
Antidiskriminierung und AGG
Antidiskriminierungsverband Deutschland (advd) sieht zwei Jahre nach Einführung des AGG noch keine bundesdeutsche Antidiskriminierungskultur
Noch immer enthalte das AGG für von Diskriminierung Betroffene zahlreiche rechtliche Hürden
(25.08.08) - Nach zwei Jahren Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG) zieht der Antidiskriminierungsverband Deutschland (advd) ein verhaltenes Resümee. Wenngleich das AGG langsam in die gesamtgesellschaftlichen Strukturen Einzug gefunden habe, seinen doch viele Chancen verpasst worden - meist auf Kosten von Betroffenen.
Das am 18. August 2006 in Kraft getretene Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) hat die Rechte der Betroffenen bedeutend ausgeweitet und so die Möglichkeit geschaffen, sich gegen die erlebte Diskriminierung rechtlich zur Wehr setzen und Ansprüche geltend machen zu können. Viele potentiell von Diskriminierung Betroffene verfügen überhaupt erstmals über einen direkt einklagbaren Gleichbehandlungsschutz.
Festzustellen ist laut advd vorab, dass die von Arbeitergeber- und Wirtschaftsverbänden sowie Anwaltsvereinigungen vor und nach Inkrafttreten des AGG prophezeiten "Prozesslawinen" oder "Sammelklagen mit Rekordsummen" ausgeblieben sind.
Die Tatsache, dass nur wenige Fälle mit AGG-Bezug bei den Gerichten anhängig wurden, liegt allerdings nach Ansicht des Antidiskriminierungsverbandes nicht daran, dass es keine Diskriminierung gibt. "Noch immer enthält das AGG für von Diskriminierung Betroffene zahlreiche rechtliche Hürden wie z.B. die häufig schwierige Beweislage oder auch der Mangel eines Verbandsklagerechts", sagte Florencio Chicote, Vorstand im advd. "Eine weitere praktische Hürde besteht auch darin, dass immer noch keine bundesweit flächendeckende Infrastruktur von Beratungsstellen für von Diskriminierung Betroffene existiert", erklärte Chicote.
Zwei Jahre nach Inkrafttreten des AGG hält der Antidiskriminierungsverband Deutschland (advd) immer noch an seiner Kritik fest: "Der Betroffenenschutz kommt zu kurz."
Der advd begrüßt, dass die Ergebnisse der von der Antidiskriminierungsstelle des Bundes eingerichteten wissenschaftlichen Kommission nun endlich mit dem Mythos der Milliardenbelastung für die Wirtschaft aufräumen. Doch mit Sorge beobachtet der advd auch, dass trotz der im letzten Jahr aufgezeigten Mängel des Gesetzes und den von der EU-Kommission eingeleiteten Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland, der Gesetzgeber an einem unzureichenden Diskriminierungsschutz festhalte.
Der advd kritisiert auch, dass weder die Bundesregierung noch die Antidiskriminierungsstelle des Bundes bisher der europarechtlichen Verpflichtung nachgekommen sei, Betroffene ausreichend über ihre Rechte zu informieren. So kenne ein Großteil der Ratsuchenden das AGG und seine konkreten Rechtsschutzmöglichkeiten nicht.
"Es ist daher an der Zeit, eine breit angelegte, bundesweite Informationskampagne zu starten, die potentiell von Diskriminierung Betroffene über ihre Rechte aufklärt, aber auch die Bürger und Bürgerinnen für Gleichbehandlung und Nichtdiskriminierung sensibilisiert", forderte Banu Bambal, Vorstand im advd. (advd: ra)
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