechtsrahmens (z. B. können Verbraucher jetzt den Telekom-Betreiber wechseln und ihre Nummer beibehalten, allerdings kann das Verfahren für einen solchen Wechsel in jedem Mitgliedstaat ein anderes sein);
3. mangelnde Koordinierung der nationalen Frequenzpolitiken, was zu unterschiedlichen Geschwindigkeiten bei der Einführung von 4G-Netzen (Hochgeschwindigkeits-Mobilfunk-Breitband) führt.
Der Nutzen der vorgeschlagenen Maßnahmen kann beträchtlich sein. Die Studie verweist darauf, dass die Breitbandnachfrage in den kommenden Jahren weiterhin zunehmen wird. Online-Angebote wie Filme und Spiele (die sich von der Hochdefinitionsebene in Richtung 3D, e-Gesundheit oder e-Lernen weiterentwickeln werden) werden die Wachstumsmotoren sein. Diese Dienste müssen in einer garantierten Qualität angeboten werden. Das verlangt gesamteuropäische Normen, da Dinge, die in einem Mitgliedstaat funktionieren, in einem anderen vielleicht unmöglich sind.
Jede größere Überarbeitung der EU-Telekomvorschriften ist eine Gelegenheit für die Kommission, die tatsächliche Wirkung der EU-Politik im Hinblick auf ihre ursprünglichen Ziele zu überprüfen. Die Liberalisierung dieses Bereichs war bereits ein großer Erfolg, aber die Entwicklung des Binnenmarktes für die Telekommunikation bietet noch viel mehr Raum für weitere Fortschritte.
Die überarbeiteten Telekom-Vorschriften der EU, die seit Mai 2011 in Kraft sind, dienten als Grundlage für die Studie, und die Berater haben eine Reihe von Maßnahmen vorgeschlagen, die die Kommission in den kommenden Jahren durchführen könnte, um einen echten Binnenmarkt für die elektronische Kommunikation zu schaffen. (Europäische Kommission: ra)
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