Registrierung von Website-Besuchern des BKAs
Besucher der BKA-Website müssen mit Identifizierung rechnen – Bundesregierung interpretiert dies als "Aufrechterhaltung des Behördenbetriebs"
Bundesregierung lässt nicht erkennen, ob die die nach dem Urteil des Amtsgerichts Berlin-Mitte rechtswidrige Praxis der Vorratsspeicherung bei den Bundesbehörden abgestellt werden soll
(13.11.07) - Wer die Website des Bundeskriminalamtes (BKA) besucht, muss damit rechnen, dass seine IP-Adresse protokolliert und er, im Fall einer "signifikanten Zugriffsfrequenz", identifiziert wird.
Das bestätigt die Bundesregierung in ihrer Antwort (16/6884) auf eine Kleine Anfrage der FDP-Fraktion (16/6686). Die Speicherung der IP-Adresse diene dem Zweck der Strafverfolgung im Rahmen konkreter Ermittlungsverfahren, "um notwendige Anschlussmaßnahmen", in dem Fall also Auskunftsersuchen gegenüber dem Provider, zu ergreifen.
Neben der Adresse, so heißt es weiter, würden alle "notwendigen technischen Begleitdaten" gespeichert, mit der sich die zugreifende IP-Adresse auf der Homepage "melde", etwa Uhrzeit und Dauer des Zugriffs.
Weiter heißt es, die überwiegende Zahl der Ressorts der Bundesbehörden speichere die IP-Adressen der Website-Besucher. Dies sei "insbesondere aus Sicherheitsgründen notwendig": Die Bundesverwaltung sei kontinuierlich "massiven" Angriffen aus dem Internet ausgesetzt. Zu deren Abwehr gehöre als Sicherheitsmaßnahme auch die Speicherung der IP-Adressen.
Nicht abschließend geklärt sei, so die Bundesregierung, ob es sich bei IP-Adressen um personenbezogene Daten handele. Es gebe mit einem Urteil des Amtsgerichts Berlin "erstmals eine Gerichtsentscheidung", nach der IP-Adressen nicht nur für den Zugangsanbieter, der diese Adressen vergibt, sondern auch für den Anbieter eines Dienstes personenbezogene Daten seien, "obwohl der Diensteanbieter einen Personenbezug allenfalls mit Hilfe des Zugangsanbieters herstellen könnte". Die Auswirkungen des Urteils würden derzeit "intensiv" geprüft.
Vorbemerkung der Fragestellung
Mit Urteil vom 27. März 2007 hat das Amtsgericht Berlin Mitte dem Bundesjustizministerium untersagt, "[personenbezogene] Daten des Klägers, die im Zusammenhang mit der Nutzung des Internetportals‚ http://www.bmj.bund.de‚ übertragen wurden, über das Ende des jeweiligen Nutzungsvorgangs hinaus zu speichern". Die Aufbewahrung solcher Kommunikationsspuren ermöglicht es, das Surf- und Suchverhalten von Internetnutzern detailliert nachzuvollziehen. In einer solchen Vorratsprotokollierung liege aber eine "Verletzung des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung" der Betroffenen, so das Gericht. Das Bundeskriminalamt (BKA) soll nach einem Bericht des "TAGESSPIEGEL" vom 1. Oktober 2007 seine seit September 2004 bestehende Praxis gleichwohl nicht geändert haben, sondern auch weiterhin die IP-Adressen von Besuchern der Internetseite "Militante Gruppe" registrieren. Zudem soll die Behörde versucht haben, ein Teil der Computerbesitzer zu identifizieren, die die betreffende BKA-Website besucht haben.
1. Aufgrund welcher Ermächtigungsgrundlage speichert das Bundeskriminalamt die IP-Adressen der Besucher seiner Websiten, z. B. auf der Unterseite "Militante Gruppen"?
Bei der vom Bundeskriminalamt (BKA) genutzten Ermittlungsmethode der anlassbezogenen Speicherung von IP-Adressen werden alle Zugriffe, welche auf die gemäß §§ 131b, c der Strafprozessordnung (StPO) eingestellte Fahndungsseite zugreifen, durch Erhebung und Speicherung der zugreifenden IP-Adressen auf der Grundlage von §§ 161, 163 StPO protokolliert. Eine Anschlussinhaberfeststellung über den Provider gemäß § 100g StPO bzw. § 113 des Telekommunikationsgesetzes (TKG) erfolgt nur bei IP-Adressen, die eine signifikante Zugriffsfrequenz aufweisen, mithin nicht bei jeder erhobenen IP-Adresse. Der Personenbezug der IP-Adresse wird erst durch die Auskunft des Betreibers hergestellt. Demnach ist die Erhebung, Speicherung und Abklärung der Inhaber von IPAdressen im Rahmen eines Ermittlungsverfahrens – dem Wesen einer strafprozessualen Maßnahme folgend – nicht verdachtsunabhängig, sondern anlassbezogen. Insofern widerspricht dieses anlassbezogene Vorgehen des BKA nicht den Aussagen der für Verwaltungsbehörden maßgeblichen Urteile des AG Berlin Mitte bzw. der Berufungsinstanz LG Berlin vom 6. September 2007 (Az.: 23 S 3/07, vorgehend AG Berlin Mitte, vom 27. März 2007, Az.: 5 C 314/06), welche die verdachtsunabhängige und ohne Rechtsgrundlage vorgenommene, dauerhafte Speicherung der Zugriffsdaten auf Homepages für rechtswidrig erklärt haben.
2. Zu welchem Zweck werden die IP-Adressen der Besucher der Website bzw. von bestimmten Teilen der Website des Bundeskriminalamts gespeichert?
