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Dem Markt wird ein starker Wettbewerber genommen


Fusionskontrolle: Kommission nimmt geplanten Zusammenschluss von Deutsche Börse AG und NYSE Euronext unter die Lupe
Erste Marktuntersuchung der Kommission ergab wettbewerbsrechtliche Bedenken in einer Reihe von Bereichen, insbesondere beim Derivatehandel und -clearing


(17.08.11) - Die Europäische Kommission hat eine eingehende Prüfung des geplanten Zusammenschluss der beiden weltweit aktiven Börsenkonzerne Deutsche Börse AG und NYSE Euronext Inc. nach der EU-Fusionskontrollverordnung eingeleitet. Die erste Marktuntersuchung der Kommission ergab wettbewerbsrechtliche Bedenken in einer Reihe von Bereichen, insbesondere beim Derivatehandel und -clearing. Die Kommission hat nun 90 Arbeitstage (d. h. bis zum 13. Dezember 2011), um zu entscheiden, ob der Zusammenschluss wirksamen Wettbewerb im Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) erheblich behindern würde. Die Entscheidung, ein eingehendes Prüfverfahren einzuleiten, bedeutet keine Vorwegnahme des Ergebnisses der Untersuchung.

Der für Wettbewerbspolitik zuständige Vizepräsident der Kommission Joaquín Almunia erklärte: "Der geplante Zusammenschluss würde dem Markt einen starken Wettbewerber nehmen und dem fusionierten Unternehmen die bei weitem führende Stellung im europäischen Derivatehandel vermitteln. Die Kommission muss dafür sorgen, dass auf zentralen Märkte des Finanzsektors wirksamer Wettbewerb bestehen bleibt und diese effiziente Leistungen für die Nutzer erbringen."

Die erste Marktuntersuchung der Kommission signalisierte erhebliche Bedenken in Bezug auf Derivate, da durch die Transaktion die beiden größten Derivatebörsen in Europa vereint werden würden. Derivate sind Finanzverträge, deren Wert von zugrundeliegenden Vermögenswerten oder variablen Größen wie Aktien, Zinssätzen oder Währungen abgeleitet wird. Derivate werden generell zur Absicherung, zu Investitionszwecken und zum allgemeinen Risikomanagement auf den Finanzmärkten genutzt. Das Clearing spielt beim Derivatehandel eine wichtige Rolle. Sein Zweck ist das Management des Risikos der Handelsparteien in der Interimsperiode zwischen Handel und Abrechnung (settlement).

Zum gegenwärtigen Zeitpunkt bestehen die Bedenken der Kommission hauptsächlich darin, dass der Zusammenschluss sich wegen des Wegfalls eines wichtigen Wettbewerbers negativ auf die Innovation bei Derivaten und Technologielösungen auswirken würde. Außerdem könnte der Gebührenwettbewerb eingeschränkt werden, da der Markteintritt für Wettbewerber erschwert würde. Als Kunden könnten Pensionsfonds, Investmentfonds und Privatkundenbanken sowie professionelle Broker und Investmentbanken hiervon betroffen sein. Die Untersuchung förderte Bedenken zutage f, dass bei Fehlen eines Zugangs zu den vergrößerten Clearing Strukturen der fusionierenden Unternehmen (das heißt bei Bestehen eines geschlossenen "vertical silo") der Eintritt konkurrierender Derivateplattformen in einen Markt, der bereits hohe Eintrittsschwellen aufweist, noch weiter erschwert würde.

Bei der ersten Marktuntersuchung wurden auch Bedenken in einer Reihe anderer Bereiche geäußert, insbesondere im Hinblick auf den Aktienhandel und dessen Abrechnung (settlement) sowie auf die Index-Lizensierung..

Die Unternehmen und ihre Produkte
Die Deutsche Börse AG ist in der gesamten Wertschöpfungskette des Handels, Clearing und Settlement von Finanzinstrumenten tätig. Sie ist weltweit Betreiber einer Reihe von Börsen, darunter der Frankfurter Wertpapierbörse und der Eurex-Derivatebörse. Auch NYSE Euronext ist weltweit tätig. Das Unternehmen betreibt eine Reihe von Börsen in Europa (Amsterdam, Brüssel, Lissabon und Paris), die New Yorker Börse und die Liffe-Derivatebörse in London.

Der Zusammenschluss wurde am 29. Juni 2011 bei der Kommission angemeldet.

Fusionskontrollvorschriften und -verfahren
Die Kommission ist seit 1989 damit betraut, Fusionen und Übernahmen zwischen Unternehmen zu prüfen, deren Umsatz bestimmte Schwellenwerte übersteigt (siehe Artikel 1 der Fusionskontrollverordnung). Die meisten Zusammenschlüsse werden von der Kommission nach einer einmonatigen Prüfung genehmigt. Wenn jedoch wettbewerbsrechtliche Bedenken bestehen, muss eine eingehendes Prüfverfahren eingeleitet werden (Phase II). Die Einleitung eines solchen umfassenden Prüfverfahrens greift dem Ergebnis nicht vor.

Derzeit führt die Kommission drei weitere Hauptprüfverfahren durch. Das erste betrifft die angemeldete Übernahme der MWM Holding GmbH durch Caterpillar Inc.; beide Unternehmen vermarkten Aggregate ("Gensets") mit Hubkolbenantrieb, die für die Energieerzeugung genutzt werden. Die anderen beiden Zusammenschlüsse betreffen die Festplattenbranche, und zwar die angemeldete Übernahme der Festplattensparte des koreanischen Unternehmens Samsung durch das US-amerikanische Unternehmen Seagate Technology sowie die geplante Übernahme der Speichersparte von Hitachi (Japan) durch die Western Digital Corporation (USA). (Europäische Kommission: ra)


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