In der Kritik: BND bespitzelte Journalisten
Untersuchungsausschuss: Abgeordnete kritisieren Journalisten-Ausspähung als rechtswidrig
Schmidt-Eenboom: "Es ging um die Ausforschung meines Kontaktnetzes"
(30.01.09) - Sprecher aller Fraktionen bezeichneten am Donnerstag im Untersuchungsausschuss die 1993 gestartete und mit Unterbrechungen bis 2003 währende Ausforschung des Publizisten Erich Schmidt-Eenboom durch den Bundesnachrichtendienst (BND) als rechtswidrig.
Schmidt-Eenboom hat in Büchern auch auf Basis von BND-internen Quellen kritisch über den Auslandsgeheimdienst berichtet. Vor allem am Beispiel des Weilheimer Journalisten wollen die Abgeordneten exemplarisch die gegen mehrere Medienvertreter gerichteten Observierungsaktionen durchleuchten, die zur Aufdeckung von Lecks führen sollten, über die den Autoren Informationen aus dem Pullacher Dienst zuflossen. Ein im Auftrag des Parlamentarischen Kontrollgremiums (PKG) vom ehemaligen Bundesrichter Gerhard Schäfer erstellter und 2006 publizierter Bericht kritisiert die BND-Praxis ebenfalls und dient dem Ausschuss als Beratungsgrundlage.
Aus Sicht von Schmidt-Eenboom wusste die jeweiligen BND-Spitzen nichts von den Bespitzelungsmaßnahmen gegen ihn, verantwortlich seien wohl "Arbeitsebenen" gewesen, "die sich verselbständigt haben". Im Herbst 2005 habe sich der damalige BND-Präsident August Hanning für das rechtswidrige Vorgehen gegen ihn entschuldigt.
Der Zeuge schilderte bei seiner Befragung ausführlich Details seiner Ausspähung durch den BND, deren "Ausmaß und Tiefe" noch nicht vollständig aufgeklärt seien: Dazu zählten Beobachtungsteams in Autos, die Installierung von Teleobjektiven in einer benachbarten Dachgeschosswohnung und sogar die systematische Auswertung seines Altpapiers.
Schmidt-Eenboom sagte: "Es ging um die Ausforschung meines Kontaktnetzes." Er gab sich überzeugt, dass er in den Büros der von ihm in Weilheim betriebenen Forschungseinrichtung auch abgehört und per Richtmikrophon belauscht worden sei. Allerdings konnte er auf Nachfragen keine Belege präsentieren. Einen BND-Informanten, der Hinweise auf das Richtmikrofon geliefert habe, wolle er aus Gründen des Quellenschutzes nicht nennen. Eine Überprüfung des Telefons, die Abhörmaßnahmen bestätigt habe, sei von einem Techniker gratis und somit ohne Rechnungsbeleg vorgenommen worden, so der Zeuge.
Schmidt-Eenboom wehrte sich gegen Vorwürfe, er selbst sei seinerseits Informant des BND gewesen. Er verwies darauf, vor Gericht erfolgreich gegen die Feststellung im Schäfer-Bericht geklagt zu haben, er sei ein V-Mann des Geheimdiensts gewesen. Auch entsprechende BND-Vermerke seien falsch. Beispielsweise habe er gegenüber dem BND Quellen anderer Journalisten nicht namentlich preisgegeben. Der Publizist: "Es gab keine Kumpanei." Er habe, so Schmidt-Eenboom, erst Jahre später erfahren, dass er beim BND mit den Tarnnamen "März" und "Gladiator" geführt wurde, was er sich nicht erklären könne.
Als "kreuzdämlich" bezeichnete es der Zeuge, drei Spenden von zusammen knapp 900 Euro nicht an den BND zurückgezahlt zu haben: Die drei Summen seien unter einem Namen an sein Institut überwiesen worden, der nicht mit dem BND in Verbindung zu bringen gewesen sei. Später habe sich ihm gegenüber ein Geheimdienstler als wahrer Spender geoutet. Offenbar, so Schmidt-Eenbohm, habe er durch diese Aktion in eine Situation gebracht werden sollen, die ihn kompromittierbar habe machen sollen. Der Journalist erhielt nach seinen Angaben vom BND 7.000 Euro Schmerzensgeld, nachdem er von Pullach wegen der gesundheitlichen Belastungen durch die Affäre Schadensersatz verlangt habe.
