Modernisierung der EU-Vorschriften
Verbraucherschutz: EU-Kommission verabschiedet strengere Verbraucherschutzvorschriften für Online-Finanzdienstleistungen
Einfachere Wahrnehmung des 14-tägigen Widerrufsrechts bei Fernabsatzverträgen für Finanzdienstleistungen
Die Europäische Kommission hat eine Reform der geltenden EU-Vorschriften über den Fernabsatz von Finanzdienstleistungen für Verbraucher angenommen. Der Vorschlag soll die Verbraucherrechte stärken und die grenzüberschreitende Erbringung von Finanzdienstleistungen im Binnenmarkt fördern. Dieser Markt hat sich vor dem Hintergrund der allgemeinen Digitalisierung des Sektors und der neuen Arten von Finanzdienstleistungen, die seit dem Erlass der Vorschriften im Jahr 2002 eingeführt wurden, erheblich weiterentwickelt. Diese Entwicklungen wurden durch die Auswirkungen der COVID-19-Pandemie mit einer spürbaren Zunahme von Online-Transaktionen weiter verstärkt.
Die für Werte und Transparenz zuständige Vizepräsidentin der Kommission Věra Jourová erklärte: "Die Verbraucher nehmen zunehmend Online-Dienste in Anspruch, auch im Finanzbereich, und das ist eine gute Sache. Wir müssen aber auch sicherstellen, dass die Spielregeln mit den jüngsten Entwicklungen Schritt halten. Die Verbraucher brauchen klare Informationen und ein Sicherheitsnetz für den Fall, dass etwas schiefgeht."
Das für Justiz zuständige Kommissionsmitglied Didier Reynders fügte hinzu: "So wie sich die Welt der Finanzdienstleistungen weiterentwickelt, müssen auch unsere Vorschriften auf dem neuesten Stand sein – so einfach ist das. Die Digitalisierung und die sprunghafte Zunahme neuer Finanzprodukte haben diesen Sektor in den letzten zwanzig Jahren grundlegend verändert, und die jüngsten Ausgangsbeschränkungen infolge der COVID-Krise haben gezeigt, dass ein effizienterer und modernerer Rechtsrahmen für Fernfinanzdienstleistungen wichtiger denn je ist. Auch wenn die Risiken und Herausforderungen unterschiedlich ausfallen können, liegt unser Fokus stets auf der Sicherheit der Verbraucher."
Modernisierung der EU-Vorschriften
Um die Bereitstellung von Finanzdienstleistungen im Binnenmarkt zu fördern und ein hohes Verbraucherschutzniveau zu gewährleisten, werden mit dem Vorschlag Maßnahmen in mehreren Bereichen eingeführt:
>> Einfachere Wahrnehmung des 14-tägigen Widerrufsrechts bei Fernabsatzverträgen für Finanzdienstleistungen: Um Verbrauchern die Ausübung dieses Rechts zu erleichtern, müssen Unternehmer bei elektronischen Verkäufen eine Schaltfläche für den Widerruf bereitstellen. Darüber hinaus ist der Unternehmer verpflichtet, eine Mitteilung über das Widerrufsrecht zu übermitteln, wenn der Verbraucher die vorvertraglichen Informationen weniger als einen Tag vor Vertragsschluss erhält.
>> Klare Vorschriften darüber, wie und wann welche vorvertraglichen Informationen bereitzustellen sind: Mit dem Vorschlag werden unter anderem die Vorschriften in Bezug auf die elektronische Kommunikation modernisiert, indem der Verkäufer verpflichtet wird, vorab bestimmte Informationen zur Verfügung zu stellen, beispielsweise die E-Mail-Adresse des Unternehmers, etwaige versteckte Kosten oder das Risiko im Zusammenhang mit der Finanzdienstleistung. Die Informationen müssen zudem deutlich sichtbar auf dem Bildschirm angezeigt werden, und es werden Vorschriften für die Verwendung von Pop-ups oder Linkschichten zur Bereitstellung von Informationen eingeführt. Mit den neuen Vorschriften soll auch sichergestellt werden, dass der Verbraucher ausreichend Zeit hat, die erhaltenen Informationen mindestens einen Tag vor der eigentlichen Unterzeichnung zu verarbeiten.