Die Speicherung der auf die Fahndungsseite zugreifenden IP-Adresse dient dem Zweck der Strafverfolgung im Rahmen von konkreten Ermittlungsverfahren, um notwendige Anschlussmaßnahmen zu ergreifen (hier: Auskunftsersuchen gegenüber dem Provider). Im Übrigen siehe Antwort zu Frage 1.
3. Wie lange werden die IP-Adressen der Besucher der Website gespeichert?
Der Zeitraum der Speicherung der erhobenen Daten richtet sich nach der Dauer des jeweiligen Ermittlungsverfahrens, in welchem die Speicherung von IPAdressen als strafprozessuale Maßnahme eingesetzt wird.
4. Wurden neben der IP-Adresse auch noch andere Daten gespeichert, wie z. B. der Name der abgerufenen Dateien oder übertragene Datenmenge, und wenn ja, welche?
Es werden alle notwendigen technischen Begleitdaten gespeichert, mit der sich die zugreifende IP-Adresse auf der Homepage "meldet". Diese Begleitdaten enthalten z. B. auch die Uhrzeit und die Dauer.
5. Aufgrund welcher Ermächtigungsgrundlage und aus welchen Gründen beantragte das Bundeskriminalamt bei welchen Internetzugangsprovidern Auskünfte zu welchen personenbezogenen Daten in Bezug auf die IPAdressen, die beim Besuch der Website des Bundeskriminalamtes gespeichert wurden?
Die Feststellung von Anschlussinhaberdaten zu IP-Adressen erfolgt im Rahmen eines konkreten Ermittlungsverfahrens zur Gewinnung von Ermittlungsansätzen und wird gemäß § 113 TKG bzw. §§ 100g, h StPO (hier: richterliche Anordnung) bei den Providern abgefragt. An welchen Internetserviceprovider sich diese Auskunftsersuchen richten, ist abhängig von der jeweiligen Zuordnung der betreffenden IP-Adresse zu dem Kontingent eines bestimmten Providers. Soweit dem hinter der IP-Adresse stehenden Anschluss eine natürliche Person zugeordnet werden kann, kann der Personenbezug als Ermittlungsansatz hergestellt werden.
6. Zu wie vielen Personen wurden Auskünfte eingeholt, und wie wurden die Betroffenen davon in Kenntnis gesetzt?
Eine detaillierte Beantwortung dieser Frage zum jetzigen Zeitpunkt ist nicht möglich, da sie die Darlegung von Informationen aus einem laufenden Ermittlungsverfahren erforderlich machen würde.
7. Welche Bundesbehörden speichern ebenfalls die IP-Adressen der Besucher welcher Websites, und aufgrund welcher Ermächtigungsgrundlage geschieht dies?
Die überwiegende Zahl der Ressorts und, soweit dies in der Kürze der Zeit ermittelt werden konnte, deren nachgeordnete Behörden speichern die einem PC zugeordnete IP-Adresse, von denen aus ihre Internetseiten besucht werden bzw. lassen dies durch beauftragte Unternehmen speichern. Dies ist insbesondere aus Sicherheitsgründen notwendig: Die Bundesverwaltung ist kontinuierlich massiven und hoch professionellen Angriffen aus dem Internet ausgesetzt und der durch die Angriffe verursachte Kommunikationsverkehr übertrifft seit langem den regulären Kommunikationsverkehr.
Zur Abwehr dieser Angriffe und zur Aufrechterhaltung des Behördenbetriebs sind zahlreiche Sicherheitsmaßnahmen notwendig. Dazu gehört zwingend die Speicherung der IP-Adressen, um Angriffsmuster erkennen und Gegenmaßnahmen (z. B. das Sperren bestimmter, für den Angriff genutzter IP-Adressen) einleiten zu können. Ohne diese Daten ist eine Abwendung der kontinuierlichen Angriffe nicht möglich. Inwieweit IP-Adressen personenbezogene Daten darstellen, ist nicht abschließend geklärt. Mit dem in der Kleinen Anfrage in Bezug genommenen Urteil des AG Berlin liegt nach hiesiger Kenntnis erstmals eine Gerichtsentscheidung vor, nach der IP-Adressen nicht nur für den Zugangsanbieter, der diese Adressen vergibt, sondern auch für den Anbieter eines (Medien-)Dienstes (wie hier für das Angebot der Seite www.bmj.bund.de) personenbezogene Daten sind, obwohl der Diensteanbieter einen Personenbezug allenfalls mit Hilfe des Zugangsanbieters herstellen könnte.
8. Wie verfahren diese mit den gespeicherten Daten im Hinblick auf Speicherung, Benachrichtigung der Betroffenen und Löschung?
Die Speicherung geschieht grundsätzlich nur temporär mit anschließender Löschung. Wie in Antwort zu Frage 7 dargestellt, sind die gespeicherten IP-Adressen nicht aus sich heraus personenbezogen, die Benachrichtigung würde also die Identifikation der betroffenen Person voraussetzen.
9. Bis wann soll die nach dem Urteil des Amtsgerichts Berlin-Mitte rechtswidrige Praxis der Vorratsspeicherung bei den Bundesbehörden spätestens abgestellt werden?
Die Auswirkungen des Urteils LG Berlin vom 6. September 2007 (Az.: 23 S 3/07, vorgehend AG Berlin Mitte, vom 27. März 2007, Az.: 5 C 314/06) auf die bisherige Praxis wird derzeit vor dem Hintergrund der dargestellten Bedrohung (siehe Antwort zu Frage 7) intensiv geprüft.
(Deutsche Bundesregierung: ra)
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