Instrument des industriellen Risikomanagements
Compliance beim industriellen Risikomanagement: Die Seveso-III-Richtlinie soll den Bürgern und der Umwelt mehr Schutz vor großen Unfällen bieten
Bessere Information der Bürger über große Unfallrisiken - Beherrschung der Gefahren bei schweren Unfällen
(28.08.12) - Neue Regeln sollen dafür sorgen, dass die EU-Bürger über große Gefahren durch Industrieanlagen in ihrer unmittelbaren Umgebung besser informiert werden. Die Regeln sind Bestandteil einer ansonsten technischen Überarbeitung der sog. Seveso-Richtlinie, einem wichtigen Instrument des industriellen Risikomanagements, das an die jüngsten Änderungen der internationalen und der europäischen Einstufung von Chemikalien angepasst wird. Durch die Richtlinie werden die Mitgliedstaaten verpflichtet, Notfallpläne für Gebiete in der Umgebung von Industrieanlagen zu erarbeiten, in denen sich große Mengen gefährlicher Stoffe befinden.
Hierzu erklärte EU-Umweltkommissar Janez Potočnik: "Die Seveso-III-Richtlinie wird den Bürgern und der Umwelt mehr Schutz vor großen Unfällen bieten. Außerdem werden die Bürger künftig besser informiert und stärker in Entscheidungen über die Flächennutzungsplanung eingebunden."
Neben der technischen Überarbeitung zur Berücksichtigung von Änderungen bei der EU-Einstufung von Chemikalien ergeben sich für die Bürger insbesondere folgende Verbesserungen:
>> besserer Zugang zu Informationen über die Gefahren aus der Tätigkeit nahegelegener Industrieanlagen sowie über Verhaltensregeln bei einem Unfall; dies erhöht auch das Vertrauen in die Tätigkeit dieser Unternehmen;
>> wirksamere Vorschriften über die Beteiligung der betroffenen Öffentlichkeit in Planungsvorhaben im Zusammenhang mit Seveso-Anlagen;
>> Zugang zu Gerichten für die Bürger, denen keine ausreichende Möglichkeit zur Information oder zur Teilnahme gewährt wurde;
>> strengere Maßstäbe für die Inspektion von Betrieben zur wirksameren Durchsetzung von Sicherheitsvorschriften.
Künftig müssen öffentliche Informationen über Risiken elektronisch bereitgestellt werden. Alle Betriebe, die unter diese Richtlinie fallen, müssen darüber informieren, wie der Alarm ausgelöst wird und wie sich die Bürger im Falle eines schweren Unfalls verhalten sollen. Beim Auftreten eines Unfalls müssen die zuständigen Behörden jeden informieren, der davon betroffen sein könnte, und die wichtigsten Maßnahmen angeben, die in diesem Fall zu treffen sind. Durch die Änderung der Gesetze zur Flächennutzungsplanung wird bei der Planung von neuen Betrieben und von Infrastrukturen in der Nähe bestehender Betriebe ein geeigneter Sicherheitsabstand eingeführt. Die Verfahrensvorschriften für die öffentliche Anhörung zu Vorhaben, Plänen und Programmen wurden verschärft. Künftig müssen Behörden und Betriebe, die große Unfallpotenziale bewerten und Maßnahmen zu deren Verhütung treffen, etwaige größere Risiken durch die Nähe zu anderen Industrieansiedlungen und mögliche Auswirkungen auf benachbarte Anlagen stärker berücksichtigen.
Weitere Schritte
Die Mitgliedstaaten müssen diese Vorschriften ab 1. Juni 2015 anwenden; ab diesem Zeitpunkt treten in Europa auch die neuen Rechtsvorschriften zur Einstufung von Chemikalien in vollem Umfang in Kraft.
Hintergrund
Die Seveso-Richtlinie zur Beherrschung der Gefahren bei schweren Unfällen stammt aus dem Jahr 1982. Sie verpflichtet die Mitgliedstaaten, dafür zu sorgen, dass alle unter diese Richtlinie fallenden Betreiber über ein Konzept zur Verhütung schwerer Unfälle verfügen. Betreiber, die beim Umgang mit gefährlichen Stoffen bestimmte Mengenschwellen überschreiten, müssen regelmäßig die Öffentlichkeit informieren, die von einem Unfall betroffen sein könnte, und Sicherheitsberichte erstellen sowie über ein Sicherheitsmanagementsystem und einen internen Notfallplan verfügen. Außerdem müssen die Mitgliedstaaten sicherstellen, dass für die Umgebung Notfallpläne vorliegen und Maßnahmen zur Begrenzung von Unfallfolgen geplant sind. Diese Ziele sind auch bei der Flächennutzungsplanung zu berücksichtigen.
Außerdem gilt die Richtlinie als entscheidender Faktor für die Verringerung der Wahrscheinlichkeit und der Auswirkungen schwerer Unfälle mit gefährlichen Stoffen, denn die Zahl der gemeldeten Unfälle ging trotz der gestiegenen Zahl entsprechender Betriebe zwischen 2000 und 2008 um 10 Prozent zurück. Dieses Konzept wurde weltweit übernommen.
Die Richtlinie erfasst etwa 10.000 ortsfeste Industrieanlagen insbesondere in den Bereichen Chemie, Petrochemie, Lagerung und Metallaufbereitung, die große Mengen gefährlicher Stoffe verwenden oder lagern. Für die Kontrolle werden die Betriebe in verschiedene Klassen eingestuft: Je größer die Mengen gefährlicher Stoffe in einem Betrieb, desto strenger sind die Vorschriften (in Betrieben der oberen Klassen sind größere Mengen dieser Stoffe vorhanden als in den Betrieben der unteren Klassen, weshalb sie strengeren Kontrollen unterliegen).
Im Jahr 2008 haben der Rat und das Europäische Parlament die CLP-Verordnung über die Einstufung, Kennzeichnung und Verpackung von Stoffen und Gemischen angenommen und damit das EU-System an das neue Global Harmonisierte System (GHS) der VN angepasst, das auf internationaler Ebene die Einstufung von Chemikalien regelt. Hierdurch wiederum entstand die Notwendigkeit zur Anpassung der Seveso-Richtlinie, da sich ihr Geltungsbereich auf das vorherige Einstufungssystem stützt, das im Juni 2015 durch die CLP-Verordnung aufgehoben wird. Bei dieser Anpassung ergab sich auch die Gelegenheit, andere Aspekte der Richtlinie wie insbesondere Inspektionen von Betrieben, Information und Beteiligung der Öffentlichkeit oder den Zugang zu Gerichten zu verbessern. (Europäische Kommission: ra)
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