Wettbewerbsverbot auf dem Kerntechnologiemarkt
Kartellrecht: Europäische Kommission erklärt Verpflichtungen von Siemens und Areva in Märkten der Nukleartechnologie für bindend
Im Dezember 2011 teilte die Kommission mit, dass das Wettbewerbsverbot und eine Geheimhaltungsklausel gegen Artikel 101 des Vertrags über die Arbeitsweise der EU (AEUV) verstoßen könnten, dem zufolge wettbewerbswidrige Vereinbarungen verboten sind
(27.06.12) - Die Europäische Kommission hat von der Siemens AG und der Areva SA angebotene Verpflichtungszusagen zur Verringerung des Produktumfangs und der Geltungsdauer eines Wettbewerbsverbots auf dem Kerntechnologiemarkt für bindend erklärt. Die Kommission hatte Bedenken, dass das Verbot Wettbewerb verhindert und damit gegen die EU-Kartellvorschriften verstößt. Die Verpflichtungsangebote der beiden Unternehmen wurden einem Markttest unterzogen, der ergeben hat, dass die Bedenken ausgeräumt wurden. Daher konnte die Kommission das Kartellverfahren einstellen.
Areva und Siemens gründeten 2001 das Gemeinschaftsunternehmen Areva NP und vereinbarten ein spezielles Wettbewerbsverbot, das für einen Zeitraum von bis zu 11 Jahren nach Aufgabe der gemeinsamen Kontrolle durch Siemens gelten sollte. Als Siemens 2009 aus dem Gemeinschaftsunternehmen ausstieg, erwarb Areva die alleinige Kontrolle über Areva NP.
Im Dezember 2011 teilte die Kommission mit, dass das Wettbewerbsverbot und eine Geheimhaltungsklausel gegen Artikel 101 des Vertrags über die Arbeitsweise der EU (AEUV) verstoßen könnten, dem zufolge wettbewerbswidrige Vereinbarungen verboten sind.
Das Wettbewerbsverbot war nach Auffassung der Kommission unverhältnismäßig, da es Siemens daran hinderte, auf Märkten am Wettbewerb teilzunehmen, auf denen das Gemeinschaftsunternehmen lediglich als Wiederverkäufer von Siemens-Produkten (z. B. konventionelle Bereiche und bestimmte Komponenten des kerntechnischen Bereichs von Kernkraftwerken) tätig war.
In Bezug auf Märkte, auf denen das Gemeinschaftsunternehmen eigene Produkte wie kerntechnische Bereiche, kerntechnische Dienstleistungen oder Kernbrennelemente ("zentrale Produkte und Dienstleistungen") verkauft, gelangte die Kommission zu dem Schluss, dass das Wettbewerbsverbot zwar grundsätzlich zulässig, seine Laufzeit jedoch unverhältnismäßig lang ist. Siemens hatte als eines der Gründerunternehmen des Gemeinschaftsunternehmens privilegierten Zugang zu vertraulichen Geschäftsinformationen des Gemeinschaftsunternehmens, die Siemens nach seinem Ausstieg aus dem Gemeinschaftsunternehmen nutzen und sich so Vorteile im Wettbewerb mit Areva NP verschaffen könnte. Auf der Grundlage konkreter Anhaltspunkte stellte die Kommission jedoch fest, dass der Schutz vor einem derart erleichterten Wettbewerb durch Siemens nach drei Jahren nicht mehr notwendig ist, weil die betreffenden Informationen nach diesem Zeitraum entweder irrelevant oder zu unsicher seien.
Um die Bedenken der Kommission auszuräumen, boten Siemens und Areva Verpflichtungen an. Sie erklärten sich bereit, die Geltungsdauer des Wettbewerbsverbots hinsichtlich der zentralen Produkte und Dienstleistungen auf drei Jahre nach dem Erwerb der alleinigen Kontrolle über Areva NP durch Areva zu verringern und das Verbot hinsichtlich aller anderen Produkte und Dienstleistungen ganz aufzuheben. Dieselben Verpflichtungen gelten auch in Bezug auf die Geheimhaltungsklausel, soweit sie dieselben Auswirkungen hat wie das Wettbewerbsverbot.
Hintergrund
Die Kommission leitete im Mai 2010 ein förmliches Prüfverfahren ein, um zu klären, ob ein von Siemens und Areva vereinbartes Wettbewerbsverbot nach dem Ausstieg von Siemens aus dem Gemeinschaftsunternehmen Areva NP gegen die EU-Kartellvorschriften verstößt. Im Dezember 2011 teilte die Kommission Siemens und Areva ihre Wettbewerbsbedenken mit. Auf die vorläufige Beurteilung der Kommission hin legten die Parteien im Februar 2012 Verpflichtungsangebote vor. Im März 2012 unterzog die Kommission die angebotenen Verpflichtungen einem Markttest.
Anhand der Ergebnisse des Markttests gelangte die Kommission zu dem Schluss, dass die Wettbewerbsbedenken durch die angebotenen Verpflichtungen angemessen ausgeräumt werden, und erklärte sie nach Artikel 9 der Kartellverordnung (Verordnung 1/2003) für beide Unternehmen für bindend. In dem Beschluss stellt die Kommission nicht fest, ob die EU-Wettbewerbsvorschriften tatsächlich verletzt wurden. Sie erklärt lediglich die angebotenen Verpflichtungen für Siemens und Areva für bindend und schließt ihr Prüfverfahren bezüglich des von den beiden Unternehmen vereinbarten Wettbewerbsverbots ab.
Wenn Siemens oder Areva die Verpflichtungen missachten, kann die Kommission eine Geldbuße in Höhe von bis zu 10 Prozent ihres Jahresgesamtumsatzes verhängen, ohne einen Verstoß gegen die EU-Wettbewerbsvorschriften nachweisen zu müssen.
Sobald alle Fragen im Zusammenhang mit dem Schutz vertraulicher Daten geklärt sind, wird die nichtvertrauliche Fassung des Beschlusses auf der Website der GD Wettbewerb im öffentlich zugänglichen Register unter der Nummer 39736 zugänglich gemacht. (Europäische Kommission: ra)
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