Neues Bahnstrompreissystem einführen
Kartellrecht: EU-Kommission akzeptiert rechtsverbindliche Verpflichtungszusagen der Deutschen Bahn in Bezug auf Bahnstrompreise
Im Juni 2012 hatte die Kommission wegen ihrer Bedenken aufgrund des Preissystems der DB Energie, des zum DB-Konzern gehörigen Bahnstromanbieters, ein Kartellverfahren gegen die Deutsche Bahn eingeleitet
(20.01.14) - Die EU-Kommission hat die von der Deutschen Bahn AG (DB) angebotenen Verpflichtungszusagen über die Preisgestaltung ihres Bahnstromangebots akzeptiert und für bindend erklärt. Bahnstrom ist jene Art von Strom, die für den Antrieb von Lokomotiven verwendet wird. Die Kommission hatte Bedenken, dass das Bahnstrom-Preissystem der DB und insbesondere dort vorgesehene Rabatte, die de facto nur zum DB-Konzern gehörige Eisenbahnunternehmen in Anspruch nehmen konnten, den Wettbewerb beim Schienengüterverkehr und beim Personenfernverkehr in Deutschland behinderte.
Um diese Bedenken auszuräumen, hat die DB angeboten, ein neues Bahnstrompreissystem einzuführen, das gleichermaßen für alle Eisenbahnverkehrsunternehmen gelten und nicht zum DB-Konzern gehörige Stromanbieter in die Lage versetzen soll, Eisenbahnverkehrsunternehmen direkt mit Bahnstrom zu beliefern. Die ursprünglichen Verpflichtungszusagen waren von der DB aufgrund der Ergebnisse eines Markttests abgeändert worden; die Kommission sieht ihre wettbewerbsrechtlichen Bedenken mit der endgültigen Fassung der Verpflichtungszusagen als ausgeräumt an.
Der für Wettbewerbspolitik zuständige Vizepräsident der Kommission, Joaquín Almunia, erklärte dazu: "Dank der von der Deutschen Bahn vorgeschlagenen Verpflichtungszusagen werden Schienenverkehrsunternehmen künftig zwischen mehreren Stromversorgern wählen können. Da Bahnstrom für den Eisenbahnverkehr unentbehrlich ist, wird diese Maßnahme auch zu mehr Wettbewerb und besseren Leistungen auf den Schienenverkehrsmärkten führen."
Im Juni 2012 hatte die Kommission wegen ihrer Bedenken aufgrund des Preissystems der DB Energie, des zum DB-Konzern gehörigen Bahnstromanbieters, ein Kartellverfahren gegen die Deutsche Bahn eingeleitet. Als wettbewerbsrechtlich fragwürdig stufte sie insbesondere bestimmte Rabattangebote ein, die aufgrund der verlangten Voraussetzungen in der Praxis nur von den konzerneigenen Eisenbahnunternehmen in Anspruch genommen werden konnten, so dass konzernfremden Güter- oder Personenfernverkehrsanbietern Wettbewerbsnachteile in Form von Margenbeschneidungen drohten. Um diese Bedenken auszuräumen, bot die DB einen Katalog von Verpflichtungszusagen an, der später im Lichte der Stellungnahmen, welche die Kommission von Marktteilnehmern erhalten hatte, abgeändert wurden.
Ab dem 1. Juli 2014 wird die DB Energie anderen Stromversorgern Zugang zu ihrem Bahnstromnetz gewähren. Zudem wird sie ein neues Preissystem einführen, in dem der Strompreis und das - von der Bundesnetzagentur regulierte - Netzentgelt separat berechnet werden. Um einen Marktzutritt zu erleichtern, wird die DB Energie ganz auf Strompreisrabatte verzichten. Ab Juli 2014 gewährt sie ferner sämtlichen konzernfremden Eisenbahnunternehmen eine Senkung des Bahnstrompreises, der ihnen für das Vorjahr in Rechnung gestellt wurde, von 4Prozent. Damit wird gewährleistet, dass die Eisenbahnunternehmen unverzüglich in den Genuss niedriger Preise kommen, bis sich die Folgen des zunehmenden Wettbewerbs bemerkbar machen. Die niedrigeren Bahnstrompreise werden dazu beitragen, die Margenbeschneidung abzubauen und die Eisenbahnunternehmen wieder in die Lage zu versetzen, auf den Märkten für Güterbeförderung und Personenfernverkehr mit der DB zu konkurrieren.
