Kritik an Schufa im Grunde kaum berechtigt


Kommentar: Der Schufa vorzuwerfen, das Web mit allen Tricks zu durchschnüffeln, um Daten auslesen zu können, ist so, als ob man einem Schwein vorhält, zu stinken
Aufgabe der Politik ist es, nicht heuchlerisch herumzumäkeln, sondern klar und deutlich zu regeln, wo, wann und wie welche Daten gesammelt, auswertet und zur Profilbildung verwendet werden dürfen

Von Rainer Annuscheit

(11.06.12) - Viel Kritik von Politik, Verbänden und Datenschützern hat das vom Hasso-Plattner-Institut (HPI) und der Schufa Holding AG angestoßene Forschungsprojekt geerntet, das die Zusammenarbeit im Bereich der technischen Datenverarbeitung zum Inhalt hatte und als Ziel die Analyse und Erforschung von Daten aus dem Web. Schlicht als Schufa-Schnüffelprojekt bezeichnet, wurde es gewissermaßen als Inbegriff des Bösen und die Schufa selbst als eine in AG gegossene Form der Unmoral gesehen. Für das Ansehen des Unternehmens, dem die breite Öffentlichkeit schon immer die Krätze an den Hals gewünscht hat, war diese Forschungsidee schlichtweg der Image-Super-Gau ein. Auch das sehr seriöse HPI geriet als Helfer des "Bösen" unter vehementen Beschuss.

Dabei ist die Kritik im Grunde genommen kaum berechtigt. Der Schufa vorzuwerfen, das Web mit allen Tricks zu durchschnüffeln, um Daten auslesen zu können, ist so, als ob man einem Schwein vorhält, zu stinken. Es ist halt seine Natur. Und die Natur der Schufa ist es, Daten zu sammeln und Profile zu erstellen. Und das will sie natürlich möglichst gut machen. Dass man dann nicht vor neuen Medien halt macht, ist eigentlich begreiflich. Es wäre eher erwunderlich, wenn dem nicht so wäre.

Direkt naiv sieht die Kritik im Detail aus, wenn man mit erhobenem Zeigefinger mahnt, dass z.B. keine Google-Streetview-Daten für die Profilerstellung ausgewertet werden dürfen. Jeder zweite Bankangestellte kann Ihnen heute erzählen, wie wichtig eine Bewertung Ihres genauen Wohnortes ist, wenn Sie einen Kredit beantragen. Sollten Sie in Hochaussiedlungen wohnen, werden Sie gleich ein paar Punkte nach unten gescort. Oder versuchen Sie doch einfach mal, mit Ihrem Telefonanbieter mehrere Mobilfunk-Telefonverträge abzuschließen, wenn Sie in einem Haus wohnen, das z.B. die Hausnummer 22c trägt. Egal, ob Sie vielleicht eine Millionärsvilla dort stehen haben oder nicht. Buchstaben hinter Hausnummern führen automatisch zur Abwertung, denn es könnte sich ja auch dort um eine Hochhaus-Reihensiedlung handeln. Insofern wäre die fehlerfreie Einarbeitung von Google-Streetview-Daten ironischerweise direkt eher eine Bereicherung.

Was ich damit sagen will: Es gibt fast alles schon im Bereich der Profilbildung. Daten werden ununterbrochen gesammelt und zu Profilen ausgewertet. Man weiß es bloß kaum. Ihre Bank kann Ihnen allein anhand der Kontobewegungen genau sagen, ob Sie verheiratet sind oder ledig. Ob Sie sogar geschieden oder vielleicht homosexuell sind. Kontobewegungen verraten einfach alles, was man für eine Profilerstellung benötigt.

Und was Facebook derzeit mit den Änderungen seiner Geschäftsbedingungen macht, bedarf überhaupt keines Kommentars. Facebook ist eine gigantische Profilerzeugungsmaschine. Eigentlich müssten moralisch Unternehmen allesamt das Soziale Netzwerk boykottieren. Tun sie aber nicht.

Es ist also Aufgabe der Politik, nicht heuchlerisch an der Schufa herumzumäkeln, sondern klar und deutlich zu regeln, wo, wann und wie welche Daten gesammelt, auswertet und zur Profilbildung verwendet werden dürfen.

Moral zählt im Geschäftsleben nur wenig und ist schon gar nicht eine gesetzliche Compliance-Vorschrift, die man als Unternehmen beachten muss. Unternehmen müssen ihre Unternehmensziele erreichen (nicht zu verwechseln mit Umsatz) und sich selbst weiterentwickeln: Solange sich die Schufa nicht in einem rechtlich nicht zu vertretenden Rahmen bewegt (d.h. ein ihr vorgeworfener Missbrauch Soziale Netze auch eine Gesetzesverletzung ist), ist ihr eigentlich nichts vorzuwerfen. Die Politik muss festlegen, wie dieser Rahmen gesteckt ist. Im Arbeitsrecht hat sie dies teilweise getan. Jeder Personaler weiß oder sollte wissen, wie er mit Daten, die er aus dem Web und Sozialen Medien gewinnt, umgeht. Ob er das immer beherzigt, ist natürlich eine ganz andere Frage.

Was die von Unternehmen initiierte Profilerstellung im großen Stil betrifft, haben wir sicher eine eindeutige Regelungslücke, die der Gesetzgeber schließen schnell muss. (Compliance-Magazin.de)

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