>> Besondere Vorschriften zum Schutz der Verbraucher beim Abschluss von Finanzdienstleistungsverträgen im Internet: Finanzdienstleistungsverträge können insbesondere dann schwer zu verstehen sein, wenn sie im Fernabsatz ausgehandelt werden. Der Vorschlag verpflichtet die Unternehmer, faire und transparente Online-Systeme einzurichten und bei der Nutzung von Online-Tools wie Robo-Advice oder Chatboxen angemessene Erklärungen bereitzustellen. Die Vorschriften versetzen den Verbraucher auch in die Lage, menschliches Eingreifen zu verlangen, wenn die Interaktion mit solchen Online-Tools nicht vollständig zufriedenstellend ist.
>> Durchsetzung: Der Vorschlag gibt den zuständigen Behörden Mittel für eine wirksamere Durchsetzung an die Hand. Bei weit verbreiteten grenzüberschreitenden Verstößen werden für im Fernabsatz geschlossene Finanzdienstleistungsverträge strengere Sanktionen gelten, die im Höchstmaß mindestens 4 Prozent des Jahresumsatzes betragen.
>> Vollständige Harmonisierung zur Gewährleistung des gleichen hohen Verbraucherschutzniveaus im gesamten Binnenmarkt: Mit dem Vorschlag werden die Rechtsvorschriften vollständig harmonisiert und ähnliche Vorschriften für alle Anbieter in den Mitgliedstaaten eingeführt.
Hintergrund
In den letzten 20 Jahren hat sich der Fernabsatz von Finanzdienstleistungen für Verbraucher rasant verändert. So nutzen Finanzdienstleister und Verbraucher das in der Richtlinie genannte Faxgerät nicht mehr, und zwischenzeitlich sind neue Akteure (z. B. FinTech-Unternehmen) mit neuen Geschäftsmodellen und neuen Vertriebskanälen (z. B. Online-Verkauf von Finanzdienstleistungen) auf den Plan getreten. Darüber hinaus haben die Auswirkungen der COVID-19-Pandemie und der damit verbundenen Ausgangsbeschränkungen die Nutzung von Online-Einkäufen im Allgemeinen beschleunigt.
Die Richtlinie wurde einer umfassenden Bewertung unterzogen, deren wichtigste Ergebnisse wie folgt lauteten: i) Nach Inkrafttreten der Richtlinie wurden eine Reihe produktspezifischer EU-Rechtsakte (z. B. die Verbraucherkreditrichtlinie) und horizontale EU-Rechtsvorschriften (die Datenschutz-Grundverordnung) erlassen, wodurch die Richtlinie in der Folge an Relevanz und Mehrwert verlor. ii) Eine Reihe von Entwicklungen wie die zunehmende Digitalisierung von Dienstleistungen beeinträchtigt die Wirksamkeit der Richtlinie im Hinblick auf die Verwirklichung ihrer Hauptziele. iii) Die Richtlinie ist jedoch weiterhin von Nutzen, da ihre horizontale Anwendung sicherstellt, dass das Merkmal des Sicherheitsnetzes Verbrauchern ein gewisses Schutzniveau für im Fernabsatz geschlossene Verträge auch im Falle derjenigen Finanzprodukte bietet, die noch nicht EU-Rechtsvorschriften unterliegen (z. B. gilt die Richtlinie in Ermangelung von EU-Vorschriften über Kryptowerte).
In der Folgenabschätzung zu dem Vorschlag wurde eine Reihe von Optionen untersucht. Die bevorzugte Option besteht in der Aufhebung der Richtlinie 2002/65/EG, der Modernisierung und anschließenden Aufnahme der noch relevanten Artikel (Recht auf vorvertragliche Informationen und Widerrufsrecht) in die Richtlinie 2011/83/EU (Verbraucherrechterichtlinie), der Ausweitung der Anwendung bestimmter Vorschriften der Richtlinie 2011/83/EU auf im Fernabsatz kontraktierte Finanzdienstleistungen für Verbraucher (z. B. Vorschriften über zusätzliche Zahlungen sowie Vorschriften über Durchsetzung und Sanktionen) und der Einführung gezielter neuer Bestimmungen, die Fairness im Internet gewährleisten sollen, wenn Verbraucher Verträge über Finanzdienstleistungen online schließen. Vor diesem Hintergrund werden mit dieser Option die festgestellten Probleme zur Erreichung der Ziele auf wirksame, effiziente und verhältnismäßige Weise angegangen.
(Europäische Kommission: ra)
eingetragen: 30.05.22
Newsletterlauf: 25.07.22
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