Nach Schmidt-Eenboom schilderte der Schriftsteller Ulrich Ritzel, wie er im Schäfer-Bericht als "Chefredakteur" und als vom BND beobachteter "Besucher" Schmidt-Eenbooms aufgetaucht ist. Offenbar wurde er von BND und Polizei aufgrund einer Verwechslung fälschlicherweise als Chefredakteur einer Ulmer Tageszeitung eingestuft. Ritzel sagte, er sitze immer noch auf Kosten von mehreren tausend Euro, die ihm wegen der Einschaltung eines Anwalts in dieser Angelegenheit entstanden seien: "Der deutsche Staat ist mir dieses Geld bis heute schuldig."
Gutachter Schäfer stützt Kritik an Journalisten-Observierung
Die sehr weitreichende Observation des Publizisten Erich Schmidt-Eenboom bis in dessen "persönlichen Lebensbereich hinein" durch den Bundesnachrichtendienst (BND) war aus Sicht Gerhard Schäfers rechtswidrig. Vor dem Untersuchungsausschuss bezeichnete der frühere Bundesrichter zum Auftakt seiner Befragung diesen Fall als das gravierendste Beispiel unter den Ausforschungsaktionen durch Pullach, die sich gegen verschiedene Journalisten gerichtet haben und über die Schäfer als Sachverständiger für das Parlamentarische Kontrollgremium (PKGr) einen im Mai 2006 veröffentlichten Bericht erstellt hat.
Schäfer äußerte Verständnis, dass man beim BND "bestürzt" war über ein von Schmidt-Eenboom 1993 publiziertes Buch, das sich auch auf interne Informationen aus Pullach stützt und in dem mehrere Geheimdienstler mit ihren Klarnamen aufgeführt werden.
Beim BND fürchte man wohl zu Recht, von anderen Diensten vielleicht keine Nachrichten mehr zu erhalten, wenn die eigene Einrichtung nicht mehr "als dicht" gelte. Allerdings war die gegen den Autor gerichtete Observierung, die mit Unterbrechungen von 1993 bis 2003 währte, aus Sicht des Zeugen unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit "zu weitgehend". Schäfer kritisierte, man habe sich beim BND nicht genügend bemüht, hausintern den Verdacht zu überprüfen, dass sechs Mitarbeiter die Quellen Schmidt-Eenbooms gewesen sein könnten.
Der Ex-Bundesrichter erklärte, er habe bei seinen Recherchen keine Anhaltspunkte gefunden, dass bei den Ausforschungsaktionen gegen Journalisten auch Richtmikrophone eingesetzt und Telephone abgehört wurden, wie dies Schmidt-Eenboom für seine Person am Donnerstag vor dem Ausschuss behauptet hatte.
Laut Schäfer wird in seinem Bericht für das PKGr des Bundestags Schmidt-Eenboom weiterhin als V-Mann des BND eingestuft. Damit wies der Sachverständige die Aussage des Publizisten vor dem Ausschuss zurück, er habe vor Gericht die Löschung dieser Passage durchgesetzt. Schäfer führte aus, Schmidt-Eenboom habe ein "Gesprächspartner" des Geheimdiensts sein wollen und ein "sehr vertrauensvolles Verhältnis" zu einem BND-Mitarbeiter unterhalten. Der Journalist habe jedoch "keine gravierenden Dinge ausgeplaudert" und nichts mitgeteilt, was nachrichtendienstlich relevant gewesen sei.
Medienmeldungen, wonach Pullach dem PKGr-Sachverständigen Unterlagen vorenthalten habe, kommentierte Schäfer mit der Bemerkung, er habe "heftig gewühlt und nachgefragt". Er habe darauf gedrungen, dass er durch Aktenübergabe und Befragungen von BND-Mitarbeitern umfassend unterrichtet werde. Es seien keine Papiere manipuliert worden. Nach Auffassung des Zeugen wurden in Pullach Unterlagen nicht bewusst vernichtet, doch sei manches wohl aus "Nachlässigkeit" gelöscht worden. Bei den BND-Akten sei es "kreuz und quer" gegangen.
Vermutlich wegen dieses "ungeordneten Zustands" sei er in den Papieren auch auf die Ausforschung eines Journalisten gestoßen, dessen Fall zuvor gar nicht bekannt gewesen sei. Am Rande der Sitzung des Untersuchungsausschusses kündigte Max Stadler (FDP) an, auch das PKGr werde sich mit der Frage befassen, ob Schäfer Aktenmaterial vorenthalten und damit die Arbeit dieses Gremiums behindert worden sei. Stadler ist Vorsitzender des PKGr.
Zur Ausspähung von Medienschaffenden durch den BND will der Untersuchungsausschuss nach der Vernehmung Schäfers noch Bernd Schmidbauer, unter Regierungschef Helmut Kohl zuletzt als Staatsminister im Kanzleramt für die Geheimdienste zuständig, und Konrad Porzner als Zeugen anhören, von 1990 bis 1996 Präsident in Pullach. (Deutscher Bundestag: ra)
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