Die Kommission kam zu dem Ergebnis, dass diese Verpflichtungszusagen den Bahnstrommarkt für den Wettbewerb öffnen und der Margenbeschneidung von Eisenbahnunternehmen auf den Schienenverkehrsmärkten in Deutschland ein Ende setzen werden. Die Kommission wird die Umsetzung der Verpflichtungen mit Hilfe eines Treuhänders genau beobachten.
Hintergrundinformationen zur Untersuchung
Im Juni 2013 setzte die Kommission die Deutsche Bahn von ihrer vorläufigen Beurteilung in Kenntnis, dass die DB ihre beherrschende Stellung auf dem Markt für die Bahnstromversorgung in Deutschland unter Verstoß gegen Artikel 102 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) missbräuchlich ausgenutzt haben könnte. Ihre Bedenken galten der Bahnstrompreispolitik des Unternehmens, die zu einer Margenbeschneidung auf den Märkten für den Schienengüterverkehr und den Schienenpersonenfernverkehr in Deutschland geführt haben könnte. Eine Margenbeschneidung liegt vor, wenn die von einem beherrschenden Unternehmen auf einem vorgelagerten Markt (im vorliegenden Fall die Versorgung mit Bahnstrom) verlangten Preise es einem ebenso effizienten Wettbewerber auf dem nachgelagerten Markt (im vorliegenden Fall die Erbringung von Schienenverkehrsleistungen) nicht erlauben, langfristig rentabel zu bleiben.
Als Bahnstrom wird der Strom mit einer Frequenz von 16,7 Hertz bezeichnet, der zum Antrieb von Lokomotiven in Deutschland verwendet wird und ein unentbehrliches Vorleistungsprodukt für Eisenbahnverkehrsunternehmen darstellt. Die DB Energie ist derzeit der einzige Bahnstromanbieter in Deutschland und hat somit eine beherrschende Stellung auf diesem Markt inne.
Die DB Energie vertreibt den Bahnstrom derzeit im Rahmen eines Vollversorgungsangebots, bei dem die Eisenbahnverkehrsunternehmen einen Preis zahlen, der sowohl ihren Bahnstromverbrauch als auch ihre Nutzung des von der DB Energie verwalteten Bahnstromnetzes abdeckt. Nach einem Urteil des Bundesgerichtshofs, in dem festgestellt wurde, dass das Bahnstromnetz der Regulierung durch die Bundesnetzagentur unterliegt, wird die DB Energie ihr Bahnstrompreissystem ändern und das – gesetzlich geregelte – Netzentgelt und den Strompreis separat berechnen.
Hintergrund des Verfahrens
Artikel 102 AEUV verbietet die missbräuchliche Ausnutzung einer beherrschenden Stellung auf dem Binnenmarkt, soweit dies dazu führen kann, den Handel zwischen Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen.
Nachdem sie unangekündigte Nachprüfungen in den Geschäftsräumen der DB durchgeführt hatte, leitete die Kommission im Juni 2012 ein Kartellverfahren ein. Nach Gesprächen über etwaige Verpflichtungszusagen setzte die Kommission die Deutsche Bahn im Juni 2013 von ihren vorläufigen Wettbewerbsbedenken in Kenntnis. Im August 2013 bat die Kommission betroffene Dritte um Stellungnahme zu den von der DB zur Ausräumung dieser Bedenken vorgeschlagenen Verpflichtungszusagen. Aufgrund der Ergebnisse dieses von der Kommission vorgenommenen Markttests änderte die Deutsche Bahn ihre Verpflichtungszusagen.
Der Beschluss der Kommission wird nach Artikel 9 der EU-Kartellverordnung (Verordnung 1/2003) erlassen. Mit ihm werden die von der DB angebotenen endgültigen Verpflichtungszusagen für bindend erklärt. Außerdem wird das Verfahren der Kommission eingestellt. Mit dem Beschluss ist kein Urteil über einen etwaigen Verstoß gegen EU-Wettbewerbsrecht verbunden. Allerdings ist die DB von Rechts wegen verpflichtet, ihre Verpflichtungszusagen einzuhalten. Bei Nichterfüllung dieser Verpflichtungen kann die Kommission gegen das Unternehmen eine Geldbuße von bis zu 10 Prozent seines weltweiten Jahresumsatzes verhängen, ohne einen Verstoß gegen die Kartellvorschriften feststellen zu müssen. (Europäische Kommission: ra